Übergeordneter Artikel:
VA108.
Ausgrenzung
V171.
Außenseiter: Es tut in der Seele weh, das zu beobachten
Beispielgeschichte, Kersti:
Aber Du weißt das doch!
Einmal wollte ein Lehrer mir helfen. Er fragte die anderen, warum
sie mich ärgerten. Sie antworteten, daß ich blöd und
seltsam sei und daß Ärgern Spaß mache. Seit wann gibt
das einem das Recht, andere zugrundezurichten? Auf meine Bitte hin
erzählten sie ein Beispiel.
Das erste Beispiel handelte davon, wie ich in Tränen ausgebrochen war,
nachdem sie mich so lange geärgert und genervt hatten,
bis ich die Tränen nicht mehr unterdrücken konnte. Das Weinen wäre
mein Fehler gewesen. - Ich war sprachlos. Ich fand, daß es asozial
von ihnen ist, mich so zu behandeln und dann von mir zu verlangen,
ich solle gefälligst unverletzlich für solches Verhalten sein.
Wußte darauf aber keine angemessene Antwort, die ich ihnen hätte geben
können.
Ich fragte nach einem weiteren Beispiel und bekam es. Das nächste Beispiel
war mir unverständlich. Da ich mein Verhalten angemessen fand,
fragte ich, was ich falsch gemacht hätte.
"Aber das weißt du doch!" behauptete eine Mitschülerin.
"Nein, das weiß ich nicht!" widersprach ich.
So ging es hin und her. Es wäre so einfach gewesen zu antworten!
Dann einigten sich Klasse und Lehrer, ich sei schuld, daß sie mich
ärgerten und gaben mir die üblichen Ratschläge. Der
Lehrer meinte, ich müsse dankbar sein.
Ich fragte mich wofür. Das Ganze hatte mir nicht geholfen,
denn ich wußte immer noch nicht, was ich hätte ändern können,
um akzeptiert zu werden. Das ganze hatte mir aber aus mehreren
Gründen geschadet. Zum einen hatte der Lehrer die Klasse darin
bestätigt, sie würde alles richtig machen. Damit hatte er meine
Stellung in der Klasse aktiv verschlechtert. Zweitens hatte er
meine seelischen Wunden erneut aufgerissen. Das ganze war also
eine zusätzliche psychische Belastung für mich in einer Zeit,
wo ich mein Bestes getan hatte, um jede unnötige Belastung zu
vermeiden, da mich das ständige Mobbing psychisch
überforderte.
Ich wußte nicht, wie ich das hätte erklären können, also schwieg ich.
Daß es auch anders geht, führte mir ein paar Jahre später meine
Pfadfindergruppe vor:
V168.
Meckerrunde
Die Forderung, alle Leute sollen "normal" sein, ist
unmoralisch, weil nicht jeder eine normale Mischung an Begabungen,
Vorerfahrungen und Erziehung hat. Man darf von niemandem erwarten,
daß er Fähigkeiten benutzt, die er nicht hat, seine
tiefsten Überzeugungen verrät oder seine grundlegenden
Bedürfnisse mißachtet. Kaum ein Mensch sagt, was ihn
stört. Andeutungen müssen aber viele Menschen übersetzt
bekommen, um sie verstehen zu können! Außenseiter haben zu
wenig Möglichkeit, das unter Gleichaltrigen übliche
Verhalten zu lernen.
O4:
Unterbindet Ausgrenzung in der Schule soziales Lernen?,
OI4.
Auch bevor er geärgert wurde, hob etwas den Außenseiter
heraus: Er war der Neue, der Beste, Schlechteste in der Schule oder
verhielt sich ungewöhnlich. Er kann wegen Hautfarbe, Haarfarbe,
Kleidung, einer Brille, der Religion ... allem geärgert werden.
Doch ist das nur ein Risikofaktor für die Betroffenen, nicht die
Ursache. Die Klasse braucht einen Sündenbock, auf den sie ihre
schlechte Laune ablädt, weil sie die wirklich Schuldigen nicht
zur Rechenschaft ziehen kann: Schulbehörden, Eltern oder Lehrer.
Um sich sicher fühlen zu können, nicht selbst der
Nächste zu sein, gibt man einer Besonderheit des Opfers Schuld.

Inhalt
Quelle
Der Artikel beruht auf dem Abschnitt
V41.2
Wie wird man zum Außenseiter?
des ursprünglich im Sommerheft 1997 von Idee und Bewegung erschienen Artikels:
V41.
Das Gewicht einer Gabe
von mir und wurde seit 6/2017 stark überarbeitet und erweitert.
Ich schildere, wann immer möglich, selbst erlebte Beispiele. Das tue ich nicht, weil es keine anderen gäbe, mit denen man dasselbe belegen kann, sondern weil ich die Literatur mit neuen, zusätzlichen Beispielen bereichern will.
VA272.
Wenn meine Beispiele alle von mir handeln - heißt das etwa,
daß ich selbstbezogen bin?
Selbst erlebte Beispiele sind - da sie aus erster Hand sind - genauer beschrieben als Beispiele aus meiner Praxis, wo ich die Erklärungen meiner Patienten mißverstanden haben könnte und sie deshalb möglicherweise falsch wiedergeben könnte.
V175.
Kriterien zum Bau eines realistischen Weltbildes:
Realitätsnähe
Und diese sind genauer und richtiger als aus der Literatur übernommene Beispiele, da ich bei diesen die betroffene Person nicht einmal persönlich kenne und das Beispiel deshalb möglicherweise in einen falschen Kontext einordne.
Weitere Quellen waren:
| |
VA1.
Sekteneigenschaften als Folge von Ausgrenzung
VA2.
Hoffnungslosigkeit und doch nicht aufgeben
VA61.
Kritikfähigkeit hat zwei Seiten
VA63.
Heißwassertrinken, Knetfiguren - oder woran man
Scientology erkennt
VA103.
Sektenhetze
VA108.
Ausgrenzung
VA231.
Anderssein ist Mist - selbst wenns eine Hochbegabung ist
VB3.
Das darfst du nicht sagen, du mußt wissen, daß es
falsch ist!
V4.
Merkwürdige Erfahrungen
V174.
Warum ich schreibe, wie es war, ausgegrenzt zu sein
V248.
Spielverderber - oder - Wer sind die Guten?
V253.
Manchmal frage ich mich: "Leben wir überhaupt in derselben
Welt?"
V294.
Warum Außenseitermeinungen für Fachleute
schwerer zu verstehen sind als für Laien
V301.
Um Außenseiter zu integrieren, muß man die
Gemeinschaft ändern, die ausgrenzt
V308.
Aussenseiterkarrieren - wie sie entstehen, was sie verhindern kann
V309.
Gibt es Aussenseitereigenschaften?
V114.
Ausgrenzung: Ich bin zu stolz, um gegen mein Gewissen zu handeln
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