Wenn ich Tiere und Menschen vergleiche, fällt mir auf, daß Tiere in den allermeisten Fällen in jeder Situation, die ihnen begegnet, nur auf eine Lösungsmöglichkeit kommen. Menschen dagegen scheinen wesentlich öfter zwischen dre oder vier scheußlichen oder genausovielen schönen Möglichkeiten wie gefangen zu sein und sich nicht entscheiden zu können. Selbstverständlich kommt es auch bei Tieren in seltenen Fällen vor, daß sie sich zwischen zwei Möglichkeiten nicht entscheiden können. Das führt dann zu dem in der Verhaltensforschung (Ethologie) bekannten Phänomen der Übersprungshandlung, bei der das betroffene Tier etwas völlig Unpassendes tut. Doch bei Menschen ist dieses quälende sich nicht entscheiden können wesentlich häufiger.
Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, welche grundsätzlichen Probleme daraus entstehen. Wie auch alle Säugetiere, die uns entwicklungsgeschichtlich vorausgingen, haben wir Menschen einen vollständigen Satz an Instinkten, die uns für viele Probleme eine Lösung anbieten. Zu diesen Instinkten gehört, daß wir an allem Freude haben, das unserer gesunden Entwicklung und dem Überleben dienlich ist. Doch eines haben wir allen Tieren voraus: Wir haben die Freiheit unsere Instinkte zu benutzen oder sie durch etwas Anderes, abgeschautes oder selbsterfundenes zu ersetzen. Und wenn sie funktionieren werden wir auch an unseren eigenen Ideen unsere Freude haben.
Wenn man sich jedoch die Geschichte und Vorgeschichte anschaut, stellt man fest, daß die menschliche Fähigkeit, sich neue Lösungen auszudenken, gar nicht so unproblematisch ist.
Die Grundlage jeder Moral ist die Suche nach einer Möglichkeit, wie wir mit unseren Mitmenschen und mit der gesamten Umwelt in Harmonie leben können. Tiere brauchen keine Moral. Sie sind so weitgehend durch ihre Instinkte bestimmt, daß sie normalerweise keine zwei Möglichkeiten sehen, wie sie handeln könnten. Tiere können auch Fehler machen, aber sie sind nicht persönlich dafür veranwortlich, weil sie nicht
die Wahl gehabt hätten, anders zu handeln. Wir Menschen dagegen sind frei. Wir
können nahezu für jede Situation verschiedene Handlungsweisen erfinden. Und diese
Freiheit zwingt uns zu wählen, immer wieder Entscheidungen zu treffen. Wenn wir nicht
ziellos handeln wollen, so brauchen wir ein System.
Wir Menschen waren schon immer
auf unsere Intelligenz angewiesen, um zu überleben. Deshalb haben wir eine Neugier und
Freude daran, Dinge wirklich zu verstehen mitbekommen. Wer diese Freude nicht mehr kennt,
wer nie Spaß daran findet, einer neuen Idee nachzuspüren, wer nicht gelegentlich
gerne mit anderen diskutiert und sich freut, wenn der andere einen neuen noch unbekannte
Gedanken bringt, der wurde durch die Umstände seines Lebens eines Geburtsrechtes
beraubt: Des Rechtes auf eine eigene Meinung. Und wenn ich mich so umsehe, stelle ich fest -
Die meisten Menschen benehmen sich, als hätte ihnen jemand das Denken verboten.
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