erste Version: 6/2021
letzte Bearbeitung: 6/2021

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F2064.

Einerseits war ich froh, etwas Lebendiges zu sehen, andererseits machten sie mir Angst, weil sie so fremdartig waren

Vorgeschichte: F2061. Jender LZB99-950-41: Als ich vorgefundene alte Kabel auf Funktionsfähigkeit prüfte, sprach mich plötzlich eine unbekannte Stimme an

Irdaman, die Krake, erzählt:
Als die Menschen kamen, hatte ich Angst. Damals als ich zum Stationsgehirn gemacht wurde, hatte man darauf geachtet, die für mich gedachte Lebenshaltung so auszulegen, daß sie auf nahezu unbegrenzte Zeit ohne Wartung funktionieren können sollte und mit den Jahrmillionen, die ich allein war, waren mir erhebliche Zweifel gekommen, ob das weise gewesen war. Zeitweise wünschte ich mir nämlich tot zu sein.

Jedenfalls lebte ich noch, als die Menschen kamen und unsere inzwischen recht altersschwache verlassene Raumstation für sich in Anspruch nahmen. Einerseits war ich froh, etwas Lebendiges zu sehen, andererseits machten sie mir Angst, weil sie so fremdartig waren. Diese Angst wurde bestätigt, als ich ihr Sozialverhalten beobachtete. Sie brachten sich nämlich ohne erkennbaren Grund gegenseitig um. Außerdem fragte ich mich, wie sie eigentlich zur Raumfahrt gekommen waren, denn sie hatten eine nahezu unveränderliche Haut und konnten offensichtlich nicht sprechen. Es gab zwar ein leichtes Erröten das bei Aufregung verschiedener Art auftauchte und unterschiedliche Gesichtsfalten die je nach Anordnung Freude, Ärger, Konzentration anzeigten. Sie verständigten sich auch zu einem Gewissen Grade mit Gesten und hatten einige Stimmfühlungslaute. Aber ich konnte nichts entdecken, das ich als Sprache identifizieren konnte.

Ich machte mich ihnen gegenüber nicht bemerkbar, beobachtete sie aber über die Überwachungssysteme der Raumstation, die sie bei ihrer Renovierung nicht entdeckten, weil ihre eigene Technik wesentlich primitiver war und sie deshalb nur die Kanäle für die Strom- Wasser- und Luftversorgung der Station entdeckten und dort ihre primitiven Datenkabel mit hineinlegten.

Auch ihre Gesellschaftsentwicklung war noch auf einem primitiven Stand, denn sie kannten Sklaverei, wie ich daran erkannte wie respektlos, rücksichtslos und grausam sie mit den schlechter ausgebildeten Arbeitern umgingen. Auch unsere Kultur hatte Sklaverei gekannt, als die Technik entwickelt wurde, mit der ich letztlich zum Stationsgehirn gemacht wurde. Aber für meine eigene Operation habe ich mich freiwillig entschieden, denn ich bin zu Welt gekommen, als wir die Sklaverei bereits als Teil einer früheren Barbarei überwunden hatten.

Auf die Ankunft der Menschen an der Raumstation folgte ein kurzer Aufschwung und eine lange schleichende Degeneration der Gesellschaft, die eben auf die Sklaverei zurückzuführen war, die immer bewirkt, daß die Herrscher degenerieren und die Sklaven sich nur gehemmt weiterentwickeln, weil man sie nicht lange genug leben läßt, um zu guten Ergebnissen zu kommen. Viele tausend Jahre später kam ein Mensch, der die ersten Anzeichen zeigte, daß seine Ursprungskultur dabei war, das Sklavereiproblem zu überwinden. Er war offensichtlich selbst ein Sklave, aber in der Lage sich den Respekt sowohl der Herrscherschicht als auch der Sklaven zu verschaffen. Er hatte das Sagen über die technische Wartung und das war ein Glück für die gesamten Bewohner der Station, denn meine Meßgeräte hatten mir angezeigt, daß die Menschen dabei gewesen waren, die Station so herunterzuwirtschaften, daß sie bald tot gewesen wären. Seine erste Maßnahme war, daß er die Lebensbedingungen der Sklaven verbesserte und ihnen die Wichtigkeit der Wartung der Lebenshaltung sehr drastisch vor Augen führte. Er hielt sein Wirken zugungsten der Sklaven außer Sichtweite seiner Vorgesetzten, aber die technischen und sozialen Fortschritte die er einführte, waren erheblich.

Die Ursprungskultur war wohl auch insgesamt in ihrer Entwicklung weitergekommen, denn es wurden einige technische Neuerungen durch ihn eingeführt und er brachte den Sklaven bei, wie man tyrannische Vorgesetzte so geschickt umgeht, daß sie kaum noch eine Chance haben, Schaden azurichten.

Jedenfalls kam er so weit, daß er seinen Bereich der Station einigermaßen intakt hatte und begann darüber hinaus zu erkunden. Während er in den benutzten Teilen der Station das als Datenkabel betrachtet hatte, was ihm als solches gezeigt worden war und woanders nicht hingeschaut hatte, untersuchte er in diesen Ausflügen alles, was er vorfand, daraufhin, ob es sich hierbei um noch funktionsfähige Technik handelt und identifizierte das Datennetz als das, was es war. Ich überlegte, was ich tun sollte und sprach ihn schließlich an, denn er würde mir sicherlich keinen Schaden zufügen, so weit ich ihn einschätzen konnte. Er prüfte daraufhin die Kabel in der Umgebung und hatte innerhalb von kürzester Zeit heraus, wo ich war. Danach schien er nachzudenken und übertrug mir einen größeren Satz Daten. Das bestätigte mir, daß die so etwas wie eine Sprache haben mußten, denn wie sonst wären sie auf so etwas nie gekommen. Ich überlegte, wie ich reagieren sollte und entschied dann ihm ebenso viele Daten anzubieten, und zwar gemischte Daten, damit er zumindest irgendetwas finden konnte, das er entziffert kriegt. Der Menge nach würde ich annehmen, daß sein Datenpaket sowieso unsortiert war, denn viel mehr konnte er bei dem technischen Stand, auf dem sie waren, gar nicht dabei haben. Er nahm die Daten an und sicherte sie, offensichtlich um sie später zu analysieren.

Kersti

Fortsetzung:
F2062. Jender LZB99-950-41: Ich lachte und meinte, der Mond wäre eine so alte Raumstation, wahrscheinlich würde einer der alten Bewohner hier herumspuken

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben