erste Version: 4/2020
letzte Bearbeitung: 4/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Die Kriegs-Geisteskrankheit der adeligen Offiziere

F1723.

Unglaublich! Und einen so gebildeten Menschen betrachten seine Offizierskollegen als eine Art Affe, der nur auf Körperkraft gezüchtet war?

Vorgeschichte: F1722. Treron XZB12-5-13: Es gab diese Diplomaten und das machte mich neugierig

Theorn Tiger, der Soziologe der Delegation erzählt:
Den XZB12s waren wir bisher nur auf dem Schlachtfeld begegnet, und kurz gesagt war es die einzig vernünftige Fußtruppe des Lichtreichs, wie diese arroganten Glühwürmchen ihr Sternenreich nannten. Dies war das größte der drei Schiffe ihrer Stammeinheit. Und ich wollte mehr darüber wissen, warum sie in diesem Haufen an unfähigen Militärs, die für uns nur durch ihre überlegene Technik gefährlich wurden, so extrem positiv heraussstachen. Daher hatte mein Kollege auch versucht, ob er sie in ihren Privaträumen aufsuchen kann.

Ich war überrascht, als bei der dritten Malzeit ein Unteroffizier hereinkam, um uns das essen zu bringen, denn alle die uns vorher bedient hatten, waren Sklaven gewesen. Dann erkannte ich ihn als denjenigen wieder, der am ersten Tag die Bombe erkannt hatte, wobei ich den Eindruck gehabt hatte, daß er sie sofort entschärft hatte, dem Typ, der ihm seinen Stuhl, der offensichtlich extra wegen seiner muskulösen Statur für ihn hingestellt worden war, hatte streitig machen wollen, aber nicht darüber informiert hatte, daß er nicht mehr in Gefahr schwebte. Ich hatte mir gedacht, daß er über diese Unverschämtheit doch ärgerlicher gewesen sein muß, als er zugab.

Jetzt fragte ich mich, ob die Leute ihn so respektlos behandeln, wie sie das mit Sklaven gewöhnlich tun, nur weil er, wie die Seriennummer auf seinem Namensschildchen anzeigte, als Sklave gezüchtet worden war. Ich versuchte das vorsichtig aus ihm herauszufragen und erhielt eine Antwort, die mich verwirrte. Ganz offensichtlich hielt er den Typ, der ihn herausgefordert hatte, für Abschaum und es für seine zentrale Pflicht, solchen Abschaum zur Raison zu bringen. Nur formulierte er das so, als hätte er von seinen Vorgesetzten, genau diesen Auftrag erhalten und es konnte doch nicht sein, daß ein ehemaliger Sklave quasi den Befehl hatte, Mitglieder des Hochadels einzuschüchtern? Oder war es eher eine selbst gestellte Aufgabe als kollektive Selbstverteidigung der Sklaven - aber das gab nicht wirklich Sinn, denn dann hätte er das doch nicht so offen gesagt, er mußte mich doch auch in die Kategorie Adel einordnen!

Als nächstes sagte er etwas, von dem ich mir nicht sicher war, ob es eine verklausulierte Drohung sein sollte oder beruhigend gemeint. Oder beides, je nachdem wie naiv ich gegenüber verklausulierten Drohungen bin, wie sie intelligente Kriminelle benutzen. Als ich seine freundlich entspannte Miene sah, nahm ich allerdings an, daß er meinte, ich würde es eher beruhigend verstehen. Das schien, als würde er gegenüber Adeligen nur zur Sicherheit verklausulierte Drohungen verwenden, damit auch sicher jeder, der auch nur in diese Richtung denkt, weiß daß mit ihm nicht zu Spaßen ist. Der adelige Typ, der ihm den Stuhl streitig hatte machen wollen, hatte jedenfalls nach der Episode mit der Bombe ausgesehen, als würde er fürchten, daß unter jedem einzelnen Stuhl des Saales eine Bombe ist und als würde er es für den Rest seines Lebens nie mehr wagen, sich auf gleich welchen Stuhl zu setzen. Dabei war er körperlich völlig unversehrt.

Das nächste merkwürdige Detail war gewesen, daß sich der Adelige dann einen Tadel des Kapitäns eingesteckt hatte, der seiner Uniform nach zu urteilen aber aus einfacheren Verhältnissen stammen mußte. Die Sorte, die sich kaum das Studium hatte leisten können. Das paßte nicht zu dem, was wir über diese Kultur wußten, bei denen unseres Wissens der Adel sich alles erlauben kann, während einfachen Leuten auch ein Offizierspatent nichts nützt, was gesellschaftliche Anerkennung angeht. Dagegen hatte der ehemalige Sklave ganz unbefangen mit dem Kapitän geredet, als hätte er keinerlei Zweifel, daß er eine ganz sichere Stellung hatte.

Ich lud den XZB12-Unteroffizier ein, sich zu uns zu setzen. Er wirkte unbehaglich, als wäre ihm das nicht ganz recht, sah sich kurz die Stühle an, setzte sich auf die Bank, die im Gegensatz zu den Stühlen stabil genug für seine beeindruckend muskulöse Gestalt war. Dann gab er eine kurze Tastenkombination in sein Tablet ein, als wolle er irgendjemanden benachrichtigen. Das paßte zu nichts, was ich bisher auf dem Schiff oder der Raumstation beobachtet hatte. Wenn ein Offizier seine Vorgesetzten von jeder Kleinigkeit, die ungeplant läuft, benachrichtigt, dann deutet das auf eine sehr stringente Disziplin hin, die Art, die nicht durch zu viel Druck aufrecht erhalten werden kann, sondern über Einsicht funktioniert. Und die Disziplin, die ich bisher hier an Bord beobachtet hatte, war keine.

Auf die Frage, ob er über unsere Aufgabe informiert worden sei, gab der XZB12 eine Antwort, die mich ebenfalls verwirrte, denn er antwortete er hätte sich informiert gehalten, weil die Sklaven an den Friedensverhandlungen interessiert seien. Machen die Sklaven ihre eigene Politik? Auf meine Frage danach, ob er sich mehr mit den Sklaven identifiziert als mit den Offizierscorps nannte er alle XZB12s seine Brüder, begründete das aber genetisch darüber, daß sie geclont wären und daher so eng verwandt wären wie eineiige Zwillinge.

Die Prinzessin benahm sich wie das aufgeweckte Kind, das sie nun mal war und fragte ihn nach dem unbekannten Wort. Mit einem väterlich gutmütigen Lächeln gab der Zuchtsklave darauf eine Antwort, die mich beinahe vom Stuhl hätte fallen lassen. Er konnte nämlich jedes noch so kleine technische und zellbiologische Detail des Clonens so erklären, daß selbst ich verstanden habe, wie man das prinzipiell macht. Dabei war ich Soziologe und nicht Gentechniker! Außerdem wußte er offensichtlich so gut darüber Bescheid, daß er das durchaus selbst hätte durchführen können, wenn man ihm die dazugehörigen Laborgeräte gegeben hätte. Unglaublich! Und einen so gebildeten Menschen betrachten seine Offizierskollegen als eine Art Affe, der nur auf Körperkraft gezüchtet war?

Als das Mädchen ihn nach seiner Mutter fragte, betonte er daß seine Ziehmutter für ihn eine wichtige Frau sei, wich aber meinen genaueren Fragen zu den soziologischen Details aus und lenkte dann ab, indem er mich in Berufung auf mein Soziologiestudium fragte, wie eine Gesellschaft ohne Sklaverei funktioniert, ich konterte, indem ich antwortete:
"Ich als Soziologe frage mich, wie eine Gesellschaft MIT Sklaverei funktioniert."
"Wenn sie mich fragen, muß es etwas im Gehirn von Menschen kaputtmachen, wenn sie andere Menschen zu Sklaven machen. Man sollte denken, daß sie wissen, daß man sich dann damit beschäftigen muß, wie Sklaven denken, weil man sich sonst selbst in Probleme bringt. Stattdessen hat unsere Freiborenengesellschaft kein Gegenstück zu ihrer Soziologie."
Ich war platt. Denn allein, indem er das sagte, wies er mich indirekt darauf hin, daß die Subkultur der Sklaven offensichtlich durchaus soziologische Studien betrieb.

Ich versuchte mehr dazu aus ihm herauszukitzeln, indem ich ihn in seiner Anti-Adels-Haltung bestärkte, doch er schien den psychologischen Trick zu durchschauen und ließ meine Sondierungen ins Leere laufen.

Kersti

Fortsetzung:
F1724. Treron XZB12-5-13: Die Diplomaten waren der Ansicht, daß wir sowieso bald den Adel besiegen würden und man deshalb besser ein Bündnis mit uns Zuchtsklaven eingehen sollte als mit denen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben