Während er mich in sein Zimmer begleitete und mir Tee servierte,
schwieg er. Erst als ich die erste Tasse getrunken hatte, meinte
er mit einem amusierten Grinsen:
"Korith, von dir hört man ja Sachen! Kariv ist gestern zu mir
gekommen und hat sich beschwert, daß du durch deine Verletzung
wahnsinnig geworden wärest. du hättest gesagt, daß du
jeden entlassen würdest, der es dem König nicht verbietet, ohne
Leibgarde herumzurennen."
"Das entspricht den Tatsachen. Und schließlich bist du ja
derjenige der meinte, daß der König jemanden braucht, der ihn
mit einer Tracht Prügel ins Bett steckt, wenn er unvernünftig
ist."
"Ja. Aber gleich fünfzig?"
"Von dem Attentat hier" ich deutete mit den Kinn in Richtung meines
Armstumpfes "hast du sicher schon gehört." sagte ich.
Er nickte.
"Ich mußte leider feststellen, daß ich nicht überall
sein kann. Fünfzig Mann dürften reichen."
Das nachdenkliche, fragende in seinem Blick vertiefte sich.
"Es hat mir noch zwei Probleme vor Augen geführt. Zum einen
fühlt er sich durch die ständige Anwesenheit der Garde wie in
einem Käfig. Das Problem ist lösbar."
Ich erzählte von der Truppe, die ich aufzustellen gedachte.
Er nickte und fragte dann:
"Und das andere Problem?"
"Er hat keine Freunde."
"Er hat doch dich." widersprach der Mönch sofort.
"Das reicht nicht." antwortete ich und erzählte die Geschichte
mit dem Arzt. "Außerdem kann ich nicht dafür garantieren,
daß ich noch lange lebe."
"So krank bist du nun auch wieder nicht." antwortete er wie aus der
Pistole geschossen.
Ich schmunzelte:
"Stimmt. Mit nur einem Arm kann man ewig leben. Aber weißt du,
wann das nächste Attentat stattfindet und ob ich es überlebe?
Ich habe einen gefährlichen Beruf."
"Nein." antwortete er ernüchtert.
"Siehst du, deshalb sollte er nicht nur einen Freund haben, auf den er
sich verlassen kann. Nur weiß ich nicht, wie man ihm weitere
verschaffen könnte." erklärte ich.
"Er sollte heiraten." meinte er.
Bei dem Thema zuckte ich zusammen.
"Himmel, was ist denn mit dir los? Heiraten ist doch nichts
Schlimmes!" meinte er bestürzt.
"Nein. Heiraten ist nichts schlimmes. Schlimm ist es höchstens,
wenn eine Heirat nicht stattfindet." antwortete ich bitter.
"Was ist denn los?" fragte er.
"Mein Mädchen hat mich verlassen."
"Gerade jetzt?" fragte er bestürzt.
"Gerade jetzt und deswegen." antwortete ich.
"Es gibt andere Mädchen."
"Selbstverständlich gibt es die. Nur bin ich im Augenblick nicht
bereit, andere Mädchen zu sehen, also laß mich mit dem Thema
in Ruhe." antwortete ich scharf.
Er sah mich erstaunt an.
"Das wird sich ändern. Doch ein Mensch braucht auch Zeit, um
innerlich Abschied zu nehmen." erklärte ich sanfter.
Dann wandte sich sein Blick nach innen, er
überlegte und sagte schließlich:
"Als ich hörte, wie schwer du verletzt wurdest, habe ich an deinen
Bruder gedacht und mir Sorgen um dich gemacht. Jetzt bin ich beruhigt.
Ich weiß, daß du dich nicht so gehenlassen wirst, wie er."
Ich nickte. Ich würde mich nicht so gehenlassen. Aber es war schwer.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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