Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K15.

Einweihung

Als ich vierzehn war, rief mich Jesus Arid schließlich in sein Zimmer, weil er mit mir reden wollte. Sein Zimmer war genauso klein wie meines und genauso einfach ausgestattet, so daß ich, um mich setzen zu können, meinen eigenen Stuhl mitbringen mußte.

"Dir ist vielleicht schon aufgefallen, daß es uns in den letzen Jahren immer schwerer gefallen ist, noch angemessenen Lehrstoff für dich zu finden. Letzte Woche habe ich mich mit dem Johannes besprochen und uns ist nichts mehr eingefallen, das dir noch beizubringen, sich lohnen würde.
Es ist Zeit, daß du außerhalb Karmels auf eigene Verantwortung arbeitest. Deshalb solltest du jetzt die Einweihung machen. Die anderen fanden dich zu jung, aber ich bin überzeugt, daß du bestehen wirst.
Ich werde den Johannes bitten, daß er deine weitere Ausbildung übernimmt. Er ist ein Schüler von mir und wird mir den Gefallen sicher tun." erklärte mir Jesus Arid.
"Aber die anderen sind doch mindestens 23 oder 24 wenn sie eingeweiht werden!" sagte ich erstaunt. "So ist es. Sie brauchen diese Zeit, um so weit zu kommen. Die meisten brauchen noch zehn oder zwanzig Jahre länger. Du bist mit 14 fertig."
"Jesus, warum machen deine Schüler eigentlich alle die Einweihung und die Schüler der anderen Lehrmeister gehen fast alle weg und werden einfache Essener oder verlassen sogar den Orden?" stellte ich eine Frage, die mich schon lange beschäftigt hatte.
"Ich bin ein unbequemer Mensch, Simon. Ich stelle an meine Schüler harte Anforderungen, konfrontiere sie mit unbequemen Wahrheiten, schimpfe mit ihnen. So lernen sie zwar am meisten - vor allem sich gegen unbequeme Menschen zu behaupten," bei diesen Worten lächelte Arid verwchmitzt "aber es ist nicht gerade einfach, mit mir auszukommen. Auch Kinder stellen sich schon die Frage, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Die meisten wünschen sich einfach ein schönes Leben mit angenehmen Kameraden. Die kommen nicht zu mir. Ich bin nicht angenehm. Andere wollen Ansehen erringen. Die kommen auch nicht zu mir, denn ich habe einen eher zweifelhaften Ruf. Doch ein paar wollen wirklich lernen und zu ehrenhaften Menschen heranwachsen. Die kommen zu mir. Das kann man bei mir lernen. Nach Abschluß der Lehre wird den Schülern die Frage gestellt, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Wieder haben sie die Freiheit zwischen diesen drei Möglichkeiten zu wählen. Ein schönes Leben mit angenehmen Kameraden kann sich jeder einfache Essener aufbauen - und mit unserer erstklassigen Ausbildung bekommt jeder, der sich die notwendige Arbeit macht, in der normalen Gesellschaft so viel Ansehen, wie er sich wünscht. Doch die dritte Möglichkeit besteht darin, für den Rest des Lebens auf Besitz zu verzichten, der über das für Arbeit und Leben notwendige hinausgeht. Du darfst für den Rest des Lebens keinen Schmuck tragen. Dein Haus darf nur einen Raum haben und du mußt dem einfachen Volk mit deiner Arbeit dienen. Du bekommst überall die schwierigste oder gefährlichste Aufgabe zugeteilt. Dir wird immer das Schwerste zugemutet. Dafür wirst du auch jederzeit ausreichend von der Gemeinschaft versorgt. Wir Heilige der Essener werden zwar hoch geachtet. Aber Belohnungen bekommen wir nicht." Arid wechselte in die Gedankensprache *Für dich persönlich heißt das außerdem, daß du zum Gefolgsmann des Königs-Jesus wirst. Das heißt, die Engel werden dich dein ganzes Leben überwachen und eventuell sogar foltern, wenn deine Entscheidungen ihnen nicht genehm sind.* dann fuhr er wieder laut fort: "Nimm dir ein paar Tage Zeit für deine Entscheidung."
"Das ist nicht notwendig. Ich mache die Einweihung." auch ich wechselte in die Gedankensprache *Ich überlasse die Politik nicht den Schwachen und Naiven.* antwortete ich entschieden.

Arid warf mir einen erstaunten Blick zu. Diese Worte erfüllten ihn mit ganz neuer Hochachtung vor mir. Arid kannte mich gut. Doch auch ihm war nicht klar gewesen, worüber ich mir alles Gedanken gemacht hatte. Als Gefolgsmann des Königs-Jesus hatte ich vielleicht die Möglichkeit, den Hochgeweihten Rat, der den Orden regierte, von den Schwächen der Engel zu überzeugen. Oder den Königs-Jesus.

"Gut. Dann bereite ich alles vor. Warte hier."
*Das geht aber schnell.* dachte ich erstaunt.
Jesus Arid verließ den Raum und verriegelte die Tür hinter sich, so daß ich gefangen war. Mir war bisher noch nicht aufgefallen, daß sie zu verriegeln ging. Ich sah zum Fenster und mir wurde zum ersten mal so richtig bewußt, daß es vergittert war. Ein Gefängnis. Ich rief mir meine eigene Zelle ins Gedächtnis und mir wurde bewußt, daß sie sich ebenso dazu eignete, mich darin einzusperren. Es gab auch dort einen Riegel. Ich hatte ihn nur für eine Verzierung gehalten. Und es war, nebenbei gesagt, keine sehr schön eingerichtete Zelle. Mir fiel auf, daß es unten in der Tür eine Klappe gab, durch die man dem Gefangenen das Essen reichen konnte. Auch eine eigene Latrine war vorhanden. Und es gab einen in die Wand eingelassenen Ring, den man verwenden könnte, um Gefangene daran festzuketten. Die vier Löcher in der Wand des Bettes waren dazu geeignet die Arme und Beine des Gefangenen darin festzuklemmen, so daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Ich betrachtete die Scharniere der Tür. Im verriegelten Zustand ließ sie sich nicht aus den Angeln heben.

Ich staunte, daß ich Jahre in einem Zimmer gelebt hatte, ohne daß mir all diese Dinge je aufgefallen waren. Was dachten sich die Essenerführer dabei, uns symbolisch in ein Gefängnis zu sperren? Denn benutzt wurden diese obskuren Einrichtungsgegenstände meines Wissens nicht. - Außer, wie ich gerade festzustellen im Begriff war, bei der Einweihung.

Vor der Tür näherten sich Schritte. Es wurde entriegelt und der Lehrmeister des Folterns öffnete, der uns im Fach Geistiger Kampf unterrichtet hatte. Er hatte Ketten dabei und zwei Männer, die ich nicht kannte. Ich sah ihn erstaunt an und stand dann zögernd auf, um ihn entgegen zu gehen. Da packte er mich hart am Oberarm und warf mich über seine Beine zu Boden. Dort wurde ich mit ein paar schnellen Griffen in Ketten gelegt und grob wieder auf die Beine gestellt.
"Du kannst natürlich jederzeit aufgeben, wenn dir das Brot eines Eingeweihten zu hart ist." sagte er schroff.
"Ich habe nicht die Absicht dazu." entgegnete ich und eine seltsame Ruhe erfüllte meinen Geist.
Er führte mich in die Folterkammer, die ich schon vom Unterricht her kannte und schnallte mich an der Folterbank fest.

Jetzt wurde ich zwei Stunden ohne Unterlaß gefoltert. In regelmäßigen Abständen wurde ich gefragt, ob ich nicht doch lieber ein einfacher Essener werden wolle. Ich lehnte jedesmal ab. Nach und nach wurde ich wütend und brüllte den Lehrmeister am Ende an, er könne von mir aus machen, was er wolle, aber ich würde bestimmt nicht von meinem Plan ablassen, ein Eingeweihter zu werden. Er lachte und machte noch eine halbe Stunde weiter. Mir wurde bewußt, daß ich die Kontrolle über mich verloren hatte und ich zwang mich, innerlich wieder ruhig und entspannt zu sein, bis er mich schließlich von der Folterbank aufstehen ließ.
"Morgen geht es weiter." sagte er, brachte mich in mein eigenes Zimmer und kettete mich am Ring fest. Es gab nichts zu essen, nur Wasser. Nachdem ich getrunken hatte, legte ich mich auf mein Bett und versuchte meinen zitternden und schmerzenden Körper zu entspannen. Es gab keine sichtbaren Verletzungen. Nur das Nervensystem war überreitzt.

Ein Jesus, Mitglied der Führungsschicht der Essener, erfährt auch Geheimnisse, von denen das Leben vieler Menschen abhängt. Deshalb wird in den Einweihungen überprüft ob der zukünftige Jesus die Standhaftigkeit besitzt, auch unter Folterqualen ein Geheimnis zu wahren.

Als er am nächsten Tag wiederkam, begann mein Körper ohne mein Zutun zu zittern. Doch die zweistündige Folter hielt ich diesmal besser durch. Am dritten Tag lief es ähnlich.

Nach der dritten Folter wurde ich in den Keller geführt. In einem abgelegenen Gang wurde eine Falltür geöffnet, man befreite mich von den Ketten und ließ mich dort hinunter. Mir wurde gesagt, daß ich den Weg in die Freiheit finden müsse und daß ich, falls es mir nicht gelänge, spätestens in drei Tagen befreit würde. Dann verschlossen sie die Falltür hoch über mir und ließen mich allein. Ich setzte mich auf den Boden und dachte nach.

Tatsächlich war diese Prüfung einfach zu bestehen, denn jeder Schüler Karmels hatte die nötigen Fähigkeiten gründlich erlernt. Dennoch gab es viele, die an diesem Teil der Prüfungen scheiterten, weil sie nach den Foltern im Dunklen alleingelassen einfach in Panik gerieten und den Kopf verloren. Sie blieben vor Angst erstarrt im ersten Raum des Irrgartens sitzen oder irrten von Raum zu Raum - es waren nur 17 - prügelten auf die Wände ein, aber wagten es nicht, durch den langen, engen Gang zu kriechen, der sich als der Ausweg erwiesen hätte, wenn sie es nur versucht hätten.

Ich ging mit traumwandlerischer Sicherheit den geraden Weg und erfuhr erst nachher von den Problemen, die viele damit hatten. Etwas unterhalb der Burg gelangte ich ins Freie. Es herrschte heller Sonnenschein.

Abschied von Jesus Arid
Ich ging zum Burgtor und bat um Einlaß. Der Führer der Wache verneigte sich vor mir und sagte:
"Wenn ihr mir bitte folgen würdet, junger Jesus." und führte mich zu meinem Lehrmeister Jesus Arid, der mich strahlend begrüßte:
"Das ging aber schnell. Ich dachte mir, daß du gut abschneiden würdest. Jetzt mußt du nur noch nach Jerusalem zur Prüfung. Das ist eine reine Formalität. Noch niemand, der hier ausgebildet wurde, ist daran gescheitert. Aber wir haben beschlossen, daß unsere Priester auch vom falschen Priester in Jerusalem anerkannt sein sollen, damit niemand bezweifeln kann, daß wir besser sind, als diese halbausgebildeten Schriftgelehrten, die heute dort geprüft werden und zufrieden sind, wenn sie drei Bücher gelesen haben. Dein Vater hat gebeten, dich dorthin geleiten zu dürfen. Ich habe dieser Bitte stattgegeben. Ich hoffe das war in deinem Sinne?"
"Ja. Rein theoretisch hat ein Jesus zwar keine Familie als das Land, aber dennoch sind die Menschen, die mich geboren haben, doch die, mit denen mich die meiste Liebe verbindet."
Arid nickte lächelnd. Er hatte keine Eltern. Manchmal fragte ich mich, ob diese Regel wohl von den vielen Waisenknaben Karmels erfunden worden war, die einfach eifersüchtig auf Kinder mit echten Eltern waren. Arid neigt nicht zu Eifersucht. Ich kenne kaum einen Menschen, der so sehr in sich selber ruht, wie er.

"Immerhin weiß ich jetzt, warum sich so viele Menschen während der Prüfung überlegen, daß sie doch lieber kein Jesus werden wollen." kommentierte ich.
Jesus Arid lachte und sagte:
"Übrigends, du schweigst über den Inhalt der Einweihung."
Ich nickte. Das war mir klar gewesen. Es hatte mir ja auch niemand meine Fragen zur Einweihung beantworten wollen.
"Solltest du jemals meinen, daß es Zeit ist, eine Einweihung zu erhalten, so brauchst du nur drei mal diese Einweihung zu fordern. Ich bin sicher, du würdest jede Einweihung bestehen. Grundsätzlich ist aber von solchen Forderungen abzuraten. Außer der ersten Einweihung, in der die Schüler lernen, was es heißt, eine Einweihung zu machen, ist jede Einweihung so angelegt, daß die Schüler sie entweder bestehen oder nachher tot sind. Und die Prüfer können es dir schwer oder leicht machen. Wenn du ihnen eine Einweihung abforderst, die sie dir nicht geben wollen, machen sie es dir lebensgefährlich schwer."
Ich nickte.
"Ich werde dich vermissen, Arid." sagte ich.

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