erste Version: 1/2020
letzte Bearbeitung: 1/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Der Bruder des Prinzen

F1604.

Als er mir dafür auch noch eine Sondervergütung überwies, entschied ich, daß ich wissen mußte, was normale Kinder in dem Alter können

Vorgeschichte: F1578. Tanan LZB45-321-37: Ich stellte fest, daß ich in diesem ersten längeren Gespräch mit der Prinzessin viel weiter ging, als ich ursprünglich geplant hatte

Tanan LZB45-321-37 erzählt:
Talis hatte mich wieder einmal gerufen, weil er einen Vorwand entdeckt hatte, warum ich unbedingt in seinem Zimmer arbeiten mußte. Eigentlich hatte er das alte Gerät in der Abstellkammer entdeckt und wußte nicht wie es heißt, weil es eben völlig veraltet war und sich seit Jahrzehnten niemand mehr damit befaßt hat. Zufälligerweise war gerade auch der König anwesend und sagte zu mir, daß er mich schon eine Weile hatte sprechen wollen. Er hätte sich überlegt, da ich bei den Verhandlungen mitkommen solle, weil Talis mich so mag, hätte ich dann ja etwas mehr Zeit und das wäre doch die Gelegenheit, wo ich Talis die Grundlagen der Elektrotechnik vermitteln könne.

Ich sah ihn fassunglos an und fragte mich, ob er eigentlich völlig blind war. Sobald ich mich von der Überraschung genug erholt hatte, um das überhaupt zu können, rief ich die Daten des alten Geräts ab und sagte:
"Talis, ich überspiele dir den Originalschaltplan. Und dann zeigst du deinem Vater mal, daß du das auch ohne meine Hilfe reparieren kannst. Wenn du etwas dazu brauchst, was wir nicht hier haben, sag mir bescheid."
Talis holte seine Werkzeuge aus dem Kindergartenspielzeugsatz und machte sich daran, das Gerät durchzumessen. Einerseits war das natürlich einfacher als bei modernen Geräten, weil die Elektronik nicht so sehr miniaturisiert war wie heute. Andererseits war es schwieriger, da, wenn etwas kaputt war, es pures Glück war, wenn das Ersatzteil fertig vorlag und genau paßte. Ich hatte Spaß daran, alte Geräte zu reparieren, weil man immer ein wenig tüfteln mußte, um etwas zu erfinden, was völlig kaputte alte Elektronik, so ersetzt, daß das Gerät danach anstandlos funktioniert. Außerdem gab es im Palast einfach nicht genug Arbeit für einen Techniker, daher war ich gerne bereit neben dem Unterricht in der Palastschule auch noch diverse Anfragen um technischen Beistand an beliebiger Stelle der Hauptstadt zu bearbeiten und seit Saman da war, durften wir den Prinz mitnehmen.

Natürlich hatte der Prinz schnell heraus, was kaputt war. Schwieriger war die Reparatur, weil er das Ersatzteil, was man damals, als es noch modern war, einfach hätte kaufen können, erst noch bauen mußte. Aber auch das hatten wir längst geübt. Jetzt fragte der König mich, was sein Sohn eigentlich schon alles gelernt hatte und ich zeigte ihm das Kindergartenzeugnis, was ich für ihn führte und wo man sehen konnte, wie weit er im Lehrplan gekommen war. Für einen Jungen seines Alters war er normal weit, obwohl er weniger Zeit mit dem Spielzeug verbracht hatte, als ich das getan hatte, als ich so klein war. Schließlich hatte ich vom Kindergarten höchstens bis in die Grundschule gehen können und uns stand ausschließlich technisches Spielzeug zur Verfügung, damit wir unseren Beruf lernen. Komischerweise war der König sehr beeindruckt von Talis Ausbildungsstand, als wäre das etwas Besonderes. Ich meine, er weiß doch daß mein kleiner Bruder ein Technikerkind ist. Warum wundert es ihn, wenn er auch unsere Begabungen hat? Ich zeigte ihm bei der Gelegenheit auch noch, was der Ausbildungsstand seiner Schwester war.
"Wie - Mera kann schon lesen?" fragte er mich verblüfft.
Ich sah ihn sehr irritiert an.
"Selbstverständlich kann sie das!" antwortete ich.
Sie war immerhin zwei Jahre alt und da kann ein Kind nun einmal sprechen, lesen und auch schreiben, wenn man ihm eine ausreichend große Tastatur zur Verfügung stellt. Warum tat er so erstaunt?

Als er mir dafür auch noch eine Sondervergütung überwies, entschied ich, daß ich wissen mußte, was normale Kinder in dem Alter können. Ich ging daher zur Schule und fragte den Schulleiter, was denn ein Kind in Talis Alter normalerweise kann. Da er sich über meine Frage zu wundern schien, zeigte ich ihm das Kindergartenzeugnis, was ich für Talis und Mera geführt hatte, um ihre Fortschritte im Blick zu behalten und sagte, daß ich mich gewundert hatte, warum der König so komisch reagiert, wenn ich ihm das zeige. Schließlich waren die Zeugnisse altersgemäß normal. Der Schulleiter warf mir einen sehr seltsamen Blick zu und frage mich, ob sie wirklich schon so viel können.

Ehe wir mit dem Gespräch zuende waren, rief der König an und wollte den Schulleiter sprechen. Der fragte, ob es möglicherweise um das Kindergartenzeugnis ginge, was ich ihm gerade gezeigt hatte.
"Ja, genau darum." antwortete der König.
"Soll ich einen Einstufungstest vornehmen?" fragte er.
"Ja genau, darum wollte ich bitten." antwortete er.
"Dann arbeite ich etwas geeignetes aus." antwortete er.
Er rief etwas auf, löschte den Titel der Tests und sagte mir, ich solle ihm sagen, welche Tests er den Kindern vorlegen sollte. Ich überflog es kurz und fand für Talis eigentlich alles zu einfach. Gleichzeitig waren die Tests zu lang für die Ausdauer eines solchen kleinen Kindes. Für Mera schienen mir die schwierigsten Tests ungefähr geeignet, wenn man sie etwas kürzte. Das sagte ich dann auch. Er legte mir dann noch ein paar Tests vor, wo das schwierigste dann ungefähr geeignet war, allerdings nur, wenn man es kürzte. Wer macht eigentlich Tests für Kleinkinder, wo die fachbezogenen Untereinheiten sechs Stunden dauern? Das war doch eine Testdauer für Erwachsene und keine für Kleinkinder! Das fragte ich ihn dann auch.
"Es liegt daran, daß die Tests, die du herausgesucht hast, Abiturprüfungen sind." antwortete der Schulleiter.
"Das ist nicht wahr? Oder?" fragte ich.
Ich hatte gewußt, daß wir mehr in der Schule lernen als Freigeborene. Aber so viel mehr? Das war doch nicht zu glauben!
"Doch, ist es. Umgekehrt kann ich nicht glauben, daß die Kinder wirklich so weit sind."
"Frag doch einfach Saman, was er meint." antwortete ich.
"Den Gorilla?"
Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu, erklärte ihm, daß er mal den Intelligenzquotienten der Krieger im Lexikon nachschauen sollte und sagte:
"Er ist täglich viele Stunden mit ihnen zusammen und weiß, was sie können."
Ich suchte Saman über das Netz und er meinte, er würde sofort kommen.

Natürlich war Saman mit mir einer Meinung und genauso erstaunt wie ich, daß das, was wir für Mera rausgesucht haben eine Abschlußprüfung für die letzte Grundschulklasse darstellte, während die Prüfung für Talis eine Abiturprüfung war.

Ich hatte mich natürlich schon über das Niveau der Schüler in der Palastschule gewundert gehabt, aber andererseits waren sie durchaus lernfähig gewesen und ich dachte, ich kriege sie schon so weit, daß sie ein Abitur bestehen. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht und hätte nach den üblichen Maßstäben längst Abiturprüfungen abnehmen müssen. Das erklärte aber auch, warum mein Vorgänger mich nur die jüngsten Schüler hatte unterrichten lassen und warum er allen Älteren bereits das Abitur abgenommen hatte. Vermutlich war ihm klar gewesen, daß ich diesen Fehler machen würde und er hatte mir deshalb nur die Schüler überlassen, wo er davon ausging, daß ich meinen Irrtum rechtzeitig bemerke, daß ich ihnen alle Prüfungen abnehme, wenn sie noch so jung sind, daß das in ihrem Lebenslauf nicht komisch aussieht. Und natürlich hatte er gesagt, daß ich mir die Abiturprüfungen ansehen soll, weil das Niveau hier viel niedriger ist als zuhause, aber ich dachte, ich hätte dazu noch Zeit, weil meine Schüler ja noch kleine Kinder sind und für ihr Alter noch nicht wirklich viel gelernt haben.

Ich mußte mich sehr beeilen, um die Abiturprüfungen vor dem Abflug noch zu schaffen, denn das wollte ich selber und vorher machen, weil man sich bei einem anderen Lehrer immer erst mal aneinander gewöhnen muß. Außerdem würde der Schiffstechniker sicherlich dieselben Fehler machen wie ich und sich deshalb gar nicht vorstellen können, daß das normales Abiturniveau war.

Kersti

Fortsetzung:
F1605. Der Schulleiter: "Ich wußte doch nicht, daß die Abiturprüfungen auf dem Niveau sind, bei dem wir in die Schule kommen!" antwortete der Palasttechniker

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben