erste Version: 10/2020
letzte Bearbeitung: 10/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Der furchterregende naive Leibwächter

F1838.

Das mit der Privatsphäre war wirklich ein interessantes Thema

Vorgeschichte: F1850. Saman XZB12-123-77: Daß mich oft noch sehr unsicher fühlte, weil ich jeden Tag merke, daß ich mein Fach noch nicht so wirklich beherrsche, wollten mir meine Leute wirklich nicht glauben

Saman XZB12-123-77 erzählt:
Ich hatte eigentlich nur nach der Bedeutung des Wortes Privatsphäre gefragt, weil es den Leuten aus dem Löwenreich wichtig war und weil ich es verstehen mußte, um sie nicht zu verletzen. Das war zunächste kein persönliches Interessse gewesen, sondern ein Versuch, meine Pflichten zu erfüllen.

Wirklich funktioniert hatte das nicht, denn immer wenn ich danach gefragt hatte, waren die Vertreter des Löwenreiches so vom Thema abgeschweift, daß ich keine verständliche Erklärung bekommen hatte.

Und dann hatte Geron es mir erklärt. Privatsphäre ist nämlich, wenn man Räume schafft, in die niemand ungefragt eindringen kann, um in Ruhe etwas zu machen, was nicht jeder versteht. Wenn ich beispielsweise nicht will, daß mir jemand anders als Geron zuhört, wenn ich mit Tanan darüber rede wie man ein bestimmtes Problem löst, dann brauche ich dazu Privatsphäre, weil der König mich erst versteht, wenn ich ihm eine Erklärung für Kindergartenkinder gebe und wenn er bei einem Gespräch mit Tanan zuhören würde, würde er alles in den falschen Hals bekommen und das gibt nur Ärger. Für Sex wollen die Leute auch Privatsphäre aber nicht, weil sie nicht jeder versteht, sondern weil dann jeder eifersüchtig wird. Das ist aber ein Freigeborenenproblem, unsere Kinder sind nicht eifersüchtig, weil wir alle genug in den Arm nehmen. Zum Spaß haben wollen wir auch Privatsphäre, weil uns die Freigeborenen keinen Spaß gönnen - aber das ist hier beim König irgendwie anders. Der König freut sich wie ein Zuchtmensch, wenn mir etwas Spaß macht.

Letztlich war es ja so: Wir stellten sicher, daß die Freigeborenen uns nicht zuhören, wenn wir das nicht wollen, aber umgekehrt haben wir sie ständig überwacht. Uns war ja auch nichts anderes übrig geblieben, weil sie uns ständig schlimme Dinge angetan hatten. Zu einer besseren Gesellschaft würde allerdings Privatsphäre wirklich dazugehören.

Tanan sprach mich auch an und wollte über Privatsphäre mit mir und Geron reden. Es ging darum, daß man einerseits private Räume haben sollte, andererseits aber die Gehirne nicht aus allen Gesprächen ausschließen darf.

Das mit der Privatsphäre war wirklich ein spannendes Thema. Viel interessanter, als es zunächst geklungen hatte. Ich hatte nur nicht verstanden, wovon die Rede war, weil Geron ja mein Freund ist, den ich immer gerne dabei habe und ich nicht gewußt hatte, warum ich ausgerechnet ihn hätte ausschließen sollen. Da weiß ich ganz andere.

Wir haben für die anderen etwas über dieses Konzept geschrieben, damit sie sich auch Gedanken darüber machen können.

Die Staatsgäste blieben nur relativ kurz im Palast. Wenn ich sie richtig einschätze, ging es ihnen darum, sich den größten Teil der Zeit in einem Umfeld aufzuhalten, wo man sie nicht Tag und Nacht belauschen kann.

Das haben sie so aber nicht gesagt, sondern sie haben sich mehrere Möglichkeiten ausgedacht, wegen denen es praktischer wäre, bestimmte Dinge auf der Zuchtstation zu besprechen und unterwegs könne man ja die Verhandlungen weiterführen, so daß keinerlei Zeit verlorenginge. Dem König erschien das dann aus ganz anderen Gründen praktisch und dann hatten sie ihre Privatsphäre.

Bei den Verhandlungen übten der König und Dira sich in der Kunst, aneinander vorbeizureden, denn ich hatte den Eindruck, daß der König nur eine Zustimmung zu einem logischen Konstrukt wollte, dem einfach ein Teil der Realität fehlte. Klar wenn die Realität so reduziert existieren würde, wie der König es sich vorstellt, würden die Technikeroperationen zu besserer Technik führen. Tatsächlich spielten die Operationen kaum eine Rolle, denn was mit den Händen aufgebaut wurde, wurde mit dem Arsch wieder umgeschmissen. Dira hatte völlig recht, daß sich das Ganze auch ohne Operationen erledigen läßt, wenn man bereit ist, ein paar mehr Techniker mitzunehmen. Tatsächlich hatte der König aber nicht begriffen, daß die Einführung der Operationen zwar die Effizienz der Techniker, die sie überlebten, erhöht hatte, der Flotte als ganzem aber den größten Teil der Effizienz gekostet hatte, die sie einmal gehabt hatte, weil es den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft zerstört hatte.

Daß man dann angefangen hatte, Techniker zu züchten, hatte die Situation zunächst massiv verschlechtert, bis wir Zuchtmenschen uns untereinander verbündet und die Herrschaft übernommen haben. Jetzt haben wir Techniker, die selber Implantate wollen, weil sie sich sonst zu sehr in ihren Fähigkeiten eingeengt fühlen. Das ändert bei uns natürlich die ganze Gleichung. Aber wer immer sich das ausgedacht hat, hat bereits ein Paar Generationen Mord und Totschlag hinter sich. Ob da noch Nachkommen leben, ist die Frage. Es ist übringens unklar, wer der Erfinder ist, weil sich diverse Leute um die Ehre gestritten und gegenseitig umgebracht haben.

Oder vielleicht hat Geron auch gedacht, die gehören alle hingerichtet und hat das entsprechend arrangiert. Dem traue ich so etwas nämlich auch zu und er kann es vor uns verbergen.

Dira sah des Königs logisches Konstrukt nicht, sondern nur den Teil, den der König völlig übersehen hat. Nämlich daß das ihre Gesellschaft kaputt machen würde, wenn sie so etwas tun würden. Tanan hat sie natürlich sofort verstanden und versucht dem König klar zu machen, warum das gar nicht geht, aber der König war dafür völlig blind.

Ich versuchte dem König den Teil, den er übersehen hat zu erklären, ohne das Thema, um das es geht, zu erwähnen, damit ich nicht dieselbe Art von Streit bekomme, wie Tanan. So war das Thema dem König aber zu langweilig, was ich nicht verstand, denn eigentlich muß ihn doch interessieren, warum unsere Gesellschaft so viele Adelige Kriminelle hat, daß keiner von Turins Brüdern überlebt hat.

Tanan hat Tharr einen Bericht geschickt, als wir ins System kamen, ich habe das auch gemacht und selbstverständlich hat Tharr das auch verstanden. Das hieß aber auch nicht daß er dem König das verständlich machen konnte.

Kersti

Fortsetzung:
F1790. Turin vom hohen Licht: Als ich erfuhr, daß meine Frau schwanger ist, dachte ich "Jetzt hat mich niemand mehr lieb!"

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben