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Wenn meine Beispiele alle von mir handeln - heißt das etwa, daß ich selbstbezogen bin?

Vorbemerkung: Selbstverständlich handeln nicht alle Beispiele auf meiner Internetseite von mir sondern nur die ein erheblicher Teil - ich würde schätzen, etwa 50%, bin aber zu faul, um zu zählen. Relativ zu Beginn der Geschichte meiner Internetseite war der Anteil der Beispiele, die von mir handeln, höher, lag also eher bei 70-80%.

1. Welche Aufgaben Beispiele NICHT haben

1.1 Sie sollen nicht beweisen

Einzelbeispiele sind als Beweise für eine Aussage nur sehr begrenzt tauglich. Das Einzige, was sie beweisen können, ist nämlich, daß sie die Aussage "So etwas unmöglich" oder "So etwas gibt es nicht" widerlegen. Beispiele sind dagegen völlig ungeeignet um zu herauszufinden, ob diese Art von Erlebnissen
  • typisch für die Klasse Erlebnisse sind, die sie repräsentieren sollen
  • wie häufig diese Variante ist (vielleicht bin ich ja die einzige, die es jemals so oder so ähnlich erlebt hat)
  • welche der beteiligten Variablen das Beobachtete hervorgerufen hat. (Wenn ich nicht diverse ähnliche Erlebnisse hatte, in denen alles, außer dem, was ich für den Grund hielt, auch mal anders war, kann ich mir nicht sicher sein, ob die Begründung, die ich angenommen habe wirklich die tatsächliche Ursache in meinem persönlichen Fall ist. Und selbst wenn das so war, mag dieses Phänomen bei anderen Leuten durch etwas völlig anderes ausgelöst werden.)
All das muß man unabhängig von diesem Beispiel überprüfen und das Ergebnis einer solchen Überprüfung wird meist über oder unter dem Beispiel erwähnt. Beispiele sind bei mir also gewöhnlich KEIN Teil der Beweisführung. Manchmal ist der Artikel allerdings einfach noch nicht fertig und ich habe nur mal schnell das Beispiel dorthinkopiert.

1.2 Sie dienen nicht dazu, meine Besonderheiten hervorzuheben

Viele der Themen, die ich auf meiner Internetseite behandle, habe ich natürlich gewählt, weil sie mich in irgendeiner Form persönlich betreffen. Trotzdem wäre es unsinnig, auf einer Internetseite ein Thema zu behandeln, das NUR mich betrifft. Also stehen auf meiner Internetseite nur Themen, bei denen ich immer wieder festgestellt habe, daß es auch Anderen so geht.

In Beispielen auf meiner Internetseite, habe ich meist diejenigen Einzelheiten herausgekürzt, die zwar typisch für mich sind, aber nichts mit der Klasse an Erlebnissen zu tun haben, für die es ein Beispiel sein soll. Ich habe also ein persönliches Erlebnis so weit gekürzt, daß es ein idealtypisches Beispiel ist.

Daß ich dennoch meist ausdrücklich dazuschreibe, daß dieses Beispiel von mir handelt, liegt daran, daß das heißt:

1.3 Beispiele dienen nicht als Argumente

Wenn ich ein Beispiel bringe, steht das Argument vor oder hinter diesem Beispiel - das Beispiel selbst ist im Allgemeinen kein Teil der Argumentation, sondern es macht nur anschaulich, von was die Argumente handeln.
VA246. Kersti: Der Unterschied zwischen Argumenten, Argumentationstricks und persönlichen Angriffen
VA253. Kersti: Der Unterschied zwischen wahr, bewiesen, nicht bewiesen, nicht belegbar, nicht beweisbar, widerlegt, falsch

2. Wozu Beispiele gut sind

2.1 Beispiele helfen bei der Übersetzung einer theoretischen Diskussion in die Alltagsanwendungen

So lange ich zur Schule gegangen bin, habe ich gewöhnlich bei meiner Argumentation keine Beispiele gebracht. Erst gegen Ende der Schulzeit stellte ich an einigen Beispielen fest, daß Menschen, die in der Schule eine mathematische Regel noch am Vortag richtig angewendet haben, sie oft, wenn sie sie im Alltag brauchen könnten, nicht mehr als die richtige erkennen. Daraus lernte ich dann nach und nach, daß man möglichst viele Alltagsbeispiele bringen muß, damit Menschen verstehen, was eine solche theoretische Diskussion für ihr persönliches Leben heißt.

2.2 Beispiele sprechen die Gefühle an und helfen uns, intuitiv richtig zu handeln

Beispiele machen den Text ansprechend, weil man sich in das, worum es geht hineinfühlen kann. Dadurch kommen dem Leser automatisch Situationen in den Sinn, wo er ähnliches erlebt und sich ähnlich gefühlt hat und es wird ihm verständlicher, was er aus dem abstrakten Text um dieses Beispiel herum für sein eigenes Leben lernen kann.

Wenn man durch das Einfühlen in Beispiele sich mit verschiedenen Handlungsmustern vertraut gemacht hat, kann man sie viel eher im Alltag nutzen, weil unsere Intuition nicht Handlungen von einem theoretischen Gedankengebäude ableitet, sondern eher von anderen ähnlichen Handlungen. Beispiele helfen uns also, intuitiv richtig zu handeln, indem sie unserer Intuition zusätzliche Modelle bieten, nach denen sie sich ausrichten kann, wenn es zu passen scheint.

2.3 Unterschiedliche Beispiele zeigen, wie unterschiedlich sich ein Phänomen äußern kann

Ein Grund, warum ich immer wenn möglich Beispiele bringe, die nicht aus der einschlägigen Fachliteratur sondern aus meiner eigenen Erfahrung stammen, ist, daß Leuten die mehr als einen Text zum Thema lesen, dadurch vor Augen geführt wird, wie unterschiedlich sich ein und dasselbe Prinzip äußern kann.

3. Warum die Beispiele von mir handeln

3.1 Es steht mir nicht zu, das Privatleben anderer Menschen auf meiner Internetseite auszubreiten

Während ich über mein Privatleben schreiben kann, so viel ich will, muß ich bei Beispielen, die von meinen Patienten stammen wesentlich behutsamer bei dem sein, was ich darüber schreibe. Gerade wenn es um peinliche Dinge geht, schreibe ich lieber über mich, weil ich dann sicher wissen kann ob ich mit jeder denkbaren Reaktion klarkommen würde - oder auch nicht - und ob ich es mir deshalb leisten kann, das aufzuschreiben, weil ich es weit genug aufgearbeitet habe, um mir desm Echo klarzukommen.

Wenn ich das in einer Form tun würde, die ausführlich genug wäre, daß man die Betroffenen wiedererkennen kann, würde ich durch das Aufschreiben privater Probleme von anderen rechtliche Probleme bekommen.

3.2 Wenn ich Beispiele aus Büchern abschreibe, langweilt das die gut informierten Leser

Beim Lesen von Fachliteratur ist es mir öfter passiert, daß ich dasselbe Beispiel für ein Problem in drei unterschiedlichen Büchern oder wissenschaftlichen Artikeln gelesen habe, was ich ziemlich langweilig fand. Deshalb finde ich es ist einfach besser, wenn man ein Beispiel aus der eigenen Erfahrung hat, das man einbringen kann, dieses Beispiel zu nehmen und nicht irgendwo etwas abzuschreiben.

3.3 Es dauert meist so lange, Fremdbeispiele wiederzufinden

Ein Grund, warum ich seltener Beispiele von anderen verwende, ist daß ich sie schriftlich brauche, um sie einigermaßen richtig wiederzugeben, weil ich sie ja oft nur einmal gelesen habe - zwischen den tausenden von Mails die auf meinem Computer liegen, ist es aber ziemlich schwierig, eine einzelne Mail ohne besonders bemerkenswerte Worte wiederzufinden, aus der ich gerne eine Situation als Beispiel bringen würde.

3.4 Mein eigenenes Leben kenne ich einfach ein wenig besser als das jedes anderen

Meine eigenen Erfahrungen sind für mich persönlich natürlich wichtiger als die jedes anderen Menschen. Einfach, weil sie eben mich betreffen. Dadurch denke ich mehr über sie nach und sie fallen mir leichter wieder ein als jedes andere Beispiel.

Eigene Beispiele kann ich jederzeit einfach aufschreiben. Ich kenne bei eigenen Beispielen die Innenperspektive besser, als sie mir jemand beschreiben könnte, da ich sie selbst erlebt habe.

3.5 Schriftliche Fremdbeispiele sind nie so genau auf das Thema zugeschnitten

Da ich meine eigenen Erfahrungen viel vollständiger im Kopf habe als das bei einer Geschichte, die mir jemand anders über ein Erlebnis, das er hatte, erzählt hat, möglich wäre, kann ich mir die Einzelheiten, die für's Thema wichtig sind, herauspicken und hervorheben, ohne dadurch das Beispiel wesentlich zu verfälschen. Ich kann also die Geschichte, die ich erzähle, besser auf den Zweck, dem sie dienen soll zuschneiden, weil mir mehr Einzelheiten bekannt sind und ich so mehr habe, unter dem ich auswählen kann.

Kersti

A1 Warum Beispiele aus meinem Leben typisch sind

O4. Kersti: A9 Schwierigkeiten der Verwendung von Büchern mit autobiographischen Erlebnisberichten als Quelle der Sozialwissenschaft
VB2. Kersti: Lernen ist Spiel
VB3. Kersti: Das darfst du nicht sagen, du mußt wissen, daß es falsch ist!
VB4. Kersti: Warum ich so viele persönliche Erfahrungen beschreibe (Damit Forschung da landet, wo sie angewendet werden kann)
VB5. Kersti: Spiel macht unser Lernen realitätsbezogen
VB7. Kersti: Danke für Kritik
VB12. Kersti: Wahres Spiel ist anstrengend
VB14. Kersti: Wie lernt man etwas grundsätzlich Neues dazu?
VB15. Kersti: Lernen: Zwischen den Stühlen
VB16. Kersti: Die Bedeutung der Optionhaltung
VB20. Kersti: Fachidiotentum
VB31. Kersti: Medizin - Religion oder Wissenschaft?
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
V164. Kersti: Nicht Meinungsfreiheit - Freie Wahrheitssuche!
V165. Kersti: Meinungsfreiheit - ein Luxus?
V169. Kersti: Ein professionelles Layout?
V171. Kersti: Außenseiter: Es tut in der Seele weh, das zu beobachten
V172. Kersti: Ein echt guter Rat
V173. Kersti: Was ist Gewissen?
V174. Kersti: Warum ich schreibe, wie es war, ausgegrenzt zu sein
V175. Kersti: Kriterien zum Bau eines realistischen Weltbildes: Realitätsnähe
V176. Kersti: Standpunkte
V194. Kersti: Was unterscheidet eine Gehirnwäsche von einem Dazulernen?
V253. Kersti: Manchmal frage ich mich: "Leben wir überhaupt in derselben Welt?"
V297. Kersti: Das ist ja wie im Dritten Reich!
V298. Kersti: Was ist ein Ritual?
V299. Kersti: Der Unterschied zwischen Elitebewußtsein und Standesdünkel
V300. Kersti: Ohne eigene Erfahrungen keine zutreffende Theorie
V301. Kersti: Um Außenseiter zu integrieren, muß man die Gemeinschaft ändern, die ausgrenzt
V319. Kersti: Was heißt "Ichlosigkeit"?
V320. Kersti: Im oberen Teil der Brücke wird man verrückt!
VA5. Kersti: Gefährliche Formen der Aufklärung
VA43. Kersti: Randomisierte Doppelblindstudien - braucht man noch andere Methoden in der Medizin?
VA47. Kersti: Die verdrängte Wahrheit ist immer schlimmer, als die Deckerinnerung hinter der wir sie verstecken
VA48. Kersti: Direkte Zensur - indirekte Zensur - Gedankenzensur
VA49. Kersti: Literaturrecherche nach wissenschaftlich fundierter Literatur
VA50. Kersti: Denken verboten Schilder...
VA51. Kersti: Es gibt drei Typen von Vorgesetzten
VA61. Kersti: Kritikfähigkeit hat zwei Seiten
VA66. Kersti: Der Unterschied zwischen alt und veraltet
VA67. Kersti: Welche nichtwissenschaftlichen Faktoren verfälschen das Wissen der Fachleute über den Stand medizinischer Forschung?
VA91. Kersti: Kersti, aus welchem Hut zauberst du die ganzen Sadisten hervor?
VA95. Kersti: Das ultimative Argument
VA122. Kersti: Erkenntnistheorie: Was ist Wahrheit?
VA124. Kersti: Kirchenweltbild und Scientologyweltbild - wie paßt das zusammen?
VA125. Kersti: Fehlertypen in der Wissenschaft
VA126. Kersti: Forschungsstrategien: Wenn ein Mediziner, ein Physiker und ein Historiker sich mit demselben medizinischen Thema beschäftigen, kommt nicht dasselbe dabei heraus
VA127. Kersti: Um das Wissenschaftliche Weltbild der Fachleute realistischer zu machen, brauchen wir viel mehr auswertende Forschung
VA128. Kersti: Wer sollte die Forschung in der Medizin betreiben?
VA152. Kersti: Wissenschaft ist nicht was wahr ist, Wissenschaft ist was bewährt ist
VA162. Kersti: Prüfet alles...
VA163. Kersti: Die Wirkung indirekter Kritik
VA164. Kersti: Die Welt ist eine Illusion...
VA165. Kersti: Fantasie oder Realität?
VA221. Kersti: Erfahrungen mit dem Internetseite schreiben und seinen Nebenwirkungen
VA222. Kersti: Wie man Verdrängung wahrnehmen kann
VA229. Kersