FH2.

Unerfüllbare Pflicht

Erst als ich alleine auf dem mir zugewiesenen Posten war, riß mich eine Disziplin, die ich in vielen hundert Leben entwickelt hatte, in denen ich als Hüter des Lichts für den Frieden gekämpft hatte, aus meiner Lethargie: Egal wie ungerecht die anderen zu mir waren, ich würde jede notwendige Aufgabe so gut erledigen, wie das in meinen Kräften stand. Mir war in vergangenen Leben wirklich schon Schlimmeres angetan worden als eine Verbannung auf einen ungeliebten Außenposten. Der zweite Teil dieser Disziplin war: Man gibt niemals auf. Selbst dann nicht, wenn man keine Hoffnung sieht. Also arbeitete ich weiterhin daran, meine häßlichen Erinnerungen aufzuarbeiten.

Ich hatte viel Arbeit. Mehr als ich in den Stunden, die ich nach den Regeln arbeiten hätte müssen, bewältigen konnte. Zuerst dachte ich, es läge daran, daß ich mich noch nicht eingearbeitet hatte. Ich arbeitete länger, weil manche Dinge nicht liegenbleiben durften. Doch als ich alle Arbeiten beherrschte, war es immer noch nicht in den vorgeschriebenen Arbeitszeiten zu schaffen. Nicht einmal das, was ich wirklich nicht liegenlassen konnte.

Als Telepath durfte ich das niedere Telepatienetz für private Gespräche benutzen und das tat ich auch hin und wieder, um mit meinen alten Freunden zu sprechen. Zu meiner Enttäuschung merkte ich, daß die meisten sich nach meiner Verbannung von mir abwandten. So hatte ich bald nur noch Kontakt zu denjenigen, die mit mir arbeiten mußten und zu meinem Vater. Meinen Bruder durfte ich während seiner Tempelausbildung nicht ansprechen, denn er mußte von allen niederen Gedanken Abstand wahren. Meine Gedanken wurden als niedere Gedanken eingestuft - das stimmte auch, denn ich war innerlich zutiefst verletzt, weil ich so verstoßen worden war. Da ich ihn nicht bei seiner Arbeit in Gefahr bringen wollte, hielt ich mich an die Regel.

Nach etwa einem halben Jahr kam ich zu dem Ergebnis, daß es so nicht weiterging. Es geht nicht an, daß an einem Außenposten über Monate hinweg immer nur das Nötigste getan wird und daß niemand da ist in Notfällen, wenn irgendetwas kaputtgeht oder so, noch einmal so viel arbeiten könnte, um Schäden wieder in Ordnung zu bringen. Es war ein unhaltbarer Zustand und ich war nicht bereit, ihn weiter hinzunehmen. Also flocht ich in jedes Gespräch, was ich von da ab führte, ein, daß ich Hilfe bräuchte.

Die Antworten darauf waren entmutigend. Ich sei eben faul und unfähig. Ich sei selber Schuld, daß ich keine Hilfe hätte, wenn ich so instabil wäre. Die anderen hätten es doch auch geschafft.

Keine dieser Antworten war richtig. Wenn ich wirklich faul wäre, wäre ich gewiß nicht jeden Tag dermaßen erschöpft ins Bett gefallen. Wenn ich unfähig wäre, wäre ich in den ersten Jahren im Tempel nicht als die große Zukunftshoffnung betrachtet worden. Und wenn ich instabil wäre, wäre das gewiß nicht meine Schuld. Meine Vorgänger hatten, wie ich den Berichten über die Geschichte des Außenpostens entnehmen konnte, nach einer kurzen Zeit der Eingewöhnung nicht einmal die Hälfte von dem geschafft, was ich tat. Das hatte immer wieder zu Unfällen geführt, an denen die meisten von ihnen starben. Aber daran wären sie ja auch selbst schuld, wenn sie so schlamperten. Meinte die Untersuchungskommission jeweils.

Ich war nicht bereit aufzugeben und dadurch dieselbe Art von Unfällen heraufzubeschwören, noch mich damit abzufinden, daß ich ständig anderthalb mal so lange arbeiten mußte, wie jeder andere im Land, nur um nicht bald bei einem lebensgefährlichen Unfall zu sterben. Also bestand ich auf meiner Forderung nach Hilfe und wiederholte sie in jedem Gespräch nach außen. 2 Jahre lang zeigte das keine Wirkung.

Kersti


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FHI. Kersti: Inhalt: Der Grund für den Untergang von Mu
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EGI. Kersti: Kurzgeschichten
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