erste Version: 1/2020
letzte Bearbeitung: 1/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Der Bruder des Prinzen

F1585.

"Weißt du daß die Bäume Essen für Menschen machen?" fragte Saman.

Vorgeschichte:
F1584. Tanan LZB45-321-37: "Nein. Du warst einfach weg und niemand hat mir gesagt, wo du warst." meinte Prinz Talis
F1690. Diro von Karst: Andererseits waren diese Krieger mir sowieso gruselig, seit ich sie das erste mal erlebt hatte
F1831. Saman XZB12-123-77: Die Tricks, mit denen wir Freigeborene so weit bringen, daß sie verstehen, daß wir alle Menschen sind, funktionierten auch bei meinem neuen Vorgesetzten

Tanan LZB45-321-37 erzählt:
"Wo ist denn Saman?" fragte ich.
"Der ist auf einer Fortbildung, damit er besser schießen lernt." antwortete Talis.
"Was für ein Blödsinn!" dachte ich mir, selbstverständlich kann Saman besser schießen als die ganze Palastwache zusammen, sonst wäre er längst nicht mehr am Leben. Aus sozialen Gründen war es natürlich nötig, daß er an den Fortbildungen teilnahm, aber doch nicht, um besser schießen zu lernen! Außerdem mußte man ihn ja nicht gerade dann wegschicken, wenn ich auch weg bin. Ich rief die Daten zur Fortbildung ab und natürlich hatte er in allem Bestnoten, wo es nur um schießen oder so ging. Allerdings stand da etwas sehr Komisches, was so auch nicht stimmen konnte. Ich steckte meinen Stecker in die nächste Steckdose, um eine bessere Verbindung zu haben und fragte das dort zuständige Gehirn über das Netz, was denn zu dem Eintrag geführt hätte, daß Saman seine Körperkraft unangemessen ausnutzen würde und außerdem überheblich wäre. Ich bekam daraufhin einen Film von Nahkampfübungen gezeigt, bei denen sich Saman seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen offensichtlich fragte, was er denn bei so etwas sucht und wie er am besten mit den Leuten umgeht, damit sie sich nicht selbst verletzen. Er sah überhaupt nicht aus, als würde er das auch nur für einen Übungskampf halten, sondern verhielt sich wie ein Erwachsener, auf den ein Dreijähriger mit Fäusten losgeht, weil er Krieg spielen will. Dann kam so ein Offizier an und sagte ihm er solle richtig kämpfen. Saman sagte, daß das nicht geht, weil sein Gegner ihm nicht näherungsweise gewachsen ist. Wenn er wolle, daß Saman kämpfen muß, um zu gewinnen, müßte er ihm schon schwierigere oder mehr Gegner anbieten und er schlug eine mindestens zehnfache Übermacht vor, die den Befehl haben sollte, ihn zu fesseln. Er sagte auch genau wie haltbar die Fesseln sein mußten, damit er sie nicht einfach zerreißen kann. Natürlich waren diese technischen Daten Erfahrungswerte, die aus den Ausbildungen seiner Kriegerzuchtlinie stammten und daher ziemlich genau stimmten, aber für den bescheuerten Ausbilder war das selbstverständlich Hochmut!

Zu meiner Ausbildung hatte auch ein Training mit den Kriegern gehört, weil wir eine Grundausbildung im Nahkampf haben sollten, da wir ja normalerweise auf Kriegsschiffen arbeiten sollten. Daher kannte ich die Erfahrungswerte, wie viele von uns man gegen einen von ihnen einsetzen muß, damit wir so etwas wie eine Chance haben. Die lagen nicht bei zehn zu eins sondern bei zwanzig zu eins und wir haben nur durch Tricks gewonnen, wenn wir gewonnen haben. Eigentlich sind wir klüger als die Krieger, aber in Kampfsituationen sind sie auch taktisch besser. Die Palastwache bestand zwar aus Leuten, die größer, besser ausgebildet und stärker waren als wir, aber sie waren dümmer. Daher nahm ich an, daß die Mengenverhältnisse nicht unter zwanzig zu eins liegen sollten. Und wie es der Zufall wollte, nahmen 24 Leute an der Ausbildung teil. Daher sollte einer den Schutzbefohlenen spielen und mal sollte Saman ihn gegen den Rest der Manschaft beschützen - ich nannte einige der typischen Angriffssimulationen aus den Ausbildungen der Krieger - und mal sollte Saman den Schutzbefohlenen entführen oder "töten" mal die ganze andere Mannschaft, während der jeweilige Gegner ihn beschützen sollte. Außerdem müsse der Abend von Kriegsszenarien frei sein, damit man in Ruhe Manöverkritik halten könne. Ich arbeitete ein paar Szenarien ausführlicher aus und faßte das Ganze noch einmal kurz in einem Anschreiben zusammen, dann fragte ich den König, ob er das mal unterschreiben könnte.
"Warum?" fragte er.
Ich zeigte ihm den Überwachungsfilm und beobachtete wie der König das mit einem befriedigten Grinsen betrachtete. Ihm zumindest schien zu gefallen, was er sah.
"Ich denke, Saman muß nicht lernen zu kämpfen, sondern er muß sich in die Unterschiede zwischen der Situation eines Leibwächters und der eines Kriegers reindenken und dazu braucht er jedenfalls keine solchen Nahkampfübungen sondern solche, wie ich geschildert habe." erklärte ich.
"Besprich das mit Diro."
Mir gefiel diese Anweisung gar nicht, denn ich hatte Angst vor Diro von Karst, dem Sicherheitschef des Königs, der immer solche gruseligen Sprüche macht und als sehr grausam bekannt war. Andererseits war das ein Befehl zum Thema Sicherheit und ich glaubte nicht, daß sich der König mit einem "Nee ich habe keine Lust!" zufrieden geben würde. Also bestätigte ich den Befehl und informierte Diro über das Netz davon. Das stellte sich allerdings als unnötig heraus, da der König kaum eine Sekunde später sein Handy zückte und selber mit Diro redete.

Diro kam sofort her, begrüßte mich mit einem dieser gruseligen Sprüche, wo man jedesmal denkt, gleich wirft er einen in den Müllschlucker. Das hat er tatsächlich mal mit einem Kind gemacht, über das er sich geärgert hatte, einfach weil er es gesehen hat. Das war nämlich einer der Filme mit denen wir unsere Kinder warnen, sich von Diro fernzuhalten, weil er unberechenbar, grausam und richtig gefährlich ist.
"Ich habe mir den Befehl schon durchgelesen. Wie kommst du dazu, gerade diese Änderung vorzuschlagen?" fragte er.
"Die Kriegerzuchtlinie von Saman sind die besten Kämpfer, die man kennt, daher ist es unsinnig, ihnen auf dem Gebiet Dinge beibringen zu wollen, wenn der Lehrgangsleiter sie nicht besser beherrscht als Saman. Samans Defizite liegen auf gesellschaftlicher und sozialer Ebene, daher braucht er Übungen die weniger mit Kämpfen und mehr mit den speziellen Anforderungen an Leibwächter zu tun haben. Er muß lernen wie ein Leibwächter in typischen Alltagssituationen agieren muß, damit er sowohl seine Aufgabe erfüllt, als auch sozial gut ankommt." erklärte ich.
"Und was macht er, wenn ihm jemand eine Handgranate an den Kopf werfen will?" fragte Diro.
"Das erste mal als ich das in der Ausbildung versucht habe, ist die Handgranate neben meinem Kopf explodiert." antwortete ich.
"Was hast du denn falsch gemacht?"
"Nichts offensichtliches. Daß er mich überhaupt bemerkt hatte, habe ich erst festgestellt, als der Medizinball, den er auf mich geworfen hat, mich getroffen hat, ich umgefallen bin und diese Handgranatensimulation ihre Farbspritzer verteilt hat. Gegen einen XZB12 im Kampf anzutreten ist eine Übung in Frustraton, weil man sich die ganze Zeit fragt, wie er das eigentlich macht, jede Aktion des Gegners vorherzusehen und zu kontern. Ich meine, wir waren immerhin zwanzig Technikerkinder und sind gegen einen Kriegerjungen angetreten. Trotzdem hat er mindestens so oft gewonnen wie wir." erklärte ich.

Diro machte noch so einige komische Sprüche, hat den Befehl so geändert, daß er richtig gruselig klang und noch einige kluge Vorschläge gemacht, wie man die von mir vorgeschlagenen Änderungen realistischer gestalten kann und das ganze dann unterschrieben.

Als Saman nach dem Lehrgang zurückkam, fragte ich ihn, wie es war.
"Am Anfang war es langweilig, weil wir nur ganz einfache Schießübungen gemacht haben und der Lehrgangsleiter meinte, ich soll ewig lange zielen, dabei habe ich doch auch so getroffen. Aber dann sind wir raus gegangen und das hat Spaß gemacht. Außerdem gab es richtig verrückte Sachen zu essen. Weißt du daß die Bäume Essen für Menschen machen?"
"Ja. Das nennt man Obst." antwortete ich.
"Aber es gibt ganz verschiedenes Obst!"
Zuerst war ich gelangweilt, weil ich Obst inzwischen ja schon kannte, aber er hatte bei seinen Recherchen hunderte an unterschiedlichen Obstsorten identifiziert, komplett mit wirtschaftlicher Bedeutung, planetarer Herkunft, wilden Ahnen, Schädlingen, Nützlingen und der ökologischer Bedeutung. So viel hatte ich darüber dann doch nicht gewußt. Ich fragte ihn, wann er denn das gemacht hatte.
"Ich mußte doch lesen, damit die Leute nicht merken, daß ich aufpasse." antwortete er.
Ich erklärte ihm, daß die meisten Leute bei so etwas nur so tun als ob sie lesen, weil sie sonst die Umgebung nicht mehr richtig mitkriegen.
"Ja aber dann merkt man doch, daß sie nur so tun, weil sie so gelangweilt sind." meinte er.

Diro wollte nach dem Lehrgang auch mit mir reden und fragte zwischen seinen ganzen gruseligen Sprüchen, wie ich denn Samans Lehrgangsbewertung verstehen würde. Ehrlich gesagt hatte ich die nicht verstanden, denn da stand, es hätte den Anschein gehabt, als hätte er sich mit allem anderen beschäftigt, nur nicht mit der Aufgabenstellung, trotzdem hätte er den Anforderungen genügt. Ich fragte also das dort zuständige Gehirn.
"Ach das war lustig. Er hat immer so ein total wissenschaftliches Gespräch mit seinem Schützling geführt, daß alle geglaubt haben er wär mit sonstwas beschäftigt und dann sind sie in eine vorher aufgebaute Falle gelaufen."
"Hast du ihn denn beim Fallen aufbauen erwischt?" fragte ich.
"Nein. Dabei habe ich ihn so genau überwacht, wie ich konnte, weil es immer so lustig war, wie er seinen Kollegen ein Schnippchen geschlagen hat und es sah so aus, als hätten sie sich einfach nur blöd angestellt."
Das hätte mich auch gewundert. So weit ich das verstanden habe, bauen die XZB12s keine Fallen im Vorhinein auf, sondern sie informieren sich immer über möglichst viele Umgebungsvariablen und behalten die auch möglichst genau im Blick. Jede natürliche Umgebung hat diverse Gefahren, denen wir normalerweise routiniert aus dem Weg gehen. Wenn man aber zur rechten Zeit auf die richtige Weise abgelenkt wird, können einem richtig blöde Dinge passieren und die XZB12s sind wahre Meister, das hinzubekommen.

Ich bat das Gehirn mir einen passenden Film rauszusuchen und führte den vor. Diro schien den Film für eine Komödie zu halten und kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, während den Leuten, die Saman seinen Schützling abspenstig machen sollten, so dumme Sachen passierten, wie daß sie eine Teich gefallen sind, als sie hinter ihm herrennen wollten. Die Unfälle waren natürlich alle harmlos, schließlich achtete Saman darauf, seine Kollegen nicht in Gefahr zu bringen, aber sie waren schon ganz schön peinlich.

Wir hatten damals ganz schön an uns gearbeitet und geübt, die Umgebung im Blick zu behalten, bis es uns endlich gelang, zu zwanzigst einigermaßen gegen einen XZB12 anzukommen. Ich halte diese Ausbildungen aber für wertvoll, weil sie uns sehr geholfen haben, Leuten ein Schnippchen zu schlagen, die nur gemein sind, weil sie sonst nichts zu tun haben. Die Sorte, für die Diro ein typisches Beispiel ist. Als diese Grundausbildungen im Kampf mit den XZB12s eingeführt wurden, führte das dazu, daß Grausamkeiten gegenüber Technikern deutlich seltener wurden und das nicht, weil die Adeligen netter geworden wären, sondern weil wir geschickter darin wurden, von den unangenehmen Typen nicht bemerkt zu werden.

Ich sagte Diro zwar nicht, daß die Adeligen das Problem waren, machte ihn aber darauf aufmerksamer, daß es weitaus weniger Betriebsunfälle gegeben hätte, seit bei uns diese Nahkampfübungen mit den XZB12s eingeführt worden waren. Die Betriebsunfälle waren natürlich keine Betriebsunfälle gewesen, sondern Boshaftigkeiten, die so umdeklariert worden waren, aber das erwähnte ich gegenüber Diro nicht.

Er sah mich ganz komisch an, als hätte er das nicht Ausgesprochene trotzdem verstanden. Ich rechnete wieder mit etwas Schlimmen, aber er ging nur mit einem weiteren gruseligen Spruch raus.

Kersti

Fortsetzung:
F1586. Diro von Karst: Tanan LZB45-321-37 wurde mir zunehmend gruselig

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben