FH10.

Ein Geist wie grauer Staub...

Ich spüre durch den Schleier die Ankunft eines Flugwagens und trete hinaus um den unerwarteten Gast zu empfangen. Zu meiner großen Freude sehe ich meinen geliebten kleinen Bruder. Ich gehe auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Dann jedoch sehe ich ihm in die Augen und spüre was er vorhat.

Es ist wie ein Schock. Ich bin entsetzt, daß gerade er mir so etwas antun will. Ich fahre herum, um wegzulaufen. Doch ein Gedankenblitz wie aus Feuer und Eis schlägt nach mir und reißt mich von den Füßen. Ich falle hin, kann mich nicht mehr rühren.

Ich bündele meine Gedanken, berühre seinen Geist und frage:
*Warum tust du mir das an? Warum gerade du?* und ich lasse ihn spüren, wie verletzt ich mich fühle.
*Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Hochverrat wird bestraft, wie er immer bestraft wurde.*
*Was ich tat, war notwendig, um das Land zu schützen. Lies meinen Geist und prüf nach.* bat ich.
*Das hättest du wohl gerne - damit deine Spießgesellen dich befreien können!*
Er hob meinen Körper auf und legte ihn in seinen Flugwagen. Dann flog er los. Während des Fluges störte ich ihn nicht, da ich keine Unfälle provozieren wollte.

Am Tempel wird er von Haradorn, dem Tempelwächter empfangen. Auch ihn bitte ich telepatisch meinen Geist zu lesen, damit er weiß, warum ich so gehandelt habe, wie ich es tat.

"Nichts da. Hochverrat wird von König persönlich untersucht." antwortet er und stieg zu meinem Bruder ins Flugauto.
In dem Augenblick kommt die junge Linuartina heraus und sagt:
"Wenn du ihn bestrafen willst, mußt du auch mich bestrafen. Mir ist jede seiner Entscheidungen bekannt gewesen und ich habe sie unterstützt." forderte sie.
"Dann steig ein." befahl der Tempelwächter.
Sie gehorchte. Ich hätte sie am Liebsten geohrfeigt. Ich hatte ganz bewußt darauf geachtet, daß alle Spuren zu mir und nur zu mir führten. Die Linuartinen durften sich nicht in Gefahr bringen! Änderungen in den Meinungen des Volkes gehen nicht so schnell vor sich. Wenn sie mich unterstützten, wären die Folgen für das Land nicht abzusehen.

Der König war mein Vater. Als der Flugwagen im Palast landete, trat er zu uns und war entsetzt, mich als Gefangenen zu sehen. Auch ihn bat ich telepathisch, meinen Geist zu lesen, damit er meine Gründe für meine Handlungen verstehen konnte.
*Das werde ich tun. Aber glaub nicht, daß ich Gnade walten lasse, nur weil du mein Sohn bist.* antwortete er.
*Das erwarte ich auch nicht.* antwortete ich.
Tatsächlich war ich mir beinahe sicher, daß er meine Beweggründe nicht verstehen würde. Er hatte nicht genug geschichtliches Hintergrundwissen, um einschätzen zu können, wie stark die Tempel unterbesetzt waren und wie wichtig es war, daß wir wieder mehr wurden. Also würde meine Arbeit als Hochverrat bestraft werden.

Er bekam von Haradorn einen kurzen Bericht über die Gründe meiner Gefangennahme. Dann hob Mein Vater mich auf und trug mich in das Krankenzimmer, wo er mich auf der Behandlungsliege festschnallte. Sobald wir alleine waren, berührte er meinen Geist und ich holte ihn herein.

Er sah sich in der Halle mit den vielen Türen um, die immer mein inneres Bild für meinen Geist ist. Dann sah er mich an. Der geistige Angriff meines Bruders hatte meinen Geistkörper verletzt, so daß meine dunkelblaue Kleidung zerfetzt war und meine Beine bis zu den Knien zerfetzt waren. Ich richtete mich auf den Knien auf - zum Heilen war jetzt keine Zeit und grüßte ihn.
*Du mußt nicht denken, daß du mich mit diesen vielen Türen beeindrucken oder mit deinem Aufzug mein Mitleid wecken kannst.* teilte er mir mit.
*Ich habe Besseres zu tun, als extra für dich ein Theaterstück zu inscenieren.* gab ich ärgerlich zurück.
Dann konzentrierte ich mich auf meine Beine, heilte sie und richtete mich auf.
*Das solltest du aber - du stehst unter der Anklage des Hochverrats.*
*Das ist mir durchaus bewußt. Trotzdem spiele ich nicht Theater. Nicht alle Teile meines Geistes sind von dieser Halle aus direkt zu erreichen. Wohin soll ich dich führen?*
*Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich mich auf deine Führung verlasse?*
*Wie du meinst.* gab ich zurück.
Das konnte ja heiter werden.
*Ich finde auch ohne deine Hilfe, was ich suche.* behauptete er.
*Richtig. Du findest was du suchst. Aber ob das dann die Wahrheit ist?*
*Rede nicht wie ein Hochgeweihter! Du wurdest aus guten Gründen aus dem Tempel verbannt.*
*Ich bin ein Hochgeweihter. Und zu den Gründen bin ich anderer Ansicht, auch wenn ich zugeben muß, daß es im Endeffekt gut ist, daß es geschehen ist.* antwortete ich.
*Wer hat dich geweiht?*
*Ich bin einfach den Pflichten eines Außenpostens nachgekommen. Wenn man das gewissenhaft tut, führt das zwangsläufig zu einer hohen Weihe. Deshalb hatten die Außenposten traditionell auch das Recht in die Akascha-Chronik zu gehen, und dort so viel zu lesen, wie sie wünschten.* antwortete ich.
*Du lügst. Dazu sind sie nie berechtigt weil sie viel zu unsauber sind.*
*Schau nach. Deshalb bist du hier. Und ich hoffe, du lernst etwas daraus.*
Ich war mir sicher, daß er nicht schnell genug lernen würde, um mir die Strafe zu ersparen, die auf Hochverrat stand. So schnell geht so etwas nie.

Er konzentrierte sich kurz, versuchte zu erspüren, wo die gesuchte Information war und ging dann auf glatte Wand zu. Ich ließ an der entsprechende Stelle eine Tür entstehen und ließ ihn ein. Hinter ihm schloß ich die Tür.
*Laß die Tür offen - ich will mich nicht verirren.* befahl er mir.
*Notfalls führe ich dich raus. Offene Türen werden dem Geist zum Problem.*
*Du wirst nach dem Urteil sowieso keinen Bedarf an geschlossenen Türen mehr haben.* teilte er mir mit.
*Normalerweise macht man erst eine Geistlesung und verurteilt dann.* kommentierte ich bissig.
*In deinem Fall sind die Beweise klar. Du wolltest die Geistlesung. Wer sind deine Spießgesellen?*
*Schau doch nach, ob du sie findest.* gab ich zurück.
Ich wußte, er würde mein Wissen darüber nicht finden, denn ich hatte es so in meinem Geist versteckt, daß selbst ein viel besser ausgebildeter Mann Schwierigkeiten gehabt hätte, diese Informationen zu finden. Ich hinderte ihn daran, die Identität meiner Schüler herauszufinden, denn wie ich vermutet hatte, suchte er nur nach Beweisen für die Richtigkeit seiner Vorverurteilung. Auf meinen Wunsch, daß er doch mal nachschauen möge, warum ich das alles getan hatte, ging er nicht ein. Und Beweise, daß es richtig war, gab es genug. Ich hatte es ja tatsächlich getan - weil es notwendig war.
Schließlich verließ er frustriert meinen Geist und behauptete:
"Ich weiß genug."
Ich sah ihn wortlos an und wußte, er hatte nichts verstanden. Also würde er mich als Verräter bestrafen, denn in seinen Augen hatte ich das Höchste verraten, was er kannte. Schweigend folge ich ihm mit den Augen. Jedes weitere Wort wäre sinnlos gewesen.

Er zog ein Gerät über meinen Kopf und stellte es an. Das Gerät zerschlug unter grausamen Schmerzen die Energie(VA180. Definition Eso) meines Geistes in winzige Fragmente. Danach war alles in meinem Geist nur noch grauer Staub. Die übliche Strafe für Hochverrat, denn es machte mich völlig unfähig zu höheren Gedanken und zu Telepathie. Mit einer Geistfalle werde ich an meinen Körper gebunden.

Danach finde ich mich in einer sinnlosen, grauen Welt ohne Freude. Ich kann nichts sehen, nichts wahrnehmen als diese gestaltlose Gräue. Ziellos irre ich durch eine endlose graue Ebene und empfinde nichts. Keine Gefühle, keine Freude, keinen Schmerz, keine Angst - ja nicht einmal körperliche Wahrnehmungen. Alles ist leer und bedeutungslos. Ich hatte sogar vergessen, daß ich je etwas anderes empfunden hatte als diese graue Leere.

Kersti


FH11. Kersti: Folgendes: Wenn du ihn bestrafst, mußt du uns alle bestrafen...
FH9. Kersti: Voriges: Verrat
FHI. Kersti: Inhalt: Der Grund für den Untergang von Mu
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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