F1541.

Kurz darauf kam Saman XZB12-123-77 mit drei anderen Leuten der Palastgarde und Hunden an, blinzelte mir zu und setzte dann die patentierte einschüchternde Miene der Kriegssklaven auf

Vorgeschichte: F1532. Danien Wolf: "Ich will es mal so sagen", antwortete das Gehirn, "Ich halte mich zwar für einen fantasievollen Menschen, aber was diesen Leuten so an Ideen kommt, sprengt mein Fassungsvermögen."

Danien Wolf erzählt:
Kurz darauf kam Saman XZB12-123-77 mit drei anderen Leuten der Palastgarde und Hunden an, blinzelte mir zu und setzte dann die patentierte einschüchternde Miene der Kriegssklaven auf.
"Mitkommen!"
Ich gehorchte, denn wenn eines klar war, dann war das, daß die klügste Taktik eben im Mitkommen und eine undurchdringliche Miene aufsetzen bestand, die man meist verwendet, um zu verbergen, daß man verängstigt ist. Ich war nicht verängstigt sondern verwirrt, denn das Blinzeln deutete an, daß es sich bei der Geschichte um ein bedrohlich erscheinendes Theaterstück handelte, das aufgesetzt worden war, um etwas wesentlich Freundlicheres darunter zu verbergen.

Zunächst einmal wurde ich vor ein Tribunal mit mehreren Militärs geführt, die mir letztlich Hochverrat unterstellten, obwohl ich dafür nun echt nicht das nötige Geheimwissen gehabt hatte. Ich setzte ihnen im Einzelnen auseinander, daß und warum sie unter Halluzinationen litten und fragte sie, wie sie auf so einen absurden Gedanken kamen, ob sie eigentlich in der Lage wären, simple Logik auf die Situation anzuwenden. Ich fragte sie, für was sie mich eigentlich halten würden, wenn sie glauben, daß ich Dinge verraten haben könnte, die ich mit meiner Stellung von niemandem erzählt bekommen haben konnte. Dann behaupteten sie, daß meine jetzige Funktion doch klar mit solchen Geheimdienstfreigaben verbunden sein müsse.
"Ach ja und wer soll mir diese ganzen Sachen erzählt haben, wenn das Verhalten von jedem einzelnen Menschen mit dem ich hier zu tun hatte, klar beweist, daß mir niemand genug Vertrauen entgegenbringt, um mir die Dinge zu erzählen, die ich wissen müßte, um meine Aufgabe zu erfüllen?" fragte ich zurück.
Das schien sie besonders erbost zu haben, denn die Gardisten erhielten einen Wink und führten mich in die Büsche, was ich mit ernsthaft erboster Miene mit mir machen ließ. Die Wut war echt, andererseits hätte ich sie nie gezeigt, wenn ich sie nicht für politisch nützlich gehalten hätte.

Die Strecke war etwas weiter und endete an einem kleinen Pavillon, wo eine wie eine Dienerin gekleidete Frau dabei war, einen Kaffeetisch zu decken. Außerdem saß dort Prinz Dorin, lächelte mich an und lud mich ein, Platz zu nehmen. Ich setzte mich und war immer noch geladen.
"Entspannen sie sich doch!"
Ich warf ihm einen mißmutigen Blick zu.
"Ich weiß, das geht nicht auf Befehl, aber wir sind hier unter Freunden."
"Tut mir leid, ich weiß, daß sie nicht persönlich dafür verantwortlich sind, aber wenn ich mich entspanne, zeigt sich die Stimmung, in der ich tatsächlich bin und die ist langsam ernsthaft genervt. Wenn ich es mir recht überlege, würde ich am liebsten ungefähr jeden erwürgen, mit dem ich in dem letzten Dreivierteljahr geredet habe." antwortete ich.
"Komisch. Das geht mir auch so, wobei ich ausdrücklich Err ssa Diama und ihre Mannschaft ausnehmen möchte." antwortete der Prinz.
"Ich weiß gar nicht, ob ich da so ganz zustimmen kann, denn wenn ich das Wort 'ausnehmen' höre, habe ich ein Bild von aufgeschnittenen menschlichen Bäuchen vor Augen. Damit das ganze auch so richtig absurd ist, haben die betroffenen Menschen nachher mit einer verblüfften Miene ihre Eingeweide in einer Schüssel betrachtet und gesagt, daß das ja ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt haben und daß sie gar nicht glauben können, daß ihr Bauch jetzt leer ist. Außerdem haben sie darauf bestanden, daß sie zufrieden sind geschlachtet zu werden und den Echsen, die sie aufessen wollten einen guten Appetit und ein frohes Fest gewünscht." erzählte ich.
"Ist es denn wirklich so, daß die zum Schlachten gezüchteten Menschen völlig zufrieden damit sind, geschlachtet zu werden?"
"Das ist teilweise irreführend. Wir verstehen unter zufrieden, daß es das ist, was wir gewählt hätten, sie beantworten aber die Frage, ob sie sich damit abfinden können, wenn es befohlen wird. Teilweise ist es ihnen aber auch so selbstverständlich, daß sie zum Essen da sind, daß sie es auch ehrlich für richtig halten, wenn sie geschlachtet werden. Wenn ich die Mentalität unserer Zuchtmenschen mit der der Zuchtmenschen der Echsen vergleiche, dann hinterfragen unsere Zuchtmenschen die Kultur, in der sie leben, viel mehr, während die Menschen der Echsen die Gesellschaft, in der sie leben, ziemlich unhinterfragt für richtig nehmen."
Ich lächelte Saman zu und fragte ihn, ob er zufrieden gewesen sei, zur Schlacht geschickt zu werden.
"Sagen wir es mal so. Wenn mir jemand einen Schlachtplan vorgelegt hätte und mich gefragt hätte, ob ich damit zufrieden bin, hätte ich geantworte 'Ja', wenn der Schlachtplan für einen Freigeborenen normal gut ausgearbeitet ist und keine groben Fehler enthält. Da ich nicht wirklich mit so etwas zufrieden sein kann, hätte ich ihn an meine Leute weitergeleitet, um die Details auszuarbeiten. Für Freigeborene reicht es mir, wenn sie den Plan in ihren Grundzügen verstanden haben. Ich wäre im Traum nicht auf den Gedanken gekommen, daß mich damit jemand fragen wollen könnte, ob ich an die Stelle geschickt werden will, wo wir nach Plan hinsollen. Damit ich diese andere Frage beantworten würde, hättest du mich fragen müssen ob ich lieber an die Stelle geschickt werden will, wo die frei geborenen Fußsoldaten kämpfen oder lieber dahin, wo wir hingeschickt werden. Die freigeborenen Fußsoldaten, sind zwar auch nur arme Hunde, aber sie werden dennoch an die weitaus harmloseren Stellen der Schlacht geschickt, wo ich mich um Klassen lieber aufhalten würde." antwortete Saman.
"So eine Analyse, wie Saman sie eben gebracht hat, bekommt man von den Zuchtmenschen der Echsen nie zu hören. Ich glaube, daß das damit zusammenhängt, daß sie als Dreijährige von ihren Eltern getrennt und danach ausschließlich von Echsen erzogen werden. Die zweite Antwort, wo sie sagen, was sie lieber haben würden, bekommt man heraus, wenn man geschickt fragt. Als Kelo über die Schule erzählt hat, in der er vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr erzogen wurde, hat er erwähnt, daß von den Schulabschlüssen abhing, ob man geschlachtet wird oder eine Arbeit zugeteilt bekommt, die man bis in hohe Alter ausüben soll und daß er bedauert hat, daß er nicht gut genug in der Schule war. Nur war das die Antwort die ich wochenlang erfolglos versucht hatte, aus ihm rauszufragen. Er hatte zwar begriffen, daß ich irgendetwas anderes wissen wollte, kam aber nicht darauf, was das sein könnte. Ein junger Kriegssklave oder Techniker hätte, wenn er meine Verwirrrung bemerkt hätte einen seiner Vorgesetzten gefragt, warum ich so komische Fragen stelle und wie man die beantwortet und der Vorgesetzte hätte in seiner Trickkiste gekramt und ihm irgendeinen vorgefertigten Trick geliefert."
"Ja. Beispielsweise kriegt man militante Tierschützer zahm, indem man ihnen vorführt, wie einer von unseren ganz jungen Brüdern darauf reagiert, wenn er das erste mal einen Hund sieht." ergänzte Saman.
"Sag mal was versteht ihr eigentlich, wenn man euch die Antwort gibt, ihr sollt nachsehen wie ein Ökosystem funktioniert?"
"Der Mensch einer typischen traditionellen Jäger- und Sammlerkultur hat in seinem Ökosystem die Funktion eines Allesfressers und kann auch nur als solcher überleben. Daher verhalten Menschen sich wie Allesfresser und jagen und essen auch Tiere, ernähren sich aber normalerweise überwiegend von leicht verdaulichen Pflanzen." antwortete Saman.
Ich erzählte, wie Treron mir diesen Tip gegeben hatte, daß ich jungen Kriegssklaven, die mich fragen, warum Freigeborene eigentlich Fleisch fressen, sie auf Ökosysteme hinweisen soll. Ich hatte mich danach auch mit Ökosystemen befaßt, weil ich wissen wollte, was meine Untergebenen da eigentlich verstehen. Ich wäre aber nicht auf diese eigentlich logische und offensichtliche Zusammenfassung gekommen, die Saman mir eben gegeben hätte und wenn ich die Untergebenen gefragt habe, was sie da genau verstanden haben, sei ihre Erklärung so kompliziert gewesen, daß ich nicht drauf gekommen sei, was sie mir damit eigentlich hatten sagen wollen.
"Ja. Tanan LZB45-321-37, der Palasttechniker hier war, als ich noch jünger war, hat mir auch immer gesagt, daß ich stärker vereinfachen muß, wenn ich will, daß die Freigeborenen mich verstehen." antwortete Prinz Dorin.
Ich warf ihn einen verwirrten Blick zu, denn das klang ja, als würde er sich selbst für einen Zuchtmensch halten.
"Was ich ihnen jetzt sage ist ein Staatsgeheimnis, weil es unsere Autorität gegenüber den Freigeborenen unserer Kultur untergraben würde, wenn es herauskäme, aber ich bin eine wegen zu geringer Intelligenz aus der Technikerzuchtlinie aussortierte Zuchtmutter und Prinz Dorin ist mein leiblicher Sohn und hieß bei seiner Geburt Dorin LZB75-30-105."
Ich sah sie an und mir gingen ungefähr fünf Kronleuchter auf einmal auf.
"Ach so. Deshalb hat Talis mir, als ich ihm irgendwann gesagt habe, daß er sich benimmt, wie die Techniker, mit denen er immer zusammenhängt, gesagt, wenn ich das so sehe, solle ich bitteschön den Mund darüber halten, sonst würde ihm das politische Probleme bescheren."
Damals war es so gewesen, daß ich ihm gehorcht hatte, da er mein Vorgesetzter war und mir einen Befehl gegeben hatte, aber gar nicht verstanden hatte, wovon er redete. Nicht einmal den Teil, daß die Ingenieursoffiziere Sklaven sind und ihnen deshalb eine völlig unangemessene Verachtung entgegengebracht wird, hatte ich begriffen. Jetzt war mir klar, daß Talis vom Hohen Licht ebenfalls ein Adoptivkind aus der Technikerzuchtlinie sein mußte. Damals wäre ich im Traum nicht auf den Gedanken gekommen, daß ich mit meinen Worten dermaßen ins Schwarze getroffen haben könnte.

Der Prinz erklärte daß er mich hauptsächlich aus zwei Gründen zu sich hätte bringen lassen. Einerseits wollte er sich bedanken, daß ich ihm so helfen würde, den Vertrag den das Reich unbedingt braucht durchzubringen und sich entschuldigen, daß er mich aus politischen Kalkül damit ziemlich alleine gelassen hatte. Allerdings hätte er den Eindruck gehabt, daß ich durchaus in der Lage gewesen sei, mit der Situation fertig zu werden und daß mir die Unterstützung des Zuchtmenschennetzes gereicht hätte, um mich nicht völlig von Gott und der Welt verlassen zu fühlen. Der zweite wesentliche Grund bestünde darin, daß er mich als Boten verwenden wolle, um Err ssa Diama sagen zu lassen, daß sie sich keine Sorgen machen solle. In Wirklichkeit verlaufen die Verhandlungen sehr gut und das läge daran, daß ich mich sehr klug verhalten hätte, so daß er nicht einmal mit mir hatte reden müssen, damit ich genau das tue, was er braucht, damit er den Vertrag bei seinen eigenen Politikern durchkriegt. Außerdem sollte ich Err ssa Diama sagen, daß sie ihm über mich bitte Bescheid sagen sollte, wenn sie mit ihren eigenen Leuten Probleme bekommt und diese Informationen dann über Geron an ihn weitergeben, damit er sie berücksichtigen kann.

Ich sagte ihm, daß es sehr gut wäre, daß er mir das sagt, denn ich hätte langsam begonnen, die Hoffnung aufzugeben. Ich erklärte ihm, daß mir durchaus klar sei, was da laufe und erzählte von der Verschwörungstheorienepisode mit den gefangenen menschlichen Offizieren, mit denen zusammen die Echsen einen Entwurf für den Friedensvertrag ausgearbeitet hatten und daß mir klar gewesen sei, daß die Menschen hier, ähnliche Verschwörungstheorien gewälzt hätten, nur würde das dann nach einem Dreivierteljahr langsam wirklich an den Nerven zehren.
"Das hat mir Geron gemeldet und deshalb gibt es diese Begegnung." antwortete der Prinz.

Kersti

Fortsetzung:
F1542. Danien Wolf: Ich habe mich und mein Weltbild immer wieder in Frage gestellt und gemerkt, daß alles - ich eingeschlossen - vielschichtiger ist und bin dadurch mehr oder reicher geworden

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben