Jeder, der sich gerne mit Außenseitermeinungen beschäftigt,
stellt irgendwann ein merkwürdiges Phänomen fest: Vertreter von
Außenseitermeinungen sind besser informiert, als Vertreter von weit
verbreiteten Meinungen! Und nicht nur das: Sie argumentieren sachlicher,
geben im allgemeinen die zur weiteren Informationsuche nützlicheren
Quellenangaben und machen meist weniger sachliche Fehler.
Kaum zu glauben? Ist aber so.
Nur heißt das halt noch lange nicht, daß
Außenseitermeinungen häufiger richtig sind, als weit
verbreitete Meinungen. Tatsächlich hat dieser Effekt ganz andere
Ursachen:
Wie kommt man zu einer weit verbreiteten Meinung?
- Man interessiert sich eigentlich kaum für das Thema und verläßt sich
deshalb darauf, daß das was "alle" sagen, schon stimmen wird. (Wer "alle" sind hängt dann aber vom persönlichen Umfeld ab... )
- Man besucht eine beliebige Hochschule und lernt dort die drei am weitesten verbreiteten Meinungen kennen,
denkt kurz über deren Argumentation nach und nimmt dann das plausibelste.
- Wie oben, nur daß diesmal eine Bibliothek oder Buchhandlung die Quelle ist, in der - wie meist
- nur die verbreitetsten Meinungen vertreten sind.
Auf all diese Möglichkeiten, zu einer weit verbreiteten Meinung zu kommen, kann natürlich eine Phase folgen, in der der Besitzer dieser Meinung sich sorgfältig informiert. Das ist aber gemessen an der Zahl der Besitzer dieser Meinung relativ selten, da es so viele Themen gibt, zu denen man IRGENDEINE Meinung in sein Weltbild integrieren muß, um im Alltag handlungsfähig zu sein, daß jeder nur bei einem Bruchteil von unter einem Prozent seiner eigenen Meinungen wirklich eine gründliche Meinungsbildung betreiben kann. Manche Leute bilden sich dagegen in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal eine eigene, wirklich unabhängige und fundierte Meinung.
Wie kommt man zu einer Außenseitermeinung?
- Man hat eine der weitverbreiteten Meinungen und stößt auf einen Hinweis, daß sie
höchswahrscheinlich falsch ist. Daraufhin leitet man eine gründliche Meinungsbildung ein und kommt zu dem Ergebnis, daß eine der Außenseitermeinungen richtig ist - oder erfindet selber eine neue Außenseitermeinung.
- Man hat einen nahen Verwandten oder nahen Bekannten, der eine so intensive Meinungsbildung
betrieben hat. Und ist dadurch gut über das Thema informiert.
- Man gehört einer Sekte an.
Die ersten beiden Möglichkeiten führen zwangsläufig dazu, daß der Betreffende sich
überdurchschnittlich gut informiert hat. Die dritte Möglichkeit hat den Nebeneffekt, daß man von dem Betreffenden die Meinung vermutlich nur dann erfährt, wenn man derselben Sekte angehört. Diese Meinung fällt also bei der Beschäftigung mit Außenseitermeinungen in den meisten Fällen unter den Tisch. Ausnahmen bilden nur Bücher aus Sekten mit so guter und klarer Beweisführung, daß sie auch von Außenstehenden weiterempfohlen werden.
Was passiert, wenn man eine Außenseitermeinung hat?
Das ist jedoch nur der erste Schritt der Ursachenkette für die durchschnittlich bessere Informiertheit der Vertreter von Außenseitermeinungen. Das offene Vertreten einer Außenseitermeinung außerhalb des geschützten Rahmens, den eine geschlossene Gruppe mit derselben Meinung bietet, hat nämlich aus folgenden Gründen einen erheblichen erzieherischen Effekt:
- Man bekommt von der Gegenseite oft persönliche Beleidigungen
und unsachliche Argumentation zu hören, ohne sich wirkungsvoll
wehren zu können, wenn man sich selber jedoch einen solchen
Fehler erlaubt, bekommt man das sofort von allen Seiten vorgeworfen.
Also bemüht man sich um sachliche, gut belegte Argumentation oder
schweigt. (Und von denen, die schweigen, merkt man natürlich bei
der Suche nach weiteren Informationen nichts.)
- Bei der Suche nach neuen Informationen, macht man die Erfahrung,
daß es nicht mehr reicht, in die nächste Buchhandlung oder
Bücherei zu gehen und zu fragen, welches denn ein Standartwerk
zum Thema ist, sondern daß man bei der Suche nach guter
Literatur zu Außenseitermeinungen zum größten Teil
auf gute Quellenhinweise anderer mit dem Thema
Beschäftigter angewiesen ist.
Durch diese Erfahrung lernt der Betreffende, daß Quellenhinweise
etwas Wertvolles sind, und achtet deshalb auch selbst darauf, gute
Quellenhinweise zu geben.
- Eine Außenseitermeinung wird nie ohne Beweise als richtig
akzeptiert, jeden Fehler in der Beweisführung reibt einem
irgendwann jemand unter die Nase, jede Schwäche bekommt man
vorgeworfen. Man erhält also in der Summe einen sehr
ausführlichen Unterricht in sauberer Beweisführung.
Daraus läßt sich schließen: Für labile
Persönlichkeiten ist es ratsam, sich vom Vertreten von
Außenseitermeinungen fernzuhalten. Das Maß an
persönlichen Angriffen, das Vertreter von Außenseitermeinungen
abbekommen, könnte über die eigenen Kräfte gehen.
Wer aber fähig ist, das schadlos zu verkraften, für den lohnt
sich das offene Vertreten einer
Außenseitermeinung, weil er daraus viel lernen kann.
In absoluten Zahlen: Gibt es mehr gut informierte Vertreter von
Außenseitermeinungen oder von weit verbreiteten Meinungen?
Keine Ahnung.
Das ist ungefähr so, als hätte jemand einige Stecknadel in
einen großen Heuhaufen geschmissen und ein paar andere in eine
Schachtel, wo eine Handvoll Heu drin ist. Es ist praktisch
unmöglich, alle Stecknadeln im Heuhaufen zu finden - ja sogar nur ein
Zehntel der Stecknadeln aus dem Heuhaufen wieder herauszufischen ist
nahezu unmöglich. Aber die Stecknadeln in der kleinen Schachtel, die
findet man alle wieder. Nur die Frage, wo denn nun mehr reingeworfen
wurden Heuhaufen oder Schachtel - läßt sich durch
Stecknadeln wieder heraussammeln nicht sicher klären.
Vergleichbar ist das mit dem wirklich gut informierte Leute zu einer weit
verbreiteten Meinung finden - zwischen den ganzen schlecht informierten
Besserwissern, sind sie wirklich so schwer aufzustöbern, wie eine
Stecknadel im Heuhaufen. Gut informierte Leute zu einer
Außenseitermeinung finden, ist dagegen ganz einfach - man bekommt
sie von nahezu allen, die diese Meinung offen vertreten geradezu
aufgedrängt.  
Aufgrund der aufgeführten Mechanismen nehme ich an, daß
Menschen, die in irgendeinem Bereich eine Außenseitermeinung offen
außerhalb des Rahmens einer Gemeinschaft, die diese
Außenseitermeinung teilt, vertreten oder über einen
längeren Zeitraum vertreten haben, im großen und Ganzen ein
realistischeres Weltbild haben, als Menschen, die in keinem Bereich eine
Außenseitermeinung offen vertreten. Und zwar unabhängig davon,
ob diese Außenseitermeinung zutrifft.
Nachbemerkung:
Eine Frau, die sechs Jahre studiert hatte - Biologie - und jetzt in der
Krebsforschung arbeitet, las diesen Text und meinte, sie hätte aber
überhaupt nicht den Eindruck, daß Vertreter von
Außenseitermeinungen (in der Medizin) besser informiert seien, als
Vertreter von häufigen Meinungen.
Ich war zuerst einmal überrascht, ob dieser Antwort - bei ihrem Beruf
mußte sie eigentlich irgendwo schon einmal gelernt haben, was der
Begriff repräsentative Stichprobe bedeutet.
Denn wenn man Wissenschaftliche Fachleute für den Bereich miteinander vergleicht, dann erhält man dasseebe Ergebnis wie wenn man - wie ich oben - zu gleichen Teilen auch die außerwissenschaftliche Diskussion betrachtet. Im Falle von wissenschaftlichen Fachzeitschriften hängt das mit dem Peer-Review zusammen: Zwar ist Wissenschaftlern theoretisch bewußt, daß kritische Meinungen wichtig für die wissenschaftliche Diskussion sind, jedoch sind sie immer noch Menschen, die automatisch die Gegenmeinung kritischer bewerten als die eigene. Deshalb erfüllen wissenschaftliche Artikel zu Außenseitermeineungen, falls sie tatsächlich veröffentlicht werden, die üblichen Anforderungen an wissenschaftliche Artikel im Allgemeinen über. Und auch diese hyperkritische Haltung wirkterzieherisch auf Menschen, die Außenseitermeinungen vertreten.
Und sie müßte sich an fünf Fingern abzählen
können, daß ihr persönlicher Bekanntenkreis
zweiffellos keine repräsentative Stichprobe aus der
Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland darstellt. -
Zumindest die in der Krebsforschung arbeitenden gut informierten
Fachleute, die weit verbreitete Meinungen verteten, dürften erheblich
überrepräsentiert sein.
Abgesehen davon mag sie einiges für Außenseitermeinungen
halten, was in unserer Gesellschaft ganz gewiß keine
Außenseitermeinung mehr ist. Beispielsweise gibt es - wie jeder mit
einem kurzen Blick ins Telefonbuch feststellen kann, eine erheblich Anzahl
an Heilpraktikern - etwa ein Drittel bis ein Viertel der Anzahl der
Ärzte. Die weitaus meisten Heilpraktiker machen unter anderem auch
Homöopathie - und von daher kann man die Behauptung, daß
Homöopathie eine brauchbare Heilmethode sei, wohl kaum als
Außenseitermeinung in unserer Gesellschaft betrachten. Das
zählt zu den weit verbreiteten Meinungen.

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