Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K14.

*Ich werde sterben*

Bevor ich acht Jahre alt war, hatte ich mich in allen Bereichen der Heilkunde prüfen lassen, ob ich das Grundwissen besaß. Ich wurde danach zum Lernen meist zehn Jahre älteren Männern zugeteilt. Neben den in Karmel aufgewachsenen Waisen, gab es hierbei einige, die in Dörfern des Ordens von den dortigen Jesussen gelernt hatten. Hier sollte ihre Ausbildung nur noch den letzten Schliff bekommen. Seit ich etwa zehn war, bekam ich von den Erwachsenen immer öfter Sonderaufgaben zugeteilt, für die das Wissen der anderen Schüler nicht ausgereicht hätte.

Jeder Schüler wählt sich einen der Lehrmeister als Tutor aus und läßt sich von ihm über die Auswahl seines Stoffes beraten. Ich hatte mir den Johannes gewählt.

Ich war elf Jahre alt. Einmal, als ich dem Johannes wie jeden Abend half, sich auszuziehen sagte er:
*Morgen kommt mein Sohn. Dann werde ich seine Königseinweihung vornehmen und bin endlich frei zu sterben.*
*Aber ich will nicht, daß du stirbst!* widersprach ich bestürzt.
*Simon, ich habe ständig Schmerzen und das ist mit den Jahren allmählich immer schlimmer geworden. Ich habe täglich stundenlang meinen Körper geheilt und trotzdem konnte ich das nicht aufhalten. Um die Königseinweihung muß ich mich noch selber kümmern. So lange bin ich noch da. Aber dann will ich endlich Frieden haben. Ich habe keine Geduld mehr, diese Schmerzen noch länger zu ertragen.*
Ich konnte das verstehen. Dennoch mußte ich weinen, bei der Vorstellung, daß ich dann nie wieder mit ihm den Sonnenuntergang beobachten würde.

Johannes Sohn

Am nächsten Tag war der Johannes den ganzen Tag nicht für mich zu sprechen. Erst am Abend ließ er mich zu sich rufen. Neben ihm saß schweigend ein junger Mann. Ich lächelte dem Johannes zu und fragte:
*Ist das dein Sohn?*
*Ja. Merk dir seine Ausstrahlung. Ihm kannst du vertrauen und Arid kannst du vertrauen. Alle anderen sind zu naiv. Komm, laß uns hinausgehen, den Sonnenuntergang betrachten.*
Ich ging mit und betrachtete nachdenklich den jungen Mann, der bisher in meiner Gegenwart noch kein Wort gesagt hatte. Weder in der Gedankensprache noch anders. Es war lange her, daß ich ihn zuletzt gesehen hatte. Der Sohn des Johannes war pausenlos im Land herumgereist und hatte sich um alles gekümmert, worum sein Vater sich nicht mehr kümmern konnte, weil er zu krank war. Wenn er mal da war, hatte er nur kurz seinem Vater berichtet, der dann nicht für mich zu sprechen war. Dann setzten wir uns auf die Bank, von der aus wir uns jeden Abend den Sonnenuntergang betrachtet hatten und der Sohn des Johannes nahm mich schweigend in den Arm. Ich mochte ihn. Aber während des Sonnenuntergangs dultete der Johannes überhaupt keine Gespräche, so daß wir noch länger zusammensaßen ohne ein Wort zu wechseln.

Schließlich, als ich dem Johannes wie jeden Abend die Haare kämmte, sagte der Sohn zu mir:
*Du liebst ihn sehr.*
*Ja.*
*Du willst ihn nicht gehen lassen.*
Ich weinte. Ein Leben ohne den Johannes war einfach eine schreckliche Vorstellung für mich.
*Sag mir, was dir daran so schrecklich erscheint.*
*Dann habe ich ja gar niemanden mehr!* protestierte ich.
*Niemanden?*
*Na, ja, da ist noch Arid.*
*Was hältst du von Arid?*
*Er ist, na eigentlich ist er ganz lieb. Aber er ist einfach nicht der Johannes.*
*Nein, natürlich nicht. Ist es immer noch so schrecklich, daß der Johannes gehen will?*
Ich weinte:
*Er ist der liebste Mensch, den ich kenne!*
*Willst du ihn wirklich dazu verdammen, weiterhin solche Schmerzen zu haben, nur damit du ihn für dich haben kannst? Darf er wirklich nicht sterben?*
Ich weinte, weil ich merkte, daß er recht hatte. Es war Unrecht, daß ich dem Johannes das Sterben verbieten wollte. Der Sohn des Johannes streichelte mich.
*Ich bin auch traurig, daß er stirbt. Er ist schließlich mein Vater. Und er ist der beste Vater, den ich mir hätte wünschen können.* erklärte er mir.
Das war das letzte Gespräch des Tages.

Am nächsten Morgen wachte der Johannes nicht wieder auf. Wir bereiteten die Beerdigung vor. Es ist ein merkwürdiges Phänomen, daß all die Menschen, die sich die letzten Jahre nicht um den kranken Johannes gekümmert hatten, nun plötzlich um den toten Johannes als ihren geistigen Herrn trauerten. Und daß sie jetzt plötzlich alle alte Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis kramten, um zu erklären, wie sehr sie ihn liebten. Und - es war, wie ich spüren konnte, sogar ehrlich gemeint. Es ist wohl einfach so, daß sie schlichtweg durch die Situation überfordert gewesen waren. Sie wußten einfach nicht, wie sie damit umgehen sollten, daß der Johannes einerseits ihr geistiges Oberhaupt war, der ihnen den rechten Weg zu weisen hatte und daß er andererseits aber gar nicht sprechen konnte. Sie wußten nicht, wie sie Freundschaften pflegen sollten, mit Menschen, die ihr Gesicht nicht einmal gut genug unter Kontrolle hatten um auch nur zu lächeln, geschweige denn zu sprechen. Und so waren sie weggeblieben. Sie alle äußerten die Überzeugung, daß es für das Land ein Segen gewesen wäre, wenn der Johannes sein ererbtes Amt wirklich hätte ausüben können.

In unseren Augen stellte sich die Situation ganz anders dar. Für den kleinen Kreis um den Johannes, der die Gedankensprache beherrschte, hatte der Johannes sein Amt voll ausgeübt. Wenn sein Sohn im ganzen Land umherzog, um Ratschläge zu erteilen oder sich um anliegende Probleme zu kümmern, tat er das im Auftrag seines Vaters, erstattete nachher zuhause Bericht und hörte sich die Kritik seines Vaters dazu an. Die kleine Maria und ich hatten ihn immer als unseren wichtigsten Lehrer betrachtet. Arid versuchte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Vorstellungen des Johannes in der Schule von Karmel umzusetzen. Und wenn ich sie auch nicht kannte, wußte ich daß Pläne existierten, die noch weitaus weiter in die Zukunft reichten.

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