F1537.

Ich sah die glückliche Miene von Jan und mir kamen die Tränen, weil Koris so etwas nie wieder erleben würde

Vorgeschichte: F1536. Danien Wolf: Auf dem Rückweg fragte der Psychologe, wenn diese Mästerei der Menschenmästerei so ähnlich und alle zufrieden wären, warum ich dann Schweine schlachten für besser halten würde als Menschen schlachten

Danien Wolf erzählt:
Wir waren an der Nebentür des Palastes angekommen, wo wir eintreten wollten. Da das Gehirn uns erkannt hatte, öffnete es, ich grüßte und bat das Gehirn um einen Straferfilm, eine Lehrfilm für den Psychologen, was gruselige Experimente sind und darum, daß Jan irgendein Haustier zu sehen bekommt, damit er begreift, was der Unterschied zwischen Tieren und Menschen ist und weiß worum es bei der Geschichte mit Schweine schlachten und Menschen schlachten geht.

Das Gehirn versprach mir, sich wegen den Filmen was zu überlegen und einen Mann von der Garde mit Wachhund vorbeizuschicken.
"Aber das geht doch nicht dann bekommt der Junge doch Angst!" behauptete der Psychologe.
Ich starrte ihn fassungslos an und fragte mich, wie man so dumm sein kann.
"Nein, Herr aus dem Tal, die Gardisten gehören zu uns. Das ist wie ein Gruß von Zuhause." antwortete Jan, der sich deutlich schneller wieder gefaßt hatte, als ich.
Diesmal fiel ihm wenigstens auf, wie dumm sein Kommentar gewesen war.

Kaum hatten wir das Zimmer betreten und uns mit ein paar Getränken hingesetzt, klopfte es. Auf mein "Herein" öffnete der Wachmann Saman XZB12-123-77 mit einem Hund, der genauso groß und schwarz war wie das Tier, das Koris damals so beglückt hatte. Nur war dieser Hund offensichtlich an Kriegssklaven gewöhnt, denn er deutete sofort an, daß er zu Jan hinlaufen wollte, der genauso entzückt aussah wie damals Koris, als er zum ersten mal einen Hund gesehen hatte. Der Gardist fragte, ob er den Hund loslassen könne, was ich mit Ja beantwortete, ehe der Psychologe irgendwie darauf reagieren konnte. Der Hund stürmte auf Jan zu und sprang ihn an, um ihm das Gesicht zu lecken, was Jan lachend abwehrte, um übergangslos mit dem Hund zu balgen.
"Paßt aber auf, daß ihr nichts umwerft." sagte ich.
Hund und Mensch warfen mir einen Blick zu und gingen etwas weiter vom Tisch weg, um dort weiterzubalgen.

Ich sah die glückliche Miene von Jan und mir kamen die Tränen, weil Koris so etwas nie wieder erleben würde.
"Was ist denn los?" Der Wachmann hatte mich sacht an der Schulter berührt und sah mich mitfühlend an.
"Ach, ich mußte nur daran denken, daß Koris so etwas nie wieder erleben wird." antwortete ich, konnte aber nicht aufhören zu weinen.
"Koris XZB12-113-20 war ihr erster Offizier, nicht wahr?" der Wachmann wußte natürlich ganz genau, daß das so war, denn er hatte ganz bestimmt meine Akte von den Zuchtmenschen gelesen, die weitaus ausführlicher war als meine offizielle Akte.
"Woher wissen sie denn das?" fragte der Psychologe.
"Herr Wolf gehört zu den Prominenten, auf die wir aufpassen müssen, deshalb habe ich selbstverständlich seine Akte durchgelesen." behauptete Saman.
Der Psychologe, zu dessen Pflichten Akten durchlesen unzweifelhaft gehört, sah ihn an wie ein Auto. Ich war überzeugt, daß er nicht einmal die Kurzzusammenfassung mit den Eckdaten gelesen hatte, sonst hätte er doch darauf kommen müssen, von was ich rede, selbst wenn er sich den Namen meines ersten Offiziers nicht gemerkt hatte.

"Was ist denn aus ihm geworden?"
Ich erzählte meine letzte Begegnung mit Koris, bei der wir über unhöfliche Echsen gewitzelt hatten, die nach Dingen fragen, die sie wirklich überhaupt nichts angehen.
"Das war so eine Situation, wo völlig egal ist, was man tut, daher haben wir die Echsen immer geärgert, wenn uns etwas passendes einfiel." erklärte ich.
"Man könnte sich beinahe wünschen, daß es mehr solche Situationen gibt, wo alles egal ist, weil man dann gewissen Leuten mal offen die Meinung sagen kann." antwortete Saman und ich stimmte ihm zu.
Ich sah, daß er sich so hingestellt hatte, daß er jede Reaktion den Psychologen aus dem Augenwinkeln beobachten konnte und wußte daher, daß diese ungewöhnlich ausführliche Erklärung genauso eigentlich für den Psychologen bestimmt war wie mein Satz vorher. Wenn wir allein gewesen wären, hätte er wahrscheinlich nur über unseren Humor angesichts der aussichtslosen Situation gelacht. Schließlich hätten wir uns das nicht gegenseitig erklären müssen, um zu wissen, was hinter einer solchen Situation steckt.

Ich erzählte, daß ich mich erkundigt hatte, was aus Koris geworden war und daß der Schlachter mir gesagt hatte, man würde merken, daß er ein gezüchteter Mensch ist, weil er genauso zufrieden zum Schlachten gegangen sei, wie ein von den Echsen gezüchteter Mensch.
"Ja, es gibt Situationen, die sind so aussichtslos, da macht es keinen Sinn, auch nur etwas dazu zu sagen." antwortete Saman, "Wenn ich nur daran denke, daß von den Menschen aus meiner Klasse außer mir kein einziger jemals einen Hund gesehen hat. Sie sind alle tot und haben außer Schlachten und Truppentransporten nie etwas anderes erlebt." fuhr er fort, "Weißt du, daß es hier Hunde gibt, ist wirklich das allerbeste an der Palastwache!"
"Ja. Wann immer wir Landurlaub gemacht haben, hat Koris gefragt ob es da auch Hunde gibt. Und ihr Krieger seid alle so!" antwortete ich. Mir kamen wieder die Tränen und ich sagte mir streng, daß man sich für so etwas nicht schämen muß. Koris war schließlich ein großartiger Mensch und guter Freund gewesen.

Jan war dazu übergegangen, mit dem Hund zu schmusen und beobachtete uns sehr aufmerksam. Er wollte auf diese Weise lernen, wie man Freigeborenen etwas erklärt. Dem Psychologen war offensichtlich nicht klar, daß wir ihm gerade etwas erklärten, denn er wurde zunehmend unruhig, traute sich aber nicht, eine Zwischenfrage zu stellen, weil er das für ein sehr privates Gespräch hielt. Ich sah ihn direkt an und fragte ihn, ob er jetzt ein bißchen besser wüßte, was es mit der Zufriedenheit von gezüchteten Menschen auf sich hätte und ich war sehr froh, daß das Gehirn so klug gewesen war mir den im Umgang mit Freigeborenen so erfahrenen Wachmann vorbeizuschicken.

"Das ist ein Tier und die Freigeborenen essen Tiere?" fragte Jan, der aussah, als wolle er den Hund nie wieder loslassen.
"Ja." antwortete ich.
"Aber warum machen sie das denn, man kann doch auch Notrationen essen?"
Ich schmunzelte, weil das eine so typische Reaktion für Kriegssklaven der Zuchtlinie XZB12 war und antwortete:
"Beschäftige dich mal damit, wie Ökosysteme funktionieren, dann verstehst du, wie das entstanden ist."
Der Psychologe verstand offensichtlich nicht, wie ich zu der Antwort kam. Wie ich ihn kannte, hätte er genauso irritiert auf die schon seit längerem bestehende Forderung der Kriegssklaven reagiert, daß endlich ein Kurs in Freigeborenenanthropologie in ihren Lehrplan aufgenommen werden sollte. Ehrlich gesagt, verstand ich auch nicht, warum das mit der Ökologie so gut funktionierte, aber diesem Tip hat mir Treron gegeben, als ich ihn gefragt habe, wie man denn so eine Frage beantwortet und er funktioniert. Zumindest hat mir jeder Kriegssklave, dem ich das gesagt hatte, bald darauf gesagt, daß er jetzt verstünde, warum Menschen Fleisch essen, aber er sähe nicht, warum er das auch tun sollte, schließlich wäre er kein Sklave seiner Instinkte. Was sie sich da zusammenverstanden haben, verstehe allerdings ich nicht! So begeistert die Kriegssklaven Freigeborenenmalzeiten probieren, weil sie es ausgesprochen interessant finden, wie unterschiedlich essen schmecken kann, so unsinnig erscheint es ihnen, Fleisch zu essen. Der Eiweißanteil der Notrationen ist bakteriell hergestellt, so daß sie kein Fleisch kennen. Sie sind alle Vegetarier und bleiben dabei.

Die Menschen, die die Echsen zum Schlachten züchten, sind auch durchweg Vegetarier. Da glaube ich aber daß der Grund eher darin besteht, daß das einzig ihnen erreichbare Fleisch bisher Menschenfleisch war. Die Techniker- und Ärztezuchtlinien essen gelegentlich Fleisch, wenn sie erwachsen sind und Zugang dazu haben, wie unter Freigeborenen gibt es aber auch bei ihnen Vegetarier.

Das Gehirn sagte, daß die Zuchtmenschen sich zum Aufbruch bereit machen würden. Wenn der Junge nicht einzeln geflogen werden solle, wäre es deshalb sinnvoll, ihn jetzt heimzubringen. Der Wachmann sah mich fragend an und ich sagte ihm, daß er ihn heimbringen sollte. Saman gab Jan einen Wink und sie gingen raus. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn sie mit dem Hund bei einer ganzen Horde solcher jungen Gruppenführer aufkreuzen würden. Andererseits ging ich davon aus, daß Saman wußte, wie man solche Situationen mit Würde bewältigt, schließlich sah es nicht so aus, als würde der Hund ihm nicht folgen.

Kersti

Fortsetzung:
F1538. Danien Wolf: "Silas Gutmenschenfsassade hat ja Risse bekommen! Wie hast du denn das gemacht?" fragte er mich

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben