Gefallene Engel


Der Untote

FF14.

Schönheit des Lebens

Ich suchte mir eine der schwangeren Affenmenschenfrauen aus und tauchte in den Babykörper ein. Sofort verband sich mein Energiefeld mit ihm und die Affenfrau bekam schwere Krämpfe und erbrach sich - sogar leichte Wehen wurden zu meinem Entsetzen ausgelöst, sie waren aber glücklicherweise nicht stark genug, um den noch ungeformten Embryo abzutreiben. Für meine halbmenschliche Mutter war es eine schwere Schwangerschaft mit heftigem Schwangerschafterbrechen und die letzten beiden Monate mußte sie fast ständig liegen, um mich nicht zu verlieren. Sie tat mir leid. Ich kam ein wenig zu früh aber lebend und gesund zur Welt.

Jeder Tag meines ersten Lebens versetzte mich in Staunen. Ich hatte gewußt, daß Mütter ihre Kinder liebten und zwei mal hatte ich sicher gewußt, daß auch ich geliebt wurde - doch jetzt FÜHLTE ich mich zum ersten mal geliebt. Es war ein unglaublich schönes Gefühl. Und meine Mutter streichelte mich. Ich war auch vorher schon - selten - gestreichelt worden, doch diesmal konnte ich es fühlen und es war ein unfaßbar wunderbares Gefühl, gestreichelt zu werden. Ich hatte gewußt, daß viele Leute mich nicht gemocht hatten, weil ich nicht lachen konnte - jetzt konnte ich lachen und ich begriff, daß das lachen können an sich noch viel schöner ist, weil es ein Ausdruck von Freude ist - und ich hatte nicht gewußt, daß es so etwas wunderbares wie Freude gibt. Wie das so mit kleinen Babys ist, mochte mich jeder der erwachsenen Affenmenschen. Zm ersten mal gehörte ich ganz selbstverständlich dazu - und ich hatte nie gedacht, daß es so wunderbar ist, mit anderen zusammenzusein. Ich hatte immer gedacht, das Geborgenheit ein abstrakter Zustand ist, der heißt, daß andere einen beschützen, jetzt begriff ich, daß es ein Gefühl war und was für ein schönes!

Doch damit war für mich das Staunen noch nicht zuende. Ich hatte auch früher sehen können. Doch jetzt erst erkannte ich, daß ein Nußbaum nicht nur ein Ding ist wo Dinger drunter liegen, die den Hungerschmerz im Magen beseitigen - jetzt schmeckte ich ihren unfaßbar leckeren Geschmack und fühlte zum ersten mal das befriedigende Gefühl, satt zu sein und - noch viel wichtiger - ich stellte fest, daß der Nußbaum schön ist. Ich entdeckte, daß Rosengeruch nicht nur auf schmerzenzufügende Stacheln hinwies, sondern auch ein wunderbarer Duft ist. Ich entdeckte die Schönheit der Musik, die für mich vorher nur aus störenden Geräuschen bestanden hatte, die es mir unmöglich machten, wichtige Gespräche richtig zu verstehen. Als Golem und Untoter war ich unfähig gewesen, Schönheit in gleich welcher Form wahrzunehmen.

Als ich zwei Jahre alt war, kam der Herr zu mir, und befahl mir, ihm in die Hütte zu folgen. Ich gehorchte mit gemischten Gefühlen. Er war derjenige, der mir dieses wunderbare Leben geschenkt hatte und deshalb war ich entschlossen, den Vertrag bis aufs I-Tüpfelchen zu erfüllen, ganz gleich, was er von mir verlangte. Und selbst wenn er mich täglich stundenlang foltern oder bei lebendigen Leib sezieren wollte, würde ich ihm dennoch ewig dankbar sein, für das, was er mir geschenkt hatte.

Er hat mich tatsächlich jeden Tag, nach der Behandlung gefoltert. Allerdings hatte ich damit gerechnet, daß er es viel weiter treiben würde, nicht nur die kurzen fünf Minuten. Und ich hatte nicht erwartet, daß er sich geduldig alles anhören würde, das die erwachsenen Affenmenschen nicht verstanden - ja es schien, als würde er verstehen, wie sehr ich über all diese wunderbaren Gefühle staunte, die ich jeden Tag entdeckte.

Sobald ich dazu fähig war, mußte ich viel und hart arbeiten, härter als die Affenmenschen, unter denen ich zur Welt gekommen war. Der Herr gestand mir keinerlei Zeit zum Spielen zu.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


FF15. Kersti: Folgendes: Die jüngere Schwester
FF13. Kersti: Voriges: Ein angemessener Preis
FFI. Kersti: Inhalt: Gefallene Engel
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
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Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
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