F1505.

"Und weißt du was das gruseligste ist? Ich fange an, mich genauso zu benehmen!" schloß Diever seine Ausführungen

Vorgeschichte: F1504. Danien Wolf: Im Grunde war ja sowieso alles zwecklos. Ich würde geschlachtet und gegessen werden, egal ob ich brav oder rebellisch war

Danien Wolf erzählt:
Aannann schien unsere Gesellschaft tatsächlich zu schätzen. Er war ein aufmerksamer und interessanter Gesprächspartner und hörte sich jede Meinung, die ich von mir gab an, ohne dabei unwirsch zu werden. Dann erklärte er mir mit Engelsgeduld, daß ich schon noch merken würde, daß es meine wahre Bestimmung sei, seine Nahrung zu sei und daß ich lernen würde, damit zufrieden zu sein.

Ich hatte natürlich immer noch Fluchtpläne im Kopf und gedacht, daß der erste Schritt am schwierigsten sein würde - nämlich genug über mein Umfeld herauszufinden, daß ich wußte, wo ich untertauchen konnte, wenn ich fliehen wollte. Ich vermutete, daß es schwierig sein würde, die dafür nötigen Erkundigungen einzuziehen und stellte fest, daß es im Gegenteil sehr einfach war. Da es zu Kelos Aufgaben zählte, den stark automatisierten Haushalt zu führen, sollte er auch den Einkaufszettel schreiben und alles so vorbestellen, daß Aannann es nur noch abholen brauchte. Dafür hatte Kelo einen speziell für Menschen beschränkten Internetzugang, mit dem man zwar keine Bankgeschäfte abwickeln kann, der aber durchaus Zugang zu Landkarten und diversen anderen Informationen gewährte. Ich lernte Landkarten auswendig.

Außerdem war Aannann germe bereit, mir all die Sorten von Gefallen zu tun, die ihm kein Schnitzel kosten. Als ich mit ihm darüber diskutierte, ob die Menschen in der Mastanstalt wirklich zufrieden wären, sich zu mästen und geschlachtet zu werden, bot er mir an, eine solche Anstalt zu besichtigen. Ich nahm den Vorschlag an, denn ich hatte festgestellt, daß die Wohnung so abgesichert war, daß ich sie nicht verlassen konnte, wenn Aannann weg war. Es war mir auch noch nicht gelungen, mich in die Elektronik einzuhacken. Lediglich hatte ich versehentlich einen Alarm ausgelöst, als ich versucht hatte mehr über die Programme herauszufinden, auf denen sie basierte. Ich behauptete, das wäre ein Versehen gewesen, weil ich nicht gewußt hätte, wie der Computer funktioniert. Aannann glaubte mir das, obwohl es noch nie einem seiner Braten passiert war, daß er einen Alarm ausgelöst hatte.

Aannann brachte mich also in die Mastanstalt. Unterwegs testete ich aus, bei welchem Abstand die automatische Entfernungsüberwachung einen Alarm abgibt, weil ich das möglichst genau wissen mußte, wenn ich irgendwann untertauchen wollte. Aannann wurde nicht mißtrauisch sondern meinte nur, er würde ja verstehen, daß ich neugierig wäre, aber ich sollte schon darauf achten, daß ich immer in seiner Nähe bliebe. Ich entschuldigte mich und löste kurz darauf wieder einen solchen Alarm aus.

In der Mastanstalt erklärte Aannann mir zunächst, wie es dort zuging. Ich wurde an einen Platz geführt, wo diverse Menschen mit dem Rücken zur Kreismitte hinter einer Art Theke angekettet waren und sich bemühten so viel Essen runterzuwürgen, wie sie konnten. Es war eine Reihe von Männern, die aussahen, als wären sie danach sortiert, wie fett sie waren. Direkt neben dem Fettesten saß jemand, der einigermaßen normal schlank war, danach nahm das Gewicht mit jedem Platz deutlich zu, bis man wieder bei dem fettesten ankam. Der normal Dicke sah auch wirklich wie ein Mann aus, während die anderen nach und nach ihre männlichen Merkmale verloren.

Mir wurde erklärt, daß der fetteste heute geschlachtet würde in der Woche danach der zweitfetteste und so fort. Die Mastanstalt war wirklich gruselig, denn die Menschen dort waren so brav. Wenn man sie fragte sagten sie auch, daß sie zufrieden wären, wie ich das von Kelo kannte. Dann meinte Aannann er müßte jetzt etwas besprechen. Er hätte die Überwachnung an die automatische Anlage übergeben, daher sollte ich darauf achten, nicht den rot gekennzeichneten Bereich zu verlassen, sonst würde ich bestraft.

Ich hatte also Gelegenheit, alleine mit den Leuten zu reden. Kaum war Aannann weg, sprach mich jemand mit meinem Namen an. Ich mußte zwei mal hinschauen, ehe ich ihn wiedererkannte. Es war Diever, ein Untergebener von mir, der zusammen mit mir bei der Schlacht von den Echsen gefangen genommen worden war. Er war dicker geworden. Das war übrigens genau das, was er mir auch über mich sagte. Das war natürlich logisch, denn ich hatte schon während der Gehorsamsübungen immer mehr gegessen als ich normalerweise hätte essen wollen, trotzdem war es mir kaum bewußt gewesen, denn man nimmt eben immer sehr allmählich zu. Danach erzählten wir uns gegenseitig wie es uns ergangen war. Er war weniger gefoltert worden, um Informationen aus ihm rauszuquetschen, als ich, weil er einen niedrigeren Rang hatte. So weit wir wußten, hatten sie da feste Werte, es sei denn, man wäre so dumm, ihnen etwas Wichtiges zu verraten, dann konnte es ewig dauern, bis sie einen wieder frei gaben. Dafür hatte er sich dann länger mit den Gehorsamsübungen rumgeschlagen als ich, weil er sich nicht gleich am zweiten Tag ausgerechnet hatte, daß man da am Besten durchkommt, wenn man tut, was sie wollen. Danach war er kastriert worden und hier in die Schlachtanstalt gekommen. Wir waren uns einig daß es wirklich gruselig wäre, daß die gezüchteten Menschen alle behaupteten mit ihrem Los als Braten völlig zufrieden zu sein und sich durchweg bemühten, alles zu tun was von ihnen verlangt wurde.
"Und weißt du was das gruseligste ist? Ich fange an, mich genauso zu benehmen!" schloß er seine Ausführungen.
Ich lachte, stimmte ihm zu und erzählte, wie ich den Reinigungsshake zubereitet hatte.

Als Aannann zurückkehrte lief ich ihm entgegen und überschritt dabei bewußt die rote Linie, um auszuprobieren, wie weit man die Grenze überschreiten kann. Die Impulse aus dem Strafer setzten tatsächlich exakt auf der Linie ein. Ich versuchte weiterzugehen als wäre da nichts, kam aber nur wenige Schritte weit, ehe mir die Beine den Dienst versagten. Aannann schimpfte mich einen Idiot, hob mich hoch und legte mich wieder auf die andere Seite der Linie. Er hatte keinen Verdacht geschöpft, sondern erklärte mir, er hätte mir doch gesagt, daß ich die rote Linie nicht überschreiten dürfte, bis er die Überwachung wieder an den in seinen eigenen Körper eingepflanzten Überwacher übergibt. Ich behauptete, ich hätte das einfach vergessen.

Tatsächlich hatte ich etwas Wichtiges daraus gelernt, nämlich daß man nur wenige Schritte weit kommt, wenn man versucht den Strafer zu übergehen, weil einem der Körper den Dienst versagt. Das mußte ich berücksichtigen, wenn ich einen erfolgreichen Fluchtplan schmieden wollte.

Kersti

Fortsetzung:
F1506. Danien Wolf: "Ich verstehe nur nicht, warum man mir erst die Augen rausnehmen mußte, damit ich begreife, daß ich die Schmerzen annehmen muß, um zufrieden zu sein." sagte Savin

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben