Reinkarnationserinnerung - Helden leiden länger

FB7.

"Wir kennen uns doch"

Am Morgen des übernächsten Tages waren die Angelegenheiten bei Hofe so weit geordnet, daß wir aufbrechen konnten, um die Familien der Verletzten und toten Gardisten zu besuchen und ihnen Rede und Antwort zu stehen. Für diesen Ausritt nahmen wir diejenigen mit, die den Toten und Verletzten am nächsten standen. Damit landete ich wegen meines toten Onkels und meines verletzten Bruders automatisch bei dieser Gruppe. Es ist keine schöne Aufgabe, den Familien solche Nachrichten mitzuteilen. - Aber dazu ist ein König nun einmal verpflichtet.

Die Stimmung war wieder entspannter geworden. Unterwegs hörte man die Männer lachen und scherzen. Meine eigene Familie besuchten wir ziemlich am Schluß der Rundreise. Wir stiegen auf dem kleinen Hof von den Pferden, lachend begrüßte ich meinen kleinen Bruder, der mir entgegengerannt kam und schwang ihn im Kreis herum. Dann ging ich zu meinen Eltern, die in der Tür auf mich warteten. Die Männer und mein König folgten mir.
"Warum ist Teris nicht bei dir?" fragte meine Mutter nach meinem Bruder.
"Er ist schwer verletzt. Er hat das rechte Bein bis zum Knie verloren, wird aber überleben, wenn ich dem Arzt glauben darf. Laß uns reingehen, damit wir den Rest der Geschichte in Ruhe erzählen können." antwortete ich.
Dann sah meine Mutter in die Augen des Königs, erkannte ihn und erstarrte ungläubig. Ich ergriff fest ihre Schulter, wartete, bis sie mich ansah und legte dann ernst den Finger auf die Lippen. Sie nickte kaum merklich.

Dann war es Zeit, die ganze Geschichte des Attentats zu erzählen. Diesmal dauerte es länger als bei den anderen Familien, denn meine Eltern mußten auch erfahren, wie es kam, daß ich jetzt Hauptmann der Garde war. Am Ende der Geschichte sah sie mich ganz merkwürdig an.

"Mutti, wir müssen noch einmal allein miteinander und dem König sprechen." sagte ich.
Meine Mutter winkte uns ins Schlafzimmer und betrachtete den König eindringlich. Schließlich sagte sie:
"Wir kennen uns doch."
Der junge König nickte:
"Ja. Ich war schon mehrfach hier zu Besuch."
"Der beste Freund bei den Kadetten... " wiederholte sie die Worte, mit denen ich damals den Prinzen bei ihr vorgestellt hatte.
"Das war er auch. Schließlich hat er bei den Kadetten kämpfen gelernt. Und wir sind befreundet."
"Es war sehr dumm, daß ihr beiden ohne Wachen hierhergekommen seid." sagte meine Mutter tadelnd.
"Jetzt weiß ich es auch. Und das ist der Grund, weshalb ich will, daß du darüber schweigst. Es wäre gar nicht gut, wenn irgendeiner der Kadetten eine ebensolche Dummheit mit dem Argument rechtfertigen könnte, daß der Gardehauptmann es ja auch gemacht hat."
Sie nickte.
"Ich werde darüber schweigen. Aber eins begreife ich nicht. Warum ist nicht, Gared Gardehauptmann? Er hat doch viel mehr Erfahrung."
"Das geht auf einen Rat vom Bruder des Königs zurück - dem Abt - er meinte, daß der König jemanden braucht, der unverschämt genug ist, ihn mit einer Tracht Prügel ins Bett zu stecken, wenn er Dummheiten macht."

"Na dann hat er ja den Richtigen gefunden. Ich kann mich noch erinnern, wie der alte Gardehauptmann zu mir kam und sich über meinen unmöglichen Jungen beschwert hat. Du wärst wegen deiner Streiche beinahe aus der Garde geflogen, weißt du das? Nur weil der König sich für dich eingesetzt hat, durftest du bleiben."
Ich hatte tatsächlich als Kadett ständig wegen irgendetwas Ärger. Wohl niemand wurde so oft mit einer Tracht Prügel ins Bett gesteckt wie ich.
"Echt? War es so schlimm?" fragte ich zurück.
"Ja."
"Aber warum hat sich denn dann der König für mich eingesetzt?" fragte ich.
"Weil sein Sohn dich so liebte, Korith."
Da hatte mich also meine Freundschaft vor einer Menge Ärger bewahrt.

Auf dem Rückweg nach Hause wurden wir von 10 fremden Kriegern abgefangen. Wir besiegten sie in einem Kampf, der nur Sekunden dauerte, dann flohen sie.

Kersti


FB8. Kersti: Fortsetzung: Mein Bruder...
FB6. Kersti: Voriges: Ich weiß, ich bin nicht fair
FBI. Kersti: Inhaltsübersicht: Helden leiden länger
FB1. Kersti: Zum Anfang: Das Attentat
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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