F1465.

Ich merkte, daß ich es trotz der Schmerzen spannend fand, wie es sich anfühlt, ausgenommen zu werden und jedem Schritt der Operation mit einer gewissen Neugier beobachtete

Vorgeschichte: F1464. Teros LZB99-973-12: Wenn sie das so machten, hieß das, daß sie irgendeines ihrer gruseligen Experimente vorhatten und der Gedanke gefiel mir gar nicht

Teros LZB99-973-12 erzählt:
Ich bereitete mich also vor, indem ich mich auszog duschte, ging in den Operationssaal und legte mich dann zur Operation hin. Sie schnallten mich so gründlich fest, daß ich keinen Muskel rühren konnte und fragten mich, was jetzt dran sei. Ich erklärte, daß ich zuerst kastriert werden mußte und beschrieb das Verfahren Schritt für Schritt. Sie taten wie befohlen und fragten, wie es jetzt weitergehen soll.

Ich erklärte, daß mir jetzt der Bauch aufgeschnitten werden müßte, führte aus, wie mir die Schnittführung erklärt worden war und dann taten sie es. Natürlich hätten sie nicht auf mich gehört, wenn ich irgendetwas anderes gesagt hätte, schließlich hatte das medizinische Team schon diverse solche Operationen durchgeführt. Komischerweise tat es mir trotzdem gut, selber die Anweisungen für die Operation auszusprechen, weil es mir fälschlicherweise das Gefühl vermittelte, ich hätte da irgendetwas in der Hand, obwohl ich es natürlich besser wußte. Sie warteten nach dem Schnitt auch tatsächlich, bis ich mich wegen der Schmerzen wieder genug gefaßt hatte, um die nächste Anweisung geben zu können, nämlich daß der Schnitt mit so Haken auseinandergezogen werden mußte, damit man an die inneren Organe herankommt und alles gut sieht. Es tat ekelhaft weh.

Ich betrachte die ganzen Organe, die jetzt heraustraten und identifizierte sie. Der Arzt fragte mich der Reihe nach, wie jedes sichtbare Organ hieß und dann, was er zuerst herausnehmen sollte. Natürlich tat es, als er meine Anweisung, die Leber herauszunehmen, befolgte wieder so weh, daß ich mich erst einmal wieder fangen mußte. Andererseits waren dadurch auch die darunterliegenden Organe sichtbar geworden und ich sah sie mir neugierig an. Ich merkte, daß ich es trotz der Schmerzen spannend fand, wie es sich anfühlt, ausgenommen zu werden und jedem Schritt der Operation mit einer gewissen Neugier beobachtete. Jedes Organ sah ein bißchen anders aus, als die Bilder aus den Anatomiebüchern, die ich gesehen hatte und wenn ich nachfragte, zeigten sie mir die Einzelheiten auch genauer. Das war interessant, wie ein Puzzlespiel, wo jedes Teil seinen Platz hat. Außerdem fühlte es sich auch auf seltsame Weise anders an, je nachdem wo sie herumschnippelten. Ich wollte genau wissen, wie sie es bewerkstelligten, daß ich bei einer so massiven Operation nicht einfach verblutete und sie erklärten mir, daß sie zuerst jede Ader abklemmten, bevor sie sie durchschnitten und welche Ader sie nachher mit welcher zusammenflickten, damit der Blutkreislauf nach der Operation wieder geschlossen war. Das war alles schon sehr interessant.

Als der gesamte Bauchraum leer war, wenn man mal von den wichtigen Adern absieht, sah ich das mit einem sehr seltsamen Gefühl an, und war auf merkwürdige Weise befriedigt, als wäre das alles richtig so. Sie legten, als ich sie dazu anwies, die Anschlüsse für die künstliche Ernährung und Niere, die mich das folgende Jahr am Leben halten sollten und fragten mich, ob ich damit zufrieden war. So weit ich im Spiegel sehen konnte, hatten sie alles richtig gemacht und auch alle Werkzeuge wieder im Kasten, daher bestätigte ich das und wies sie an, die Wunde zuzunähen. Das Nähen ziepte etwas aber der Arzt hatte recht. Es fühlte sich im Bauch leichter an, als wäre eine Last von mir genommen.

Es war natürlich völlig unvernünftig, es angenehm zu finden, wenn die inneren Organe herausgenommen worden sind. Jeder Mensch, der für fünf Pfennig Verstand hat, weiß daß das nichts Gutes ist. Trotzdem empfand ich so und ich halte das für ein Zuchtergebnis. Unsere Zuchtlinie ist ja eröffnet worden, um Menschen zu haben, die sich nicht dagegen wehren können, wenn man ihnen giftige Drähte in den Körper einpflanzt, sie kastriert und die Harnröhre dann direkt an das Schiff anschließt, ihnen einen künstlichen Darmausgang legt und die Speiseröhre durch einen seitlichen Zugang ebenfalls direkt an die Schiffssysteme anschließt. Dadurch braucht man dann nicht wesentlich mehr Platz in einem kleinen Beiboot, als der eigene Körper einnimmt und kann trotzdem tagelang darin arbeiten, ohne zwischendurch auftanken zu müssen. Freigeborene kamen mit so etwas gewöhnlich nicht zurecht. Sie konnten das mal machen, aber wenn man sie regelmäßig so einsetzte, entwickelten sie psychische Krankheiten und wurden letztlich dienstunfähig. Inszwischen hatte man seit diversen Generationen diejenigen Menschen ausgelesen, die unter diesen Bedingungen die besten Leistungen brachten. Das hatte bewirkt, daß alle von unserer Zuchtlinie gerne mit den durch die Technik vermittelten Fähigkeiten arbeiteten, sich zwar nicht auf die Operation freuten, aber recht gut damit zurechtkamen und das Ergebnis nicht unangenehm fanden. Diese Veranlagung hatte bewirkt, daß ich so neugierig mit der Operation umgegangen war und mich nachher befriedigt und gut fühlte. Das war ein Zuchtergebnis.

Ich wurde dann in das Krankenzimmer geschoben, in dem ich mich von der Operation erholen sollte. Etwas später brachten sie auch meinen Kriegerkollegen herein, der immer noch genauso unglücklich aussah wie vorher. Dann setzte sich der Arzt zu uns und fragte uns, wie es uns mit der Operation ginge. Ich sagte, daß es mir gefallen hatte, daß ich mit den Ärzten reden konnte und fragte, warum man eigentlich die normalen Operationen nicht genauso macht, dann könnte man wenigstens etwas sagen, wenn die Ärzte etwas falsch machen.

Der Arzt wirkte amusiert, als ich das sagte und meinte, daß bis vor wenigen Tagen die einzigen Menschen, mit denen sie so etwas ausprobiert hätten, Freigeborene gewesen seien und er könnte mir ja mal zeigen, wie Freigeborene darauf reagieren. Wir stimmten zu und er rief einen Überwachungsfilm auf, der den Mann, den wir eben gesprochen hatten, bei der Operation zeigte. Er schrie bei jedem Schnitt vor Schmerzen, bettelte die Ärzte an, daß sie ihn nicht umbringen sollten, weinte und sagte nur nach dreifacher Aufforderung, was eigentlich das Organ war, was sie ihm zuletzt herausgenommen hatten. Gegen Ende weinte er mehr und sagte braver, was er sagen sollte, aber er wirkte vor allen Dingen bemitleidenswert entmutigt dabei. Auf mich wirkte dieses Verhalten besonders absurd, weil schon die Tatsache, daß er sich gehorsam auf die Behandlungsliege gelegt hatte, gezeigt hatte, daß der Freigeborene genauso gut wie wir Zuchtmenschen wußte, daß ihm betteln gar nichts bringen würde. Trotzdem schien er nicht anders zu können, als um Gnade zu flehen. Und natürlich hörten sich die Ärzte das nur an, weil sie wußten, daß alles andere seine Überlebenschancen drastisch gesenkt hätte. Der Arzt war ja auch nur ein Zuchtmensch, den niemand gefragt hatte, ob das der Beruf war, den er gerne ergreifen wollte. Wenn ein Arzt die Wahl hat, tut er das, was für seinen Patienten gut ist, nur hat man halt häufig nicht die Wahl.

