erste Version: 5/2020
letzte Bearbeitung: 5/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Verhandlungen mit Glühwürmchen

F1756.

Wir wurden beim Leiter der Zuchtstation empfangen und er stellte uns seine Zuchtsklaven mit völlig anderen Qualifikationen vor, als er bei unserem letzten Besuch genannt hatte

Vorgeschichte: F1753. Tamara von Leuenhorst: Wirklich gespannt war ich auf den zweiten Vortrag, den von Sitar

Theorn Tiger erzählt:
Anderhalb Jahre später wurden wir wieder ins Lichtreich geschickt um mit den Leuten dort zu verhandeln. Natürlich war Dira jetzt nicht mehr ganz so jung, aber immer noch so jung, daß ihre Mutter sie ermahnte, wirklich alles mit ihren Beratern abzusprechen. Da sie auf dem Weg lag, legten wir auf der Zuchtstation an.

Wir meldeten rechtzeitig beim Stationskommandanten an, daß wir mit ihm zu sprechen wünschten und erhielten als Antwort, daß er Zeit für uns hätte, sobald wir die Station betreten, daß er uns gerne während des Gesprächs zum essen einladen wollten und fragte, welche Wünsche wir da hätten. Die Dockmannschaften fragten außerdem nach, was sie bereithalten sollten, damit sie das Schiff sofort beim Eintreffen neu verproviantieren könnten. Ich war verwirrt denn bei unserem letzten Besuch hatte überhaupt nichts richtig funktioniert.

Außerdem fragte er an, ob wir einen Vortrag über unsere eigene Gesellschaft halten könnten. Er wäre gerade dabei gesellschaftliche Reformen durchzusetzen und hätte festgestellt, daß sich die Professoren der Planetaren Universität, die er an Bord hätte, sich überhaupt nicht vorstellen konnten, daß eine gerechte Gesellschaft funktionieren könnte. Er bräuchte da ein lebendes Beispiel. Ich machte mir ein paar Gedanken und Notitzen, kam aber zu dem Schluß, daß ich keine Ahnung hatte, worum es ihm dabei eigentlich ging.

Als wir dann tatsächlich anlegten, stand für uns bereits ein Junge, der zu den Kriegssklaven zählte, als Führer bereit und die Mannschaften begannen sofort mit dem Be- und Entladen des Schiffes. Bei unserem letzten Besuch hatten sie ewig gebraucht, bis sie derart einfache Dinge organisiert hatten. Ich fragte mich langsam ernsthaft, was hier eigentlich passiert war.

Dann wurden wir bei Tharr vom Licht, dem Leiter der Station empfangen und er stellte und seinen technischen Assistenten und den Kriessklaven mit völlig anderen beruflichen Qualifikationen vor, als er bei unserem letzten Besuch genannt hatte. Sein technischer Assistent hatte plötzlich einen Doktortitel der Physik, der Gesellschaftswissenschaften und einen weiteren in der Geologie, ein ebenfalls anwesender Kriegssklave, der zur Genesung auf der Station weilte, wurde mir als Offizier vorgestellt und hatte einen Doktortitel in der Medizin, der Biologie und der Psychologie.

Ich war sprachlos, daher sagte ich gar nichts dazu.

Glücklicherweise stellte die Prinzessin, vorlaut wie Kinder nun einmal sind eine Frage:
"Du Tharr, warum ist Seman denn plötzlich ein Doktor?"
Tharr vom Licht schien sich offensichtlich genauso über diese Kinderfrage zu freuen wie ich. Er lächelte das Mädchen väterlich an und begann:
"Damit alle hier das wirklich verstehen können, muß man beginnen, als der Großvater von Turin vom hohen Licht König war. Da war ich natürlich noch gar nicht am Leben, deshalb wußte ich das vor kurzem selbst noch nicht."

Da wollte er wirklich sehr weit ausholen. Er erzählte, daß ihm Sim vom Licht, der vor kurzem noch der Sicherheitchef vom vorhergehenden König gewesen war, ihm erzählt hatte, wie die Reformen, die im Augenblick im Reich des Lichtes durchgeführt wurden, begonnen hatten. Das sei nämlich zu der Zeit des Großvaters des jetzigen Königs gewesen, der zu dem Schluß gekommen sei, daß das Bildungsssystem des Reiches zu schlecht sei und daher in allen Städten seines Planeten öffentliche Schulen mit angeschlossener Bibliothek eingerichtet hätte, die bis zum Abitur reichten. Wer an einer solchen Schule oder in den öffentlichen Abiturprüfungen ein Abitur mit einer ausreichend guten Note erhalten hatte, erhielt ein Stipendium für die Universität, mit dem man dort in Wohnheimen wohnen und die Universität besuchen konnte. Sim vom Licht, der wie Tharr ein illegitmer Sohn eines Königs war, hatte es mit diesem Modell bis zum Sicherheitschef des vohergehenden Königs gebracht.

Eine solche Schule hätte selbstverständlich auch der Palast erhalten, in dem Tharr als illegitimer Sohn des Königs aufgewachsen sei und sich durch einen guten Abschluß ein Stipendium verdient hätte. Er hätte zwar als Kind einer Sklavin den Schulbesuch, Ernährung und Wohnung frei gehabt, aber etwa drei Stunden täglich Hilfstätigkeiten erledigen sollen. Prinzipiell sei er damals zufrieden mit seinem Leben gewesen und glaubte als Kind, daß er es schon schaffen würde sich ein Leben als Offizier aufzubauen, schließlich sei er sehr gut in der Schule gewesen. Auf der Universität stellte er dann fest, daß die Welt schlechter war, als er dachte. Tharr selbst schnitt gut im Studium ab. Bei dem Bewertungsmaßstab, der für Leute aus einfachen Verhältnissen angewendet wurde, die entweder ein Stipendim erworben hatten oder die Unterkunft in den Stipendiatskasernen selbst bezahlten, wurden die Noten ein bis sechs vergeben. Bei denen, die ihren Kindern eine Wohnung finanzieren konnten und kostendeckende Studiengebühren zahlten, wurden für dieselben Leistungen die Noten eins bis drei vergeben. Schüler mit den Noten fünf und sechs wurden nicht vom Staat übernommen.

 

StipendiatsnotenAdelsnoten
11+
21-
32+
42-
53+
63-

 

Das Problem, das er damit gehabt hätte, hätte aber nichts mit den Noten zu tun gehabt, denn er hätte sowieso als Zweitbester seines Jahrganges abgeschnitten. Es hätte mit den kriminellen Adeligen zu tun gehabt, die es für ein völlig legitimes Vergnügen hielten, andere mit Bombenanschlägen zu beglücken. Im Studium sei das noch bewältigbar gewesen, weil die Internatsleitung der Studentenwohnheime schwarze Listen geführt und jeden Kriminellen an der Tür des Wohnheimes abgewiesen hätten, aber als er dann seine erste Stelle als junger Offizier angetreten hatte, fiel dieser Schutz weg, außerdem hätte er festgestellt, daß die Kriminellen die Techniker so sehr tyrannisieren, daß diese ernsthafte Probleme gehabt hätten das Lebenshaltungssystem der Schiffe anständig zu warten. Und wir könnten uns ja vorstellen, welches Schiffsystem in den Augen von denen die höchste Priorität gehabt hätte.

Er sei also auf den ersten drei Schiffen, auf denen er gewesen sei damit beschäftigt gewesen, die Techniker zu schützen, damit sie das Lebenshaltungssystem in Ordnung halten können und da es schon Leute gegeben hätte, die den Sinn dieser Maßnahmen eingesehen hatten, sei er schnell bevördert worden. Allerdings sei er damit auch schnell angeeckt und auf die Thorion strafversetzt worden, über die die seltsamsten Gerüchte umgingen. Er erzählte einige gruselige Geschichten die eher einem Märchenbuch als einer realen Geschichte zu entstammen schienen. Er hätte aber die Zuchtsklaven wie immer höflich behandelt und festgestellt, daß sie nie das Problem gewesen seien, sie hätten sich nur, wo es überlebensnotwendig gewesen sei, so verteidigt, daß ihnen niemand etwas nachweisen konnte. Das Problem seien wie immer die kriminellen Adeligen gewesen und das in den zehn Jahren, die er zuerst auf dem Schiff verbracht hatte, immer jeweils nur knapp eine Woche, bis die Zuchtsklaven die Problemfälle aus dem Weg geräumt hätten. Als er dort wieder weg versetzt worden sei, sei er deshalb gar nicht glücklich gewesen, weil ihm auf den anderen Schiffen die Kriegssklaven als Verbündete gefehlt hätten. Daher hätte er auf einem Besuch zuhause gesagt, er wüßte wie man die Probleme auf der Thorion lösen kann, man müßte ihn nur als Kapitän dorthin versetzen. Das hätte der König gemacht und dann hätte er das Schiff so geführt, wie man das seiner Meinung nach tun sollte, die anständigen Offiziere bevördert und die Kriminellen degradiert und mit Hilfe der Kriegssklaven eingeschüchtert.

Dem König hätte seine Leistung auch gefallen und er hätte ihn daher als Nachfolger des Sicherheitschefs vorgesehen gehabt, das hätte sich dann aber, nachdem er ein Jahr dort gewesen sei, dadurch zerschlagen, daß der König bei einem Anschlag auf sein Leben umgekommen sei und man entschieden hätte, daß nur eines noch das Reich retten könne, nämlich wenn man sich hierher auf die Zuchtstation zurückzieht und ausnutzt, daß Tharr eine gute Beziehung zu den Kriegssklaven hat, die die einzig möglichen Verbündeten gegen die kriminellen Adeligen darstellten. Und er sei jetzt dabei, die Wünsche der Kriegssklaven so gut wie möglich umzusetzen.

Tharr vom Licht erwies sich als hervorragender Gastgeber und guter Diplomat, der gerne bereit war mit uns alle unsere Sorgen und Bedenken zu sprechen und für alles eine Antwort parat hatte. Er schien auch erstaunlich und erschreckend gut über unsere Gesellschaft informiert zu sein.

Kersti

Fortsetzung:
F1677. Tharr vom Licht: Ich fragte die Delegation des Löwenreiches, ob sie jemanden hätten, der den Professoren einen Vortrag darüber halten könne, wie ihr egalitäres Gesellschaftssystem funktioniert

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben