erste Version: 5/2021
letzte Bearbeitung: 5/2021

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F2060.

Nach hundert Jahren ging mir der Lesestoff aus

Vorgeschichte: F2059. Jender LZB99-950-41: Glücklicherweise waren die neuen Implantate so viel besser als die giftigen alten, daß auch freigeborene Sklaven lernen konnten, gerne mit ihnen zu arbeiten

Jender LZB99-950-41 erzählt:
Nach hundert Jahren ging mir der Lesestoff aus. Das glaubten mir die Freigeborenen nicht. Sie behaupteten, das könne gar nicht sein, man könne nicht alles durchlesen, was sie an alter Literatur auf der Datenbank gespeichert hatten. Die Sklaven sagten, ich wäre doch verrückt, niemand will hundert Bücher und mehr pro Tag lesen. Nur Semian nimmt mich ernst. Er findet nämlich auch, daß es hier viel zu wenig Literatur gibt, um nicht vor Langeweile zu sterben. Er kopiert sich von jedem Schiff, das vorbeikommt die gesamte Datenbank und liest sie durch, inklusive der Stücklisten für die Ersatzteile, die ja nun wirklich langweilig sind. Leider kommen viel zu wenig Schiffe von Zuhause. Ich fing dann an, die Bücher die die Menschen unten auf der Erde gedruckt hatten zu lesen, mit dem Ergebnis, daß Semian darauf bestand, daß ich jedes gedruckte Buch von der Erde bestelle und einscanne. Das reichte aber bei weitem nicht, um meinen Lesehunger zu stillen. außerdem geht Papierbücher lesen so verdammt langsam und hält einen von der Arbeit ab, die man gerne nebenher machen würde.

Glücklicherweise kam kurz darauf ein Schiff, und ich hatte neuen Lesestoff und einen neuen Gefährten, denn der Kapitän hatte Sivar LZB101-200-33, einen der älteren Techniker verkauft, weil er die neueren intelligenteren vorzog. Ich war froh um die Gesellschaft. Der Techniker war allerdings überhaupt nicht froh, hier zu sein, weil er fast genauso entsetzt über den Zustand des Lebenshaltungssystems war, wie ich es gewesen war. Offensichtlich ist man im Sternenreich nichts wirklich Übles mehr gewohnt, weil wir Zuchtmenschen an den meisten Orten den grassierenden Unverstand in den Griff bekommen haben. Als ich ihm erklärte, wie der Zustand des Lebenshaltungssystems war, als ich hier ankam, behauptete er, das könne nichts sein, das könnte niemand überlebt haben. Ich legte ihm daraufhin die Beweise vor, mit dem Ergebnis, daß er ganz grün wurde. Ich hatte jetzt also einen Unterstützer im Kampf gegen das ewige Versagen der Schaltkreise, für den der Zustand, wie er war, nicht eine ständige Verbesserung gegenüber vorher sondern ein untragbarer Zustand war, der gefälligst behoben gehört. Ich merkte, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte, daß der Versuch, die Lebenshaltung in Ordnung zu halten, ein ständiger zermürbender Kampf blieb, wo man nur mit Hartnäckigkeit allmähliche Verbesserungen hinbekommt. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt und hatte entsprechend mehr Elan. Außerdem waren wir ja jetzt zwei, die alles im Blick behalten und den Ausbildungsstand der ständig zunehmenden Arbeitsmannschaften anheben konnten. mit Sivars Hilfe gelang es mir alle diejenigen Räume, die bei der ursprünglichen Renovierung auf dem Mond von unserem Reich hergerichtet woren war, zumindest notdürftig mit einem Lebenshaltungssystem zu versehen. Wenn hier so viele Leute leben würden, wie das ursprünglich gewesen war, wäre das Lebenshaltungssystem nicht ausreichend gewesen, da aber weniger als ein hundertstel der ursprünglichen Besatzung auf dem Mond lebte, tat es seinen Zweck und brachte die Luft insgesamt auf einen Stand, der auch nach den üblichen Maßstäben akzeptabel war und uns die Freiheit gab, im gesamten ursprünglich von uns genutzten Bereich herumzulaufen, ohne ein Atemgerät mitzunehmen.

Doch ein Schiff bringt nicht viel Erleichterung was den Mangel an Lesestoff angeht. In nicht einmal einem Monat hatte ich alles durch, was wirklich interessant war und las dann die uninteressanteren Texte, bis ich nach einem Jahr bei den Ersatzteilslisten angekommen war.

Kersti

Fortsetzung:
F2140. Jender LZB99-950-41: Irgendwann fand ich ein Kabel, das aus dem allgemeinen Stationsnetz hinausführte und erkundete es

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben