"Der König gibt dir alles, was du dir wünscht, nicht
wahr?"
"Nein. wenn er es könnte, würde er es tun. Aber etwas
wirklich wichtiges, kann er mir nicht geben. Gesundheit."
"Ich dachte das wär dir egal. Du hast doch immer so gute Laune
und lachst über alles."
Kinder sind manchmal wirklich herzerfrischend naiv.
"Das liegt aber nicht daran, daß es mir egal wäre, sondern
daran, daß ich beschlossen habe, daß ich mir von meinem Leben
nicht die Laune verderben lasse. Und du kannst mir glauben, das war ganz
schön schwer." antwortete ich.
"War es so schlimm, daß du nicht mehr reiten kannst und kein
Gardehauptmann mehr sein kannst?"
"Ja. Zuerst. Ich habe meinen Beruf geliebt. Er war auf meine
Persönlichkeit zugeschnitten. Aber dann habe ich einen anderen Beruf
gelernt - Arzt - und damit bin ich zufrieden. Ehrlich gesagt, am
schwersten ist es, mit den ständigen Schmerzen
fertigzuwerden."
"Aber ein echter Krieger macht sich doch nichts aus Schmerzen."
"Ja. So sollte es sein. Du wurdest gestern ausgepeitscht. Ist es dir
gelungen?"
"Ich habe mich bemüht."
"Das habe ich all die Jahre auch gemacht. Und ist es dir
gelungen?"
"Nicht ganz."
"Mir auch nicht. Die meiste Zeit ist es mir ganz gut gelungen, aber
jeden Tag habe ich auch Zeiten, da will ich einfach nur tot sein und
keine Schmerzen mehr haben. Ich weiß, daß es vorbeigeht. Und
deshalb tue ich nie wirklich etwas, wovon ich sterben könnte. Aber
es kommt immer wieder."
"Echt?"
"Ja."
"Ich dachte Helden denken so etwas nicht."
Ich freute mich an dieser Naivität, denn sie zeigte, daß der Jungen in seinem Leben noch nichts wirklich Schlimmes erlebt hatte. Ja. Über mich wurden Lieder gesungen, über meine Treue und meine Liebe zu meinem König. Ehrlich gemeinte Lieder, die mich aber übermenschlich groß erscheinen ließen. So wie man sonst nur über Tote singt, die sich nicht wehren können. Und manchmal habe ich das Gefühl, daß ich als längst tot betrachtet werde. Daß niemand den Krüppel Korith anschaut und sich bewußt ist, daß ich derselbe Mensch bin wie der Held Korith. - Außer meinen engen Freunden in der Garde und dem König. Am witzigsten war ein Barde, der allen Ernstes erzählte, er wüßte besser, was der Korith gedacht hat, als er verletzt wurde, als ich.
"Oh doch. Helden denken so etwas. Helden haben genau solche Schmerzen
wie andere Menschen auch. Sie leiden unter jeder Wunde ebenso wie jeder
andere Mensch. Aber andere Menschen geben auf und sind irgendwann nicht
mehr bereit, so viel Leid und Schmerz auf sich zu nehmen, nur um das
richtige zu tun. Der Held, ist der, der nicht aufgibt, der sich zwingt,
immer neues Leid auf sich zu nehmen, um anderen zu helfen. Und am Ende
hat er dann viel mehr gelitten als jeder andere." entgegnete ich.
"Meinst du?" fragte der Junge.
"Ja. Ich weiß es. Ich bin ein Held. Ein Mann über den man
Lieder singt. Sag mal, hast du, bevor wir miteinander geredet haben,
gewußt, daß ich der Korith aus den Liedern bin?"
"Nein. - Ich hätte drauf kommen können. Aber ich bin nie auf
den Gedanken gekommen. Ich dachte, der Korith aus den Liedern ist
tot." antwortete er.
Verdacht bestätigt.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376
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