erste Version: 9/2020
letzte Bearbeitung: 9/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Der furchterregende naive Leibwächter

F1834.

"Du mußt uns einfach vertrauen!" ist nun wirklich keine passende Grundlage für ein Sicherheitskonzept!

Vorgeschichte: F1577. Dira von Leuenhorst: Es gab einige Gründe, warum es mir nicht gefiel, daß wir das Bündnis zu ihnen brauchten und dazu gehörte, daß sie Menschen einfach kauften und verkauften, als wären sie Gegenstände

Sevin vom leuchtenden Stern erzählt:
Saman XZB12-123-77, der junge Mann, den ich zuerst als Leibwächter des Prinzen Talis gesehen hatte, schrieb mich an und bat um einen Termin, um die Sicherheitsmaßnahmen mit mir abzusprechen. Ich war irritiert, denn er hätte gar nicht wissen sollen, daß ich dafür zuständig bin, die Sicherheit der Delegation zu gewährleisten. Tatsächlich hatten wir darauf geachtet, daß nicht einmal Sitar weiß, was meine Funktion ist, weil wir davon ausgegangen sind, daß er es den Zuchtsklaven erzählt.

Offensichtlich kann man vor Sitar so leicht nichts geheimhalten und er berichtet tatsächlich an die Zuchtsklaven. Saman schien sich überhaupt nicht bewußt zu sein, daß massive Sicherheitsmaßnahmen geknackt wurden, um mich zu identifizieren. Vermutlich war das Sitar auch nicht aufgefallen, sonst hätte er darauf hingewiesen, daß es ein politischer Faux Pas ist, mich so direkt anzusprechen. Ich fragte mich, was ich jetzt tun sollte und entschied dann, das Problem zumindest einzugrenzen.

Ich erklärte Saman, daß eine unserer zentralen Sicherheitsmaßnahmen ist, daß wir niemanden sagen, wer für die Sicherheit zuständig ist und daß er deshalb bitteschön nicht öffentlich machen soll, was meine Funktion ist - und zwar auch nicht gegenüber dem König und seinem Sicherheitschef. Deren Sicherheitsmaßnahmen seien nämlich wesentlich schlechter als unsere oder die der Zuchtmenschen.

Er nickte und sagte, er würde Sitar bescheid sagen, der hätte das nämlich offensichtlich nicht verstanden gehabt, sonst hätte er das nicht erzählt. Die Techniker hätten Schwierigkeiten, technische Sicherheitsmaßnahmen als solche zu erkennen oder auch nur zu bemerken, weil sie sie oft versehentlich umgehen, ohne zu bemerken, daß überhaupt welche ergriffen wurden. Normalerweise fiele das den Freigeborenen aber nicht auf, weil die Techniker nicht mit ihnen reden.

Diese Antwort machte mir richtig Bauchschmerzen, denn sie zeigt, daß unsere Sicherheitsmaßnahmen gelinde gesagt schlecht waren. So schlecht, daß sie für die Techniker unter den Zuchtmenschen nicht existieren. Ich fragte mich, was ich jetzt machen sollte.

Da ich wegen meiner Ratlosigkeit schwieg, nutzte der Kriegssklave diese Zeit, um mir zu erklären, daß Sitar ziemlich alt wäre und daher kein typisches Beispiel für die heutigen jüngeren gezüchtete Techniker. Er hätte dieses Problem auch schon, weil er auch diesen Anschluß ans Computernetz hätte und nach Maßstäben von Freigeborenen ausgesprochen intelligent wäre, aber die jüngeren Zuchtmenschen wären so viel intelligenter als er, daß selbst Techniker Sitars Generation sich nicht näherungsweise vorstellen könnten, wie die jüngeren Techniker die Welt sehen. Glücklicherweise wären die Beziehungen der Zuchtmenschen untereinander gut, so daß man sich einfach darauf verlassen könne, daß einem dort niemand etwas Böses will und er würde mir raten, das genau so zu halten, weil ich vor ihnen sowieso nicht verbergen kann, was ich irgendwo ins Netz eingetragen habe. Er würde mir raten, in jede streng geheime Information ausdrücklich reinzuschreiben, daß sie streng geheim ist, damit die Zuchtmenschen wissen, was die kriminellen Adeligen nicht erfahren dürfen und sich entsprechend verhalten können. Das würde auch für diejenigen Informationen gelten, von denen ich annehmen würde, sie stünden gar nicht im Netz. Er hätte nämlich auch schon versucht, Informationen an einem Ort zu verbergen, der physikalisch vom Netz getrennt gewesen wären und sie hätten sie trotzdem gefunden und ihn darauf angesprochen, ohne auch nur darauf zu kommen, daß er sie hatte verbergen wollen.

Ich muß sagen, daß ich einfach nicht so vertrauensseelig bin, wie Saman meint, daß ich es sein müßte. Wenn unsere Sicherheitsmaßnahmen Luft für Sitar sind und Sitar dasselbe Problem mit den Sicherheitsmaßnahmen seiner jüngeren Brüder hat, dann sind wir so ausgebootet, daß das Wort nackt dafür kein passender Ausdruck war. Und "Du mußt uns einfach vertrauen!" ist nun wirklich keine passende Grundlage für ein Sicherheitskonzept!

Außerdem hatte ich ins Zuchtmenschennetz reingeschaut. Dira von Leuenhorst hatte von Torin LZB99-1102-2 eine Einführung bekommen, wie man das Netz nutzt, wie man darüber Hilfe anfordert und wie man Verbesserungsvorschläge einbringt und sie hatte mir das dann bei nächster Gelegenheit erklärt. Ich hatte dann reingeschaut und wurde noch während ich das tat über das Netz von Tanan angesprochen, daß ich ihn nur fragen müsse, damit er mir hilft. Es war mir schleierhaft, wodurch er meine Anwesenheit im Netz bemerkt hatte, denn ich hatte nur gelesen, keinen einzigen Buchstaben geschrieben! Dabei war der Palasttechniker nicht einer von den modernen Zuchtlinien mit den großen Köpfen, zu denen Torin gehört hatte.

Abgesehen davon, daß ich beim Lesen elektronisch überwacht worden war, hatte mich aber auch der Inhalt des Netzes zutiefst erschüttert, denn das war definitiv zu kompliziert, um es auch nur zu verstehen.

Ich fragte Saman, ob er denn - ich rief etwas auf, was für mich nur Wortsalat gewesen war und definitiv von Technikern für Techniker geschrieben - das verstehen würde.
"Ja natürlich. Das ist eine Analyse eurer technischen Entwicklung und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß ihr im erstaunlichen Maße aufholt, obwohl ihr nicht die Intelligenz eines gezüchteten Technikers habt. Der Techniker, der diese Analyse geschrieben hat, konnte sich eure Erfolge nicht erklären, weil er sich nicht vorstellen kann, wie man mit so einem kleinen Gehirn, wie es nicht gezüchtete Menschen haben, überhaupt einen richtigen Gedanken fassen kann. So denken die Techniker der neuesten Zuchtlinien aber nicht nur über Freigeborene, sondern auch über uns Krieger." erklärte Saman.
Immerhin hatte Saman den Text mal kurz durchgelesen und konnte mir dann eine Kurzzusammenfassung geben. Ich hatte Stunden darüber gebrütet und nichts verstanden. Ich rief einen anderen Text über uns auf und fragte ihn ebenfalls, was das heißt und während ich ihm einige solche Stellen zeigte, erklärte er mir, daß die Kriegssklaven uns in eine möglichst starke Position bringen wollen, weil ihnen unser Gesellschaftssystem wesentlich besser gefällt als ihr eigenes. Indem sie das tun, wollen sie von uns lernen, wie man ein gerechteres und moralischeres Gesellschaftssystem aufbaut. Leider könnte man das nicht so einfach eins zu eins von uns übernehmen, weil der Ausganspunkt der Zuchtsklaven ein ganz anderer wäre als unserer. Hinzu käme noch, daß sie zwar sehen würden, daß unser System an Stellen besser wäre, die sie nicht erfassen könnten, daß sie aber nicht immer wüßten, woran es läge das es funktioniert und sich auch oft nicht vorstellen könnten, daß es funktionieren kann, was es aber bei uns tun würde. Deshalb wollten wir daß wir die Macht haben, die Reformen durchzusetzen, die wir durchsetzen wollen, weil wir nur so die Möglichkeit hätten den Zuchtmenschen alles beizubringen, was wir sie lehren können.

Diese Analyse war einerseits beruhigend, weil sie zeigte, daß sie und nicht zu ihren Sklaven machen wollten und dafür einen guten Grund hatten. Das sagte ich dann auch.
"Vorsicht Sevin. wir sind Sklaven und so aufgewachsen, daß wir uns nichts anderes als Sklaverei vorstellen können. Wenn ihr nicht darauf achtet, uns Freiheit beizubringen, kann sich Sklaverei auch bei euch einschleichen, ohne daß ihr es selber merkt." antwortete Saman.
Damit gab er uns Bedenken wieder, auf die wir auch schon gekommen waren, nämlich daß sie uns so weit überlegen waren, daß sie uns schleichend in eine Richtung lenken könnten, in die keiner von uns wollte.

Kersti

Fortsetzung:
F1835. Saman XZB12-123-77: Obwohl sie auf dem Schlachtfeld viel besser kämpfen konnten als die meisten unserer Feinde, schienen sie sich einzubilden, daß auf einer normalen Straße niemand ein Messer oder eine Schußwaffe dabei haben kann

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben