erste Version: 9/2021
letzte Bearbeitung: 9/2021
Vorgeschichte:
F2110.
Andererseits war er zu brav. Moses hatte nicht einmal darüber nachgedacht, daß er möglicherweise etwas anderes hätte wollen können, als das, was ihm befohlen war
Moses erzählt:
Als ich zwölf war, schickte mich mein Vater in den Tempel, in dem Diros ausgebildet worden war. Er erklärte mir, daß dieser Tempel, von den Tempeln die Sklaven ausbilden die beste Ausbildung liefert. Und da ich eine priesterliche Ausbildung brauche, sollte ich dort ausgebildet werden.
Diros war stolz auf mich und er fand es gut, daß ich zu dem Tempel geschickt wurde, in dem er auch ausgebildet worden war. Er erklärte mir aber auch, daß mir manches dort sehr schwierig erscheinen wird und ich solle immer daran denken, daß alles was schwierig ist, eine Gelegeneheit ist, Hingabe zu lernen.
Den Sohn der Amme, meinen Freund Arim, schickte mein Vater mit mir dorthin, damit ich nicht allein unter Fremden war. Wir beiden freuten uns auf die Ausbildung, denn sie kam uns wie ein wunderbares Abenteuer vor. Die Amme sah das ganz anders, denn sie schien merkwürdigerweise zu glauben, daß uns ganz schlimme Sachen passieren werden. Ehrlich gesagt glaubte ich das gar nicht. Diros hatte sich immer gerne an den Tempel erinnert und war dort glücklich gewesen, glücklicher als im Tempel des Schweigens und trotz seines anfänglichen Heimwehs auch glücklicher als im Zuhause seiner Kindheit. Das konnte ich in seinen Erinnerungen spüren.
Als mein Vater dieses Jahr mit mir zu diesem Hingabetempel wanderte, sollte mein Bruder auch mitkommen. Wir waren also drei Jungen, die meinen Vater auf der Hinreise begleiteten. Bei dem wichtigen Gespräch mit dem Höchsten Priester des Tempels sollte aber nur ich dabei sein und Protokoll führen.
Wie üblich besprach er, wie viele Sklaven diesmal zu welchem Tempel geschickt werden mußten, damit alle Arbeit im Lande anständig erledigt werden kann und was wie organisiert werden muß, damit jeder bekommt was er braucht. Er besprach, wie die Bewässerungskanäle repariert werden mußten, damit sie pünktlich zur Nilflut alle fertig und funktionsfähig sind und was der Beitrag des Tempels sein wird. Solche Sachen.
Am Schluß sagte er, daß er mich und den Sohn der Amme im Tempel zur Ausbildung geben wollte. Der Hohepriester des Tempels warf mir einen scharfen Blick zu auf den ich automatisch reagierte, indem ich den Blick erwiderte. Irgendwie schockierte mich das, was ich dabei spürte.
Dann erklärte der Hohepriester, daß er mit jedem von uns alleine sprechen müsse, bevor eine Entscheidung darüber treffen könne. Mein Vater ließ mich mit dem Hohepriester allein nachdem sie abgesprochen hatten, daß ich Arim holen sollte, nachdem ich mit dem Hohepriester geredet hatte.
Ich fühlte mich durch diesen Blick immer noch aus dem Gleichgewicht gebracht, als wir allein waren und er mich fragte, ob ich denn in diesem Tempel ausgebildet werden will. Mich verwirrte diese Frage, denn ich hatte nicht damit gerechnet, daß ich gefragt werde, was ich will. Aber wenn ich darüber nachdachte, dann wollte ich das schon, denn Diros war hier ausgebildet worden und er erinnerte sich gerne an den Tempel zurück.
"Du stellst dir das zu leicht vor." sagte der Hohepriester.
Stellte ich mir das zu leicht vor? Ich glaubte es nicht. Diros hatte mir oft Szenen aus seinem Leben hier gezeigt, um mir etwas zu erklären und das waren keine einfachen Erfahrungen gewesen.
"Ja. Aber in diesen Szenen hat dir Diros seine Grenzen gezeigt. Wir werden dich hier auf deine eigenen Grenzen stoßen und du wirst oft denken, daß du das nicht aushalten kannst." antwortete er.
Ehrlich gesagt konnte ich mir das nicht vorstellen. Ich glaubte nicht, daß ich das falsch einschätzte, dazu hatte mir Diros zu viel von seinen Erinnerungen gezeigt. Trotzdem hatte ich ein Gefühl von Optimismus oder Selbstbewußtsein. Ich glaubte nicht, daß ich an den Anforderungen dieses Tempels scheitern könnte.
Ich wunderte mich auch, daß er mit dem Sohn der Amme sprechen wollte. Das wollte eigentlich niemand, weil Arim als viel zu unwichtig galt.
"Wir sind Sklaven. Bei uns ist jeder gleichermaßen wichtig." antwortete der Hohepriester auf meine unausgesprochene Frage.
Der geistige Nachdruck hinter diesen Worten sagte mir, daß er mir damit etwas Wichtiges sagen wollte, aber ich verstand nicht wirklich, worum es ihm dabei ging. Ich war verwirrt und sann weiter darüber nach, als er mich schickte meinen Freund zu holen.
Ich war froh, daß Arim mitkam, weil ich ihn mochte und mich zusammen mit ihm nicht so alleine fühlte. Aber mir hatte nicht gefallen, daß er eigentlich nicht so sehr hier lernen wollte, wie ich. Ich hatte mich da von ihm nicht richtig verstanden gefühlt.
Fortsetzung:
F1989.
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