FC16.

Psychologieprofessor

Der Psychologieprofessor ließ die Psychologin, kommen. Er mochte sie nicht. Sie war ein unterwürfiges Wesen mit blassem, farblosen Gesicht, die zudem noch zu viel Sympathie für ihren Untersuchungsgegenstand erkennen ließ. Nach einer kurzen Unterredung schickte er sie wieder fort und ließ sich den ersten Drachenreiter schicken, den sie genannt hatte.

Er klopfte wenige Minuten später an die Tür. Der Drachenreiter war ein kleiner, müder Mann, der aufgrund des psychologischen Profils für entbehrlich erklärt worden war. Vor kurzem war ihm ein Auge entfernt worden, um einem wichtigeren Menschen zugute zu kommen. Der Blick, mit dem er den Professor musterte war ruhig und nachdenklich. Nicht die Angst, die der Professor sonst von derart bedeutungslosen Kreaturen gewohnt war. Der Professor musterte den Mann minutenlang schweigend. Der Drachenreiter erwidertete den Blick ruhig und ebenfalls schweigend bis der Professor den Blick abwandte, um seine Notitzen zu ergänzen.

"Darf ich mich setzen?" fragte der Drachenreiter als der Professor mit dem Schreiben fertig war.
"Nein" antwortete der Professor und beobachtete ihn aufmerksam.
Der Drachenreiter ließ außer einem kurzen bestätigenden Nicken keine Reaktion erkennen, blieb nur einfach ruhig stehen und wartete. Der Professor ließ ihn in der Ecke stehen, während er verschiedene Arbeiten erledigte. Nach etwa einer halben Stunde schaute er ihn wieder an. Der Drachenreiter stand immer noch ruhig ohne das geringste Zeichen des Unbehagens da und betrachtete den Professor aufmerksam.

"Knie nieder!" befahl der Professor scharf.
Der Drachenreiter gehorchte sofort und ohne ein Zeichen, daß es irgendeine Bedeutung für ihn hätte.
"Küß mir die Füße."
Er gehorchte, doch jetzt erschien ein halbes Lächeln auf seinem Gesicht, so als fände er den ganzen Zirkus lediglich lustig.
"Du bist ein absolut wertloses Wesen."
Der Gesichtsausdruck des Drachenreiters blieb ruhig und dieses kaum angedeutete Lächeln war immer noch da. In einer plötzlichen Aufwallung von Ärger gab der Professor dem Drachenreiter eine Ohrfeige.
"Kann es sein, daß ihr gerade dabei seid, die Beherrschung zu verlieren?" fragte der Drachenreiter mit einem sanften Lächeln.
"In der Tat. Und wenn ich sie erst einmal verloren habe, kann ich dich ungestraft in Hackfleisch verwandeln." gab der Professor zurück.
"Ich bin mir durchaus im Klaren, daß ich von der Regierung als entbehrlich klassifiziert bin." antwortete der Drachenreiter kühl.
"Und das ist dir vollkommen egal, wie?"
"Nein. Aber ich kann nichts dagegen tun."
Jetzt erschien zum ersten mal eine Andeutung von Härte in der Stimme des Drachenreiters.

Wieder musterte der Professor den Drachenreiter schweigend und der erwiderte den Blick ruhig.
"Setz dich."
Der Drachenreiter gehorchte und sah den Professor aufmerksam an.
"Du hast überhaupt gar keine Reaktionen gezeigt."
"Ich wollte keine zeigen."
"Warum?"
"Weil ich noch zu keinem Ergebnis gekommen war, was von euch zu halten sei."
"Vielleicht bin ich ja gekommen, um dich zu Tode zu foltern."
"Das kann ich nicht ganz ausschließen."
Die Antworten des Drachenreiters kamen ruhig und ohne Zögern.
"Bin ich gekommen, um dich zu Tode zu foltern?"
"Das halte ich für relativ unwahrscheinlich. Dergleichen ist zu oft gemacht worden, um eine gute Forschungsarbeit abzugeben." antwortete er.
"Vielleicht hege ich ja auch nur einen persönlichen Groll gegen Drachenreiter."
"Wohl kaum. Ihr habt bisher höchstwahrscheinlich keine Gelegenheit gehabt, einen solchen Groll zu entwickeln."
Das Lächeln war nun klar zu erkennen.
"Was ist daran lustig?"
"Ihr macht euch die Sache zu umständlich. Wenn ihr mich direkt nach meinen Zielen und Plänen fragen würdet, würdet ihr viel mehr erfahren." antwortete der Drachenreiter.
"Und dann würde ich auch eine ehrliche Antwort bekommen, wie?"
"Ja. Es ist schließlich kein Geheimnis, was ich vorhabe. Ich binde es jedem auf die Nase, der bereit ist, mir zuzuhören."
"Und was?"
"Ich versuche zu erreichen, daß in Zukunft die Drachen, die von Menschen gefangengenommen werden, am Leben bleiben dürfen." antwortete der Drachenreiter.
Der Professor lachte ihn aus. Der Drachenreiter betrachtete den Professor nachdenklich schien etwas sagen zu wollen und überlegte es sich dann anders.
"Geh auf dein Quartier." befahl ihm der Professor.
Der Drachenreiter verließ gehorsam den Raum.

Kersti


FC17. Kersti: Fortsetzung: Friedenshüter
FC15. Kersti: Voriges: Khaerit zur Operation!
FCI. Kersti: Inhaltsübersicht: Damit Drachen leben können
FC1. Kersti: Zum Anfang: Trgerische Ruhe
Thema: Drachen

V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben

Sonstiges
Kersti: Hauptseite
Kersti: Suche und Links
Kersti: Über Philosophie und Autorin dieser Seite

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/     E-Mail an Kersti
Ich freue mich über jede Art von Rückmeldung, Kritik, Hinweise auf interessante Internetseiten und beantworte Briefe, soweit es meine Zeit erlaubt.