Ich fragte, ob ich auch den Film von Siram sehen könnte, Siram nickte dazu und der Arzt zeigte ihn. Siram XZB12-200-20 war während der gesamte Operation konzentriert, reserviert und gefaßt, während er jeden Schritt der Operation ansagte. Seltsamerweise wirkte er während der Operation bei weitem nicht so unglücklich wie vorher. Ich fragte ihn, ob dieser Eindruck richtig ist.
"Während der Operation habe ich darauf geachtet, daß sie nichts falsch machen. Nicht daß ich damit gerechnet hätte, aber vier Augen sehen mehr als zwei. Ich bin nicht dazu gekommen über etwas anderes nachzudenken, als das, was gerade passiert, also konnte ich mir keine Sorgen um die Zukunft machen. Was der Arzt gesagt hatte stimmte aber, ich habe mich sehr hilflos gefühlt und als würde mir alles weggenommen, was wichtig im Leben ist." antwortete er immer noch in einem ruhigen gefaßten Ton, der sich gar nicht so sehr von dem Ton unterschied, in dem er während der Operation geredet hatte. Jetzt sah man ihm aber wieder an, daß er richtig unglücklich war. Auf die Frage, wie er sich jetzt fühlte, antwortete er daß er sich auf sehr quälende Weise leer fühlen würde. Er erklärte, daß er sich doch beinahe sicher sein könnte, daß er die nächste Operation nicht überlebt, daß er ehrlich gesagt so auch nicht leben wollte und sich einfach nicht vorstellen kann, daß er damit zurechtkommen könnte, ein Gehirnschiff zu sein.
"So etwas ist einfach kein lebenswertes Leben!" sagte er und ihm kamen tatsächlich sichtlich die Tränen. Ich fand das erschreckend, denn die Krieger waren immer sehr gefaßt. Wenn man einen aus ihrer Zuchtlinie als Organspender für die anderen vorgesehen hatte, benahm er sich bis zum Tod nicht anders als sonst, obwohl die Operationen je nachdem, wer die Organe bekommen sollte und auf wie viele sie verteilt wurden, oft über mehrere Tage erstreckten. Dann fragte Siram mich, ob er meinen Film auch sehen könnte.

Ich nickte und der Arzt rief auch meinen Überwachungsfilm auf. Ich war bei weitem nicht so gefaßt wie Siram. Das wunderte mich nicht, denn ich konnte mich erinnern, daß ich immer einen Augenblick gebraucht hatte, um meine Konzentration wieder von den Schmerzen zur äußeren Situation bringen zu können. Es hatte ja auch verdammt weh getan.
"Du siehst ja aus, als hättest du auch noch Spaß an der Operation gehabt." meinte Siram.
"Irgendwie stimmt das sogar. Es hat natürlich ziemlich weh getan, aber so wirklich unglücklich war ich nicht." antwortete ich.
Ich beschrieb dieses seltsame und unrealistische Gefühl, alles in der Hand zu haben und die Neugier bei der Arbeit. Dann fragte mich der Arzt, wie es sich jetzt anfühlte und ich fühlte mich in mich hinein. Die Schmerzen im Bauch hatten deutlich nachgelassen, so daß es, wenn ich ruhig lag, kaum noch zu merken war. Der Bauch war jetzt flacher, aber eigentlich fühlte sich das gut an. Ja, das war OK, so konnte das ruhig bleiben. Ich beschrieb, wie sich das für mich anfühlte und sagte, daß mir der Gedanke, ein Gehirnschiff zu werden, gefiel.

Der Arzt meinte, daß die anderen Zuchtmenschen je nach Zuchtgruppe sehr ähnliche Dinge gesagt hätten, wie wir beiden. Alle Krieger seien sich einig gewesen, daß so ein Leben nicht lebenswert wäre, während alle Techniker von dem Gedanken, ein Gehirnschiff zu werden, durchaus angetan gewesen wären und die Operation mit Neugier miterlebt hätten. Wir waren uns einig, daß es schon merkwürdig wäre, was Zucht mit Menschen macht.

Außerdem fragte ich, ob ich dann nicht andere Dinge lernen mußte, als wenn ich meine bisherige Ausbildung weitergemacht hätte. Am nächsten Tag erhielt ich dann Anweisung für einen veränderten theoretischen Lehrplan.

Kersti

Fortsetzung:
F1466. Siram XZB12-200-20: So viel Einsicht brachten unsere Freigeborenen Herren aber definitiv nicht auf, also konnten sie es nicht lassen, mich als Versuchsobjekt zu verwenden

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben