erste Version: 12/2019
letzte Bearbeitung: 12/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Die Folgen eines Unfalls

F1551.

Sobald sie mein Nervensystem an das Netz dieses Raumes angeschlossen hatten, prüfte ich nach, was ich eigentlich schon wußte und beschwerte mich dann, daß der Raum keinen Anschluß an das Internet hatte

Vorgeschichte: F1550. Kersti: Irgendsoeine Uni hatte ein anatomisches Präparat bestellt - und zwar ein lebendes

Zaris LZB42-77-5 erzählt:
Auf der Reise lenkte ich mich durch Lesen von den Schmerzen ab. Und da ich dazu einerseits verpflichtet worden war, andererseits aber auch gar nichts besseres zu tun wußte, beschäftigte ich mich mit Anatomie. Wie sie auf den Gedanken gekommen sind, man bräuchte eine mehrwöche Reise, um ein paar Sätze, die sie zur Funktionsweise des Verdauungssystems vorgegeben haben, auswendig zu lernen, ist mir völlig unklar. In der Datenbank des Schiffes gab es dazu viel interessantere Sachen zu lesen, was ich auch ausgiebig tat. Wenn ich keine Lust dazu hatte, unterhielt ich mich mit dem Schiff. Schließlich hat sich noch nie jemand beschwert, daß irgendjemand von uns zu wenig gelesen hätte. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, wie viel wir wirklich lesen, sonst hätten sie bestimmt schon verlangt, gefälligst nur das zu lesen, was wir für die Arbeit brauchen.

Leider ging das nicht den ganzen Weg, weil die Universität irgendwo am Boden war, und nachdem ich aus dem Shuttle ausgeladen worden war, wurde ich mit irgendsoeinem Bodenfahrzeug weitergefahren und niemand hielt es für nötig, darauf zu achten, daß ich an die Fahrzeugelektronik angeschlossen werde, um mich darüber mit jedem in Funkreichweite unterhalten zu können. Jeder echte Techniker hätte daran gedacht!

Erst im Anatomiesaal, wo sie mich an die Wand hängen wollten, bekam ich wieder etwas mit, das über undefinierbare Fahrbewegungen hinausging. Ich sah mich um - an den Wänden der Halle hingen noch andere Menschen, aber mit denen konnte man nicht reden, die hatten einen so entmutigten Gesichtsausdruck. Diese Art Gesichtsausdruck kannte ich von Freigeborenen, denen man gesagt hatte, daß sie mit ihnen dieselben Operationen machen wollten, wie mit uns normalerweise. Wer so guckt, ist so verzweifelt und entmutigt, daß ihn nichts mehr interessiert. Es hatte unter den Freigeborenen aber auch immer einzelne gegeben, die Fragen gestellt hatten und neugierig waren. Von denen hatte ich einige dann mit zu meiner Mutter genommen, damit sie auch noch was anderes zu sehen bekommen als entmutigte Gesichter von Freigeborenen, die sich selbst völlig aufgegeben haben.

Sobald sie mein Nervensystem an das Netz dieses Raumes angeschlossen hatten, prüfte ich nach, ob der Raum, wie ich eigentlich schon wußte, wirklich nicht ans Internet angeschlossen war und beschwerte mich dann, daß der Anschluß an das Internet kaputt wäre. Ich wurde gefragt, wozu um alles in der Welt ich das zu brauchen meinte, ich solle schließlich als anatomisches Präparat dienen und keine Emails schreiben. Ich erklärte ihnen, daß ich gesagt bekommen hätte, daß ich doch die Anatomie erklären sollte und das könnte ich doch nur fachlich korrekt tun, wenn ich die neuesten Forschungsergebnisse im Netz nachsehen könne.

Natürlich war mir klar, daß niemand damit rechnete, daß ich das Fachwissen dazu haben könnte und ihre Antwort war auch entsprechend, daraufhin erklärte ich dann, daß ich das sehr wohl hätte, schließlich sei mir gesagt, worden daß ich mich darin fortbilden solle. Jedenfalls meinte dann der anwesende Professor, wenn ich dazu genug wüßte könnte ich ihm ja mal folgendes erklären und er fragte nach irgendwelchen biochemischen Details, die ich tatsächlich auf der Fahrt nachgelesen hatte, schließlich ging so etwas über einen Computeranschluß ziemlich schnell. Er hatte die Forschung allerdings bei weitem nicht so genau im Kopf wie ich, und natürlich war er auch noch nicht über das informiert, was das Schiff, mit dem ich gekommen war, so an neuen Forschungsergebnissen mitgebracht hatte.

Der anwesende Techniker meinte, er müsse, um den Internetanschluß zu reparieren, nur schnell ein 20cm langes Kabel durch einen vorhandenen Kabelkanal in der Wand legen, das er selbstverständlich schon dabei hätte und das hätte den zusätzlichen Vorteil, daß die Studenten hier alles abrufen können, was sie an Fachliteratur brauchen, ohne dafür in die Lesesääle zu gehen. Das sei schnell erledigt.

Der Professor, der offensichtlich zu faul war, darüber zu diskutieren, ob dieser Raum jemals ans Internet angeschlossen gewesen sei oder nicht, ließ ihn machen. Vielleicht glaubte er auch, daß der Raum einmal angeschlossen gewesen wäre, wer weiß? Ich weiß jedenfalls daß man ihn beim Bau der Uni extra nicht angeschlossen hatte, weil man befürchtete, die Präparate könnten sonst die elektronische Bibliothek der Universität durcheinanderbringen. Ich hielt den vorgeblichen Grund für puren Unsinn und war der Ansicht, daß das mal wieder zeigte, daß gewisse Freigeborene den Zuchtmenschen nichts gönnen, was die Gefahr mit sich bringen könnte, daß man das Leben eventuell noch lebenswert finden könnte.

Natürlich ging es mir nicht darum, den Studenten möglichst viel erklären zu können, sondern darum, mich mit den Gehirnen im Netz unterhalten zu können und mit den Technikern, die sich in die Elektronik eingestöpselt haben. Nur hatte ich immer wieder die Erfahrung gemacht, daß sehr viele Freigeborene Wünsche von Zuchtmenschen nur deshalb nicht erfüllen, weil es Wünsche sind. Selbst wenn diese Wünsche ihnen Arbeit sparen, ist das für sie Grund genug, uns das vorzuenthalten. Also tut man so als müßte man etwas reparieren oder so, damit dieser Typ Mensch keine Gelegenheit erhält, seinen Sadismus auszuleben.

Kersti

Fortsetzung:
F1552. Kersti: Einer der Professoren dieser Universität hatte einen sehr sarkastischen Artikel darüber geschrieben, wie unsinnig es ist, solche anatomichen Präparate wie mich herzustellen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben