F1500.

"Du bist ein Wildfang? Das interessiert mich. Du mußt mir alles darüber erzählen!" meinte der Braten Kelo

Vorgeschichte: F1500. Danien Wolf: Die gestrigen Foltern waren anders gewesen als die davor

Danien Wolf erzählt:
Dann kam alles anders, als ich je gehört hatte.

Eine Echse, die nach dem, was ich über die feindliche Kultur wußte, ihrem Schmuck nach wohl ein Gelehrter war, kam in die Zelle, wo ich mich foltern sollte und sah zu. Als mir mitgeteilt wurde daß ich fertig sei, kam die Echse zu mir.
"Ich bin Siro cha Aannann, Verhaltensforscher an der Universität von Kherr-Arr. Ich habe dich gekauft." stellte sie sich als mein neuer Besitzer vor. Nach Namen und Aussehen war die Echse offensichtlich ein Mann.
Ich wußte, daß in dieser Kultur auch vom Staat gezüchtete Menchen als Sklaven an Privatleute verkauft wurden. Ich hatte aber noch nie gehört, daß sie das auch mit Kriegsgefangenen machen. Da er offensichtlich von mir erwartete, daß ich mich ebenfalls vorstellte, tat ich das mit Namen und dem Rang, den ich bei der Armee gehabt hatte. Sie forderte sie mich auf, ihr zu folgen. Das gelang mir zunächst nicht, denn meine Beine zitterten zu sehr, weil die Nerven überreizt waren. Statt den Befehl zu wiederholen und zu warten, bis ich aufstehe, wie das die anderen Echsen immer gemacht hatten, stützte er mich und half mir in sein Auto.

Überhaupt war sein ganzes Verhalten mir gegenüber höflich und sogar freundlich. Leider beruhigte mich das gar nicht, denn das erinnerte mich zu sehr an einen jungen menschlichen Mann, den ich damals während meines Studiums kennengelernt hatte. Er war die häßliche Sorte Verhaltensforscher, die die mit ihren Versuchstieren die Art Versuche machen, die aus einem Gruselroman stammen könnten. Wenn er aber nicht gerade einen Versuch gemacht hatte, hat er sich bei seinen Versuchstieren dafür entschuldigt, wenn er ihnen Wasser und Futter mal eine halbe Stunde später gebracht hat. Dabei hatte er wohlweislich dafür gesorgt, daß sie genug Trockenfutter im Spender und Wasser im Fläschchen hatten, um, auch wenn er sie eine Woche nicht hätte füttern können, nicht hungern und dursten zu müssen. Trotzdem hat er sie bei lebendigen Leibe seziert und alles, was das Tier dabei gemacht hat, protokolliert. Ich hatte ja gesehen, daß dieser Echsengelehrte mit völlig unbeteiligtem Gesicht zugesehen hatte, wie ich mich selbst hatte foltern müssen. Und ich glaube schon, daß ich die Körpersprache der Reptos inzwischen einigermaßen richtig einordne.

Als ich im Auto auf dem Beifahrersitz saß, fragte ich ihn, was er denn mit mir vorhätte. Er sagte, daß er mir das erklären würde, sobald ich bei ihm zuhause wäre. Ich dachte über Flucht nach. Das war nur witzlos, denn wir fuhren durch eine Großstadt, wo sie einen Menschen, dessen im Rücken eingepflanzter Sender anzeigt, daß er nicht bei seinem Herrn ist, einfangen würden, ehe er in Deckung gehen kann, mal ganz zu schweigen von dem Problem, wie ich von hier aus nach Hause kommen würde. Schließlich kannte ich mich hier nicht aus.

Wenn eine Flucht Erfolg haben soll, muß man sie richtig planen.

Ich verhielt mich also weiterhin fügsam, während er mich, wie er mir erklärte, in seine Privatwohnung brachte. Als er aufschloß, wartete in der Wohnung schon einer der Menschen auf mich, die sie zum schlachten züchten, wie wir Menschen Schweine züchten. Die Echse sagte ihm, das sie seinem Wunsch entsprochen hätte und deshalb seinen Nachfolger etwas früher als die letzten Male mitgebracht hätte, so daß wir einander kennenlernen könnten, bevor er völlig aufgegessen würde. Er wurde mir als der "Kelo, mein Braten" vorgestellt.

Der Braten Kelo saß in einem Rollstuhl und war sehr fett, wie ich sah. Er begrüßte mich herzlich und stellte dann mehrere Fragen, auf die ich keine richtig passende Antwort wußte, weil er bei der Fragestellung davon ausging, daß ich ebenfalls zum Schlachten gezüchtet worden wäre. Meine Antworten müssen für ihn wohl auch verwirrt haben, denn er fragte schließlich, ob er mal meine Zuchtnummer sehen dürfte. Ich stutzte, fühlte mich zuerst peinlich berührt, überlegte und sagte mir dann, daß das ja im Grunde egal war. Dann zeigte ich ihm die Nummer, die sie nach und nach in meinen Arm eintätowiert hatten. Er warf einen Blick darauf, bekam große Augen und meinte dann:
"Du bist ein Wildfang? Das interessiert mich. Du mußt mir alles darüber erzählen!"
Ich fragte mich, inwieweit man einem Menschen, der gezüchtet wurde, um geschlachtet zu werden, erklären kann, was ein Leben als freier Mann bedeutet. Nun, ich würde es herausfinden, denn es sprach ja nichts dagegen, ihm von meinem früheren Leben zu erzählen.

Kersti

Fortsetzung:
F1502. Danien Wolf: Das mit dem Braten wurde noch gruseliger, als ich schon befürchtet hatte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben