erste Version: 3/2013
letzte Bearbeitung: 7/2017

O11.2

Satanistischer ritueller Mißbrauch - Ein komplexes Rätsel

Inhalt

O11. Kersti: Zusammenfassung und Inhalt
O11.1 Kersti: Teil 1: Satanistischer ritueller Mißbrauch - real?
O11.2 Kersti: Teil 2: Falsche Erinnerungen: Die generationenübergreifenden satanistischen Sekten existieren nicht
O11.2.1 Kersti: False Memories als Erklärungsansatz zu satanistischem rituellen Mißbrauch
O11.2.1.1 Kersti: Erinnerungen an satanistischen Rituellen Mißbrauch lassen sich fast nie bestätigen
O11.2.1.2 Kersti: Wie man Menschen falsche Erinnerungen einredet
O11.2.1.2.1 Kersti: Verfälschungen von Erinnerungen durch nachfolgende irreführende Informationen
O11.2.1.2.2 Kersti: Imanigation und False Memories
O11.2.1.2.3 Kersti: Fabrizieren von Lebenserinnerungen aus einer vergessenen Buchlektüre
O11.2.1.3 Kersti: Sozialer Druck und Techniken zum Aufdecken von Erinnerungen als Erklärung für Erinnerungen an sexuellen rituellen Mißbrauch
O11.2.2 Kersti: Satanisten sind weitaus harmloser als ihr Ruf
O11.2.2.1 Kersti: Erwachsene Satanisten: selten, weitgehend harmlos und unkonventionell
O11.2.2.1.1 Kersti: Verbreitung des Satanismus
O11.2.2.1.2 Kersti: Religiöse Praxis von Satanisten
O11.2.2.1.3 Kersti: Werte und Normen bei Satanisten
O11.2.2.2 Kersti: Jugendsatanismus als Rebellion gegen bestehende Werte
O11.2.2.2.1 Kersti: Jugendsatanismus
O11.2.2.2.2 Kersti: Black Metal und Black-Metal-Satanisten
O11.2.2.3 Kersti: "Satanismus" als Projektion der Nichtsatanisten
O11.2.2.3.1 Kersti: Glaube an den Teufel bei Nichtsatanisten
O11.2.2.3.2 Kersti: "Jugendsatanismus", der kein Satanismus ist
O11.2.2.3.3 Kersti: Konkrete Fälle von Satanismus werden eher überzeichnet als verdrängt
O11.2.2.3.4 Kersti: Das Satanismusbild in der Öffentlichkeit hat keinen Bezug zur Realität
O11.2.2.3.5 Kersti: Die echten Erinnerungen zu Satanismus kann man unter false Memories zu Satanismus suchen wie eine Stecknadel im Heuhaufen
O11.2.3 Kersti: Forensische Erkenntnisse zu satanistischem rituellen Mißbrauch
O11.2.4 Kersti: Zusammenfassung
O11.3 Kersti: Teil 3: Die Wissenschaftliche Debatte: Achtung, es menschelt!
O11.4 Kersti: Teil 4: In welchem Verhältnis stehen die False Memories zu satanistischem rituellem Mißbrauch zur Realität?
O11.5 Kersti: Teil 5: Desinformationskampagnen: Was ist das Problem, wenn Mord, Dämonen und UFOs im Hinterhof die Tarnung ist?
O11.6 Kersti: Teil 6: Spirituelle Deutung der False Memories zu satanistischem rituellem Mißbrauch
O11.7 Kersti: Teil 7: Organisierte Kriminalität: eine andere Erklärung für rituellen Mißbrauch
O11.8 Kersti: Teil 8: Außerirdische Verwicklungen im rituellem Mißbrauch
O11.9 Kersti: Teil 9: Wann begann Mind-Control?
O11.10 Kersti: Teil 10: Wie löst man das Mind-Control-Problem?
O11.Q Kersti: Quellen

Teil 2: Falsche Erinnerungen: Die generationenübergreifenden satanistischen Sekten existieren nicht

2.1 False Memories als Erklärungsansatz zu satanistischem rituellen Mißbrauch

2.1.1 Erinnerungen an satanistischen Rituellen Mißbrauch lassen sich fast nie bestätigen

Während sich Mißbrauchserinnerungen an sexuellen Mißbrauch insgesamt so häufig bestätigen lassen, daß man annehmen kann, daß die in den meisten Fällen in ihren Grundzügen der Wahrheit entsprechen, ist das bei Erinnerungen an rituellen Mißbrauch nicht der Fall. Außerdem ist es bei normalen Mißbrauchserinnerungen so, daß durchgehend vorhandene Erinnerungen sich ebenso häufig bestätigen lassen, wie vorübergehend verdrängte Erinnerungen, während sich bei satanistischem und rituellem Mißbrauch durchgehend vorhandene Erinnerungen deutlich häufiger bestätigen lassen als neu aufgetauchte Erinnerungen. B3.12

Bestätigung sexueller Mißbrauch 41% Satanistischer ritueller Mißbrauch 0% aufgedeckte Erinnerungen 0% allgemein ritueller Mißbrauch 3% ritueller Mißbrauch 20% dauerhaft vorhandene Erinnerungen, während Kindheit erzählt 37%, später erzählt 14% B3.12

2.1.2 Wie man Menschen falsche Erinnerungen einredet

2.1.2.1 Verfälschungen von Erinnerungen durch nachfolgende irreführende Informationen

Elizabeth F. Loftus forschte seit den 70ger Jahren in mehr als 200 Experimenten mit über 20 000 Versuchspersonen zu Verfälschungen von Erinnerungen durch nachfolgende irreführende Informationen. Wenn Menschen ein Ereignis beobachten und nachher eine irreführende Information über dieses Ereignis erhalten, kann das zu einer Verfälschung der ursprünglichen Erinnerung führen.B2.1

In einem Beispiel sahen die Versuchsteilnehmer einen simulierten Autounfall an einer Kreuzung mit einem Stoppschild. Nach dem Anschauen erhielt die Hälfte der Zuschauer die Information an der Kreuzung, hätte sich ein Vorfahrt-Achten-Schild befunden. Als sie später nach dem Unfall befragt wurden, neigten diejenigen, die die falsche Information erhalten hatten, dazu, zu sagen, sie würden sich an ein Vorfahrt-Achten-Schild erinnern, während diejenigen, die diese Falschinformation nicht erhalten hatten sehr viel korrekter in ihren Erinnerungen zu dieser Frage waren.B2.1
Auf diese Art können falsche Erinnerungen an kleinere und größere Details einer beobachteten Scene induziert werden.B2.1

Auch Erinnerungen an ganze Ereignisse, die nie stattgefunden haben, lassen sich auf diese Weise induzieren.B2.1

So hat Loftus eine Studie durchgeführt, in der die Leute nach Details zu echten und einem erfundenenen Erlebnissen aus ihrer Kindheit berfagt wurden. Es wurde erzählt, es ginge darum, an wieviele Details man sich erinnern könne.

Mehrere Tage in Folge wurde Chris gefragt, ob er sich an weitere Deteils drei echten und einem erfundenenen Erlebnis erinnern könne. Eine Versuchperson erfand immer weitere Details zu dem falschen Geschehnis. Als ihm am Ende mitgeteilt wurde, daß eines der Beispiele gar nicht stattgefunden hätte - tatsächlich hatte sein Bruder Jim das erfundene Geschehnis "Lost in a Shopping Mall" (Verloren im Einkaufszentrum) konstruiert - wählte er nicht das falsche sondern eines der echten Ereignisse als das, was wahrscheinlich nur erfunden war.

Die statistische Auswertung eines nur geringfügig abweichenden Versuchs mit 24 Versuchspersonen und ebensovielen Verwandten ergab, daß sich die Versuchspersonen an 68% der 72, also pro Person jeweils drei realen Ereignisse erinnerten, 25% erinnerten sich aber auch an das erfundene Ereignis. Einer hatte im schriftlichen Teil etwas darüber geschrieben aber nachher entschieden, daß er sich nicht wirklich erinnern könne. Diejenigen Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden hatten, wurden ausführlicher beschrieben als das erfundene Ereigniss, auch wenn sie nur unvollständig erinnert wurden.B2.1

2.1.2.2 Imanigation und False Memories

Die Rolle der Imanigation bei der Formation von falschen Erinnerungen untersuchten Ira E. Hyman und Joel Pentland, indem sie den obigen Versuchsaufbau geringfügig abwandelten. Die Versuchsgruppe wurde gebeten, in ihrem Geist ein Bild des vergangenen Ereignisses zu formen, während die Kontrollgruppe gebeten wurde, eine Minute lang still darüber nachzudenken. Teilnehmer der Gruppe, sie sich Bilder vorstellen sollten, bildeten häufiger false Memories, waren aber auch besser in der Lage, sich an wahre Ereignisse zu erinnern, obwohl hier natürlich unklar ist, inwieweit die Erinnerungsbilder den Tatsachen entsprechen.B2.2

Im Rahmen von Therapien können ebenfalls False Memories hervorgerufen werden. Da, wie Hyman nachwies, der Versuch sich Erinnerungen bildlich vors Auge zu rufen, die Fabrikation von False Memories begünstigtB2.2, erhöhen Methoden wie Rückführungen mittels Hypnose die Gefahr, daß Patienten False Memories entwickeln.

Daß es möglich ist, manche Menschen dazu zu bringen, daß sie falsche Erinnerungen nicht existente Kindheitserlebnisse entwickeln, heißt nicht, daß alle Gedächtnisinhalte, die beim Einsatz von Suggestionen auftauchen, falsch sein müssen, sondern nur, daß das in einem Teil der Fälle geschiehtB2.3. Bei scheinbar vergessenen und wiedererinnerten Ereignissen ist es auch möglich, daß verdrängte Erinnerungen wieder aufgedeckt wurdenB3.1. Doch ohne Bestätigung durch zusätzliche Fakten ist es schwierig, echte Erinnerungen sicher von suggerierten zu unterscheidenB2.3.

2.1.2.3 Fabrizieren von Lebenserinnerungen aus einer vergessenen Buchlektüre

Ein Medium, deren Namen mit Miss C. abgekürzt wurde, channelte eine Blanche Poynings, was sich später als eine verdeckte Erinnerung an die Novelle "Countess Maud" von Emily Sarah Holt (1836-1893)B8.1.1 herausstellte. Dies ist einer der bekanntesten Fälle von KryptomnesieB6.6 S.223, B9.12 S.347. Um diesen Fall vollständig zu erklären, muß man annehmen, daß durch das Channeln die Entstehung einer Zweitpersönlichkeit induziert wurde, die aus den Inhalten der Buchlektüre unbewußt False Memories konstruiert hat, mit denen sie sich dann identifizierte.

Miss C. channelte eine Persönlichkeit namens Blanche PoyningsB8.1.2, die eng mit Maud, der Gräfin von SalisburyB8.1.3 befreundet gewesen sein soll und zur Zeit der Regierung von Richard dem II. von EnglandB8.4.1 lebteB6.6 S. 223. Goldsworthy Lowes Dickinson (1862–1932)B8.1.4 untersuchte 1911 in dem Artikel "A case of emergence of a latent memory under hypnosis"B6.2 diesen Fall und stellte fest, daß die so erlangten Informationen weitgehend korrekt waren. Miss C. konnte sich nicht vorstellen, wie sie an diese Informationen gelangt sein könnte, da sie sich mit der Regierungszeit von von Richard dem II. von England nicht beschäftigt hatteB6.6 S.223, B9.12 S.347.

Während einer Seance, in der Miss C. Medium war, fragte Dickinson, wo man diese Informationen verifizieren könne und erhielt die Auskunft, man könne sie in "Countess Maud" von Emily Sarah Holt nachlesen. Als Dickinson Miss C. später im normalen Wachzustand nach dieser Novelle befragte, konnte sie sich erinnern, sie als 12-jährige gelesen zu haben. Sie konnte sich jedoch nicht an den Inhalt des Werkes erinnern. Dickinson las das Buch durch und stellte fest, daß es alle Informationen enthielt, die Miss C. als Blanche Poynings wiedergegeben hatte. Blanche Poynings war eine Nebenfigur des Werkes.B6.6 S.223, B9.12 S.347

2.1.3 Sozialer Druck und Techniken zum Aufdecken von Erinnerungen als Erklärung für Erinnerungen an sexuellen rituellen Mißbrauch

Einen Gerichtsfall, in dem mehrere Familienmitglieder inklusive des Familienvaters Paul Ingram false Memories entwickelten, beschreibt Lawrence Wright in seinem Buch "Erinnerungen an Satan". Hier entwickelten die Mitglieder der Familie während der Verhöre durch die Polizei Erinnerungen an vergangenen Mißbrauch mit vielen immer unglaublicheren und immer grausameren Details. Schließlich kam der Vater zu der Überzeugung: "Ich glaube jetzt, daß ich sie wirklich mißbraucht habe, wahrscheinlich über einen langen Zeitraum hinweg. Ich habe es nur verdrängt." Schließlich wurde einer der Ermittler mißtrauisch, er machte frei erfundene und sehr unwahrscheinliche Andeutungen, wo oder wie weiterer Mißbrauch stattgefunden haben hönnte und stellte fest, daß Paul Ingram jedes mal entsprechende False Memories entwickelte.B5.7
Auch Elisabeth Loftus bringt in einem ihrer wissenschaftlichen Artikel ein überzeugendes Beispiel für eine false Memory im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch.
Beth Rutherford machte bei einem kirchlichen Berater eine Therapie in der sie sich erinnerte, daß ihr Vater, ein Geistlicher sie im Alter zwischen 7 und 14 regelmäßig vergewaltigt hatte und daß ihre Mutter ihm manchmal half, sie festzuhalten. Unter der Führung des Therapeuten erinnerte sie sich, wie sie zwei mal schwanger wurde und ihr Vater sie zwang, mit Hilfe eines Kleiderbügels selbst eine Abtreibung vorzunehmen. Der Vater mußte seinen Posten als Geistlicher aufgeben, als diese Anschuldigungen veröffentlicht wurden. Eine spätere medizinische Untersuchung zeigte daß sie im Alter von 22 Jahren immer noch eine Jungfrau war, an der keinerlei Anzeichen einer vergangenen Schwangerschaft zu erkennen waren. Die Tochter verklagte den Therapeuten und erhielt eine Entschädigung in Höhe von einer Million Dollar.B2.1
In ihrem Buch "Die Therapierte Erinnerung" bringt Loftus ein weiteres Beispiel, bei dem sie ausführlich beschreibt, wie der Therapeut sowie die Mitglieder einer durch ihn geleiteten Selbshilfegruppe erheblichen psychologischen Druck auf seine Patientin ausübt, damit sie sich an Dinge erinnert, von denen letztlich klar wird, daß sie so nicht geschehen sind und erklärte danach, daß das nicht die einzige Person mit einer solchen Geschichte ist, mit der sie im Rahmen ihrer Arbeit zu tun hatte.B2.4 S.38.

2.2 Satanisten sind weitaus harmloser als ihr Ruf

Ich habe im Internet zwei Arbeiten zu den Einstellungen von Satanisten gefunden. Einmal die Doktorarbeit von Dagmar Fügman über den zeitgenössischen Satanismus in DeutschlandB5.2 und zum zweiten "Who Serves Satan?" von James R. LewisB5.1.

2.2.1 Erwachsene Satanisten: selten, weitgehend harmlos und unkonventionell

2.2.1.1 Verbreitung des Satanismus

Wie viele Satanisten es gibt, ist unbekannt, ihre Anzahl liegt jedoch deutlich unter einem Prozent, da sie in den Daten der World Values Survey nicht einzeln erfragt wurden und damit unter die Kategorie "Andere" fallen, die um 1% liegen.B5.2 S.382 Wenn man Satanisten und Forscher zum Satanismus fragt, die die Szene kennen, reichen deren Schätzungen von einigen tausend bis einigen hundert Satanisten in Deutschland.B5.2 S.57, B5.2 S.90ff Die amerikanische satanistische Zeitschrift "The Black Flame" hat eine verkaufte Auflage von 7000 bis 8000 Exemplaren, die hauptsächlich in die USA verkauft werden, seltener nach Großbritannien und in die Skandinavischen Ländern. Der Editor der Zeitschrift nimmt an, daß die meisten Exemplare an Leute verkauft werden, die sich selbst als Satanisten sehen.B5.1

Insgesamt ist der Satanismus also eine sehr seltene Glaubensrichtung.

2.2.1.2 Religiöse Praxis von Satanisten

Die meisten Satanisten praktizieren ihre Religion hauptsächlich oder ausschließlich alleine und beziehen ihr Wissen darüber aus eigenen Überlegungen, satanistischer Literatur und gelegentlich auch aus dem Austausch mit anderen Satanisten. Sie haben Kontakte zu anderen Satanisten, die sie meist jedoch nicht zu ihrem näheren persönlichen Umfeld zählen. Meist werden keine regelmäßigen Rituale praktiziert, sondern Satanismus wird als Teil der eigenen Persönlichkeit betrachtet. Viele verwenden magische Praktiken und Divinationssysteme, verwenden diese aber nicht für den Versuch, die Zukunft vorherzusagen. Viele meditieren, betrachten das aber nicht als Teil ihrer religiösen Praxis. Die meisten glauben nicht an die Möglichkeit von Kontakten zu Wesen aus anderen Dimensionen.B5.2 S.267

In Lewis Arbeit hatte keiner der befragten Satanisten selbst an einem Tieropfer teilgenommen. Viele waren Tieropfern gegenüber sehr kritisch eingestellt und machten Aussagen wie: "if you ever hear of a satanic sacrifice, it's either bulls**t, or the 'Satanist' deserves a good beating" (deutsch "Wenn Sie jemals von einem satanistischem Tieropfer hören, ist es entweder Bullshit oder der Satanist verdient eine Tracht Prügel"). Es gab jedoch einige, die angaben, bestimmte traditionelle Satanisten würden wie Santeria-Praktizierende bei bestimmten Riten Tiere töten und diese in einem darauf folgendem Fest verspeisen.B5.1

Die meisten von Fügman befragten, lehnten Opferungen prinzipiell ab. Diejenigen, die Opferungen durchführten, taten das im Sinne von "etwas von sich selbst aufgeben"B5.2 S.267. Beide Autoren fragten nach Flüchen und erhielten zur Antwort, daß Flüche nur selten und nur nach massiven Provokationen eingesetzt werdenB5.2 S.26, B5.1.

2.2.1.3 Werte und Normen bei Satanisten

In den Weltbildern der meisten satanistischen Richtungen werden Satan, Set, Luzifer etc. nicht als "der Böse" betrachtet, sondern als Symbol für die Eigenmacht des Menschen. Der Mensch wird als soziales Lebewesen angesehen, das ein Recht hat seine Triebe auszuleben, seine Bedürfnisse zu erfüllen und sein Potential zu entwickeln. Die meisten satanistischen Richtungen sind sehr Diesseitsorientiert. Satanisten entwickeln gerne Gegenentwürfe zu bestehenden Gesellschaft, bei denen sich der Einzelne nach Fähigkeit und Leistung seine Stellung in der Gesellschaft erarbeiten können soll, sie sind aber der Meinung, daß der Mensch als Teil der bestehenden Gesellschaft verpflichtet sei sich an die bestehenden Gesetze zu halten. B5.2 S.334f, S.337

Insgesamt sind Satanisten Bürger, deren moralische Vorstellungen nicht mehr und nicht weniger Gewalt und unfreundliche Handlungen erlauben als die der Gesamtgesellschaft, die aber eher unkonformistische Sichtweisen betonen und dem einzelnen das Recht zusprechen, in allem Dingen abweichende Verhaltensweisen an den Tag zu legen, wo anderen kein Schaden dadurch entsteht. Sie sind nach diesen beiden Umfragen weitaus unkonventioneller aber nicht unmoralischer als der Durchschnitt der Gesellschaft.B5.1, B5.2

2.2.2 Jugendsatanismus als Rebellion gegen bestehende Werte

2.2.2.1 Jugendsatanismus

Mir selber haben bisher zwei Leute erzählt, sie hätten in ihrer Jugend Dinge getan, die sie selber als Satanismus eingeordnet hätten.
Beispielgeschichte, fremd:

Zwei Beispiele für Jugendsatanismus

Die eine erzählte, sie hätte damals zwei satanistische Orden gegründet, die sie gegeneinander ausgespielt hätte, erklärte mir, wie man echte Snuff-Videos, bei denen jemand vor laufender Kamera zu Tode gefoltert wird, von falschen unterscheidet und meinte ihr Ziel sei es damals gewesen, ein Menschenopfer durchzuführen. Sie war damals also auf einer sehr problematischen Schiene. Als Kind wurde sie sexuell mißbraucht, was aber nur einem Teil ihrer Persönlichkeitsanteile bekannt war.

Die zweite Person erzählte von einem wesentlich harmloseren "satanistischen Orden" von Jugendlichen bei dem sie einmal um ein Lagerfeuer saßen und sie eine benutzte Damenbinde als Blutopfer darbrachte - was allen anderen peinlich war.

Da drei Leute mir bisher erzählt haben, daß sie sich als Erwachsene als Satanisten sehen, hätte ich grob vermutet daß die Fälle in denen jemand irgendwann in seiner Lebensgeschichte in Jugendsatanismus verwickelt wird etwa so selten ist, wie daß jemand sich als Erwachsener für den Satanismus entscheidet. Die wissenschaftlichen statistischen Daten hierzu sind jedoch sehr viel lückenhafter. Es gibt meines Wissens hierzu keine Umfragen der Art, wie sie Dagmar Fügman und James R. Lewis zum Satanismus der Erwachsenen gemacht haben.

Fügman bezeichnet es als reaktiven, paradigmatisch konformen Satanismus, wenn die kirchlichen Lehren über den Teufel sowie theologische Satansbilder übernommen und Satan als die Personifikation des Bösen verstanden und als solche verehrt wird. Dies tritt nach heutigem Erkenntnisstand nur in Form kurzlebiger wenig organisierter Gruppen Jugendlicher aufB5.2 S.26 und dies wird auch von einigen Mitgliedern der Church of Satan für ein reales Problem gehalten.B5.2 S.195

2.2.2.2 Black Metal und Black-Metal-Satanisten

Eine ähnliche inhaltliche Ausrichtung wie der oben beschriebene Jugendsatanismus hat eine Musikrichtung: Black Metal und ihre Ableger wie Satanic Metal. Im Gegensatz zum eigentlichen Jugendsatanismus sind einige der Musiker eben keine Satanisten.

Ebensowenig wie man zum Mörder wird, indem man ein Lied singt, in dem man aus der Ich-Perspektive das Leben eines Mörders besingt, wird man zum Satanisten, indem man aus der Ich-Perspektive die Sicht eines Satanisten besingt. So sagen die Musiker von Venom ausdrücklich, daß sie sich selbst nicht als Satanisten sehenB5.9 S.28ff, die Musiker der

Andere Musiker werten ihre Haltung als Aufstand gegen die Erwachsenenwelt, Jugendsatanismus, der ihnen als Erwachsener nicht wirklich ernst ist, wie das beispielsweise Quorthohn von der Band Bathory über sich sagtB5.9 S.36. Bathory war eine schwedische Metal-Band, die als Wegbereiter der Subgenres Black-, Viking- und Pagan Metal gilt. Treibende Kraft und einzig beständiges Mitglied der Band war Thomas „Quorthon“ Forsberg († 3. Juni 2004), der die meisten Lieder selbst geschrieben und eingespielt hatteB8.4.2.

Mit der Religion des Satanismus hat Black Metal wenig zu tun: Lewis fand bei seiner Befragung von Satanisten ein gewisses Interesse an Mainstream-Heavy-Metal, aber nur minimales Interesse an extremeren Formen wie dem sogenannten "Satanic Metal". Die meisten befragten Satanisten äußerten sich sehr kritisch zu den in dieser Musikform vertretenen Sichtweisen.B5.1

2.2.3 "Satanismus" als Projektion der Nichtsatanisten

2.2.3.1 Glaube an den Teufel bei Nichtsatanisten

Ein erheblicher Anteil der deutschen Bevölkerung glaubt - ohne Satanist zu sein - an den Teufel. Im Westen waren es 1997 20,2%B5.2 S.389 (66 688 000B8.3.1*0,202=13 470 976) der Bevölkerung, im Osten 6,9%B5.2 S.389 (15 369 000B8.3.1*0,069=1 060 461;) wenn man annimmt es gäbe etwa 1000 Satanisten in Deutschland glauben etwa 15 000 mal so viele Nichtsatanisten an den Teufel, wie es Satanisten gibt. Da die meisten Satanisten eben nicht an die Existenz von spirituellen Wesenheiten glauben, dürfte ein höherer Anteil der Christen an die Existenz von Satan oder dem Teufel glauben, als dies bei Satanisten der Fall ist.

2.2.3.2 "Jugendsatanismus", der kein Satanismus ist

Hans-Jürgen Ruppert nimmt an, daß wenn Sätze wie "im Namen Satans" auf Grabsteinen eingeritzt sind, ein satanistischer Hintergrund anzunehmen wäreB5.3. Ich halte das für zweifelhaft. Mögliche Motive für Grabschändungen, die vorgeben satanistisch motiviert zu sein, ohne daß die Täter einen echten Bezug zum Satanismus haben, wären: Die Täter wollen möglicherweise ähnlich den Schöpfern gefälschter UFO-Fotos oder Kornkreise Aufmerksamkeit erregen, wollen aber im Gegensatz zu Menschen mit Münchhausen-Syndrom nicht bekannt werden. Wie problematisch solche Annahmen sind, wird klar, wenn man sich bewußt macht, daß die forensische Medizin zu dem Ergebnis kam, daß in allen Fällen, wo Menschen angaben, sie seien angegriffen worden und man habe ihnen ein Hakenkreuz in die Haut geritzt, die vermeintlichen Opfer sich selber diese Verletzungen zugefügt hatten, oft um Aufmerksamkeit zu erhaltenB7.3 S.207. Es handelte sich hier also um Betrug und zumindest einige der Fälle sind in das Münchhausen-Syndrom einzuordnen.

Außerdem findet in der Literatur eine Gleichsetzung zwischen Jugendokkultismus und Satanismus statt, die so nicht gerechtfertigt ist. Hans-Jürgen Ruppert schreibt in der von der von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschaungsfragen herausgegebenen Broschüre "Satanismus. Zwischen Religion und Kriminalität" über den Jugendsatanismus, daß der Begriff unter einer gewissen Unschärfe leiden würde, daß bei unter 18-jährigen 30% Kontakt zu okkulten Praktiken hätten und es ca. 150 Anhänger einer Satanskirche in Deutschland gäbe.B5.3 Kathrin Leven schreibt in: "Der Satanismus. Betrachtung eines vielgestaltigen Phänomens": "Rund 5% der Jugendlichen haben Erfahrungen mit satanistischen Ritualen gemacht, wozu allerdings auch Geisterbeschwörung und Gläserrücken gezählt wird."B5.4 Da Geisterbeschwörung und Gläserrücken eher dem Spiritismus oder magischen Orden als dem Satanismus zuzuordnen sind, ist diese Deutung zweifelhaft. Heinz Streib schreibt dann auch in seinem Text zum Jugendokkultismus: "Für regelmäßigeres und lebensgeschichtlich bedeutsames Okkultpraktizieren ergeben sich demnach Zahlen, die die 5%-Marke kaum übersteigen dürften." - Er nennt also dieselbe Zahl wie Leven, bezeichnet das aber nicht als Satanismus - und führt eine Umfrage an, die belegt, daß Mitglieder von Okkulten Gruppen sind zu 31% regelmäßige Kirchgänger sindB5.6 Insgesamt entsteht der Eindruck, daß das, was hier Jugendsatanismus genannt wird, von den betroffenen Jugendlichen nicht als Satanismus betrachtet wird und weder zum Satanismus der Erwachsenen noch zum reaktiven Jugendatanismus einen echten Bezug hat.

2.2.3.3 Konkrete Fälle von Satanismus werden eher überzeichnet als verdrängt

Bei Kindesmißbrauch wurde nachgewiesen, daß das Ausmaß des Problems massiv unterschätzt wurde und in konkreten Einzelfällen oft reale Fälle als Lügen dargestellt wurden.

Wie ist es nun mit konkreten Einzelfällen

2.2.3.4 Das Satanismusbild in der Öffentlichkeit hat keinen Bezug zur Realität

 
Inhalt

2.2.3.5 Die echten Erinnerungen zu Satanismus kann man unter false Memories zu Satanismus suchen wie eine Stecknadel im Heuhaufen

Satanismus ist eine extrem seltene Glaubensrichtung. Beinahe jeder hat dagegen eine Vorstellung davon, was Satan oder der Teufel ist, unabhängig davon ob er an dessen Existenz glaubt oder ihn nur für einen religiösen Mythos hält. Das Potential aus dem false Memories zu Satanismus entstehen können, ist damit um einige Größenordnungen größer als das, aus dem echte Erinnerungen an Satanismus entstehen könnten.

Insgesamt schwanken die Ergebnisse von Untersuchungen zur Häufigkeit des sexuellen Kindesmißbrauchs in der USA je nach inhaltlicher Definition des Begriffs und Altersgrenzen zwischen 6 und 62% bei Frauen und zwischen 3 und 31% bei Männern. Bei den wenigen jeweils für ein Land repräsentativen Umfragen schwankten die Ergebnisse zur Häufigkeit von Mißbrauch zwischen 9% und 33% bei Frauen und zwischen 3% und 16% bei Männern. Der Anteil der Inzestfällle an der Gesamtzahl der Mißbrauchsdelikte beträgt bei Frauen 14-44% und bei Männern 0-25%.B7.6 Wenn man annimmt, daß es weltwit 10 000 Satanisten gibtB5.2 S.382, B5.2 S.57, B5.2 S.90ff, B5.1, und daß diese im Schnitt zwei Kinder haben und so häufig mißbrauchen wie andere Bevölkerungsgruppen auch, ist daher mit 600 bis 4500 echten Fällen von Mißbrauch durch Satanisten weltweit zu rechnen.
O11.2.2.1.1 Kersti: Verbreitung des Satanismus

Die Weltbevölkerung umfasste beim Jahreswechsel 2015/16 rund 7,39 Milliarden Menschen.B8.7 Wenn man annimmt, daß weltweit jeder eine Vorstellung kennt, die sich mit Satan oder Teufel als Symbol für das Böse übersetzen läßt, und vermutet daß 1% der Menschheit eine False Memory zum Thema entwickelt, gäbe es 73,9 Millionen Menschen mit eine false Memory zu satanistischem rituellen Mißbrauch.

Das heißt, wenn etwas extrem Seltenes in aller Munde ist, ist damit zu rechnen, daß die Zahl der false Memories zum Thema die Zahl der echten Erinnerungen daran um mehrere Größenordnungen übersteigt.

2.3 Forensische Erkenntnisse zu satanistischem rituellen Mißbrauch

Wenn alle Erinnerungen an rituellen Mißbrauch wahr wären, würden jährlich tausende oder zehntausende an Babies geopfert. In diesem Fall würde man zwar nicht für alle realen Morde Beweise finden, doch es müßten zumindest in einzelne dieser destruktiven generationenübergreifenden satanistischen Kulte entlarvt worden sein.B1.5 S.56

In der Bundesrepublik Deutschland konnte durch die staatlichen Ermittlungsbehörden keine Bestätigung des Verdachts erbracht werden, daß generationenübergreifende satanistische Sekten systematisch über Generationen hinweg sexuellen Mißbrauch verüben und Ritualmorde begehen.B5.8 S.56

Ritueller Mißbrauch in den USA: "Tatsächlich hatten weder kriminologische Sonderuntersuchungen noch wissenschaftliche Expertisen, die Anfang der 1990ger Jahre von offiziellen Stellen - etwa vom FBI - durchgeführt bzw. in Auftrag gegeben worden waren, unzweifelhafte Beweise für die Existenz entsprechender satanistischer Netzwerke oder für eine systematische Praxis satanistisch rituellen Mißbrauchs erbracht. Im Gegenteil, all diese Untersuchungen kamen - mit Ausnahme einiger weniger unzusammenhängender Einzelfälle - zu dem gleichen ernüchterndem Ergebnis: "The research could not find a single case of alleged child sexual abuse where there was a clear corrobating evidence for the existence of a well-organized inter-generational satanic cult which tortured children and committed murders." (deutsch: "Die Forschung konnte keinen einzigen Fall des angeblichen Kindesmißbrauchs finden, bei dem es klare untermauernde Beweise für die Existenz eines gut organisierten, generationenübergreifenden satanischen Kultes gab, der Kinder folterte und Morde beging.)"B5.8 S.36

2.4 Zusammenfassung

Während der vorhergehende Abschnitt zeigt, daß Mißbrauch weitaus häufiger ist, als man das etwa 1950 annahm und daß solche Erfahrungen von den Betroffenen oft verdrängt werden und später wieder ins Bewußtsein treten können, zeigt dieser Abschnitt, daß das was einigen Patienten als satanistischer ritueller Mißbrauch ins Bewußtsein dringt, jedenfalls nichts mit dem real existierenden und allgemein als solcher bekannten Satanismus zu tun hat und daß es hierbei offensichtlich meist um false Memories handelt.

 
Inhalt

Kersti: Teil 3: Die Wissenschaftliche Debatte: Achtung, es menschelt!


Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
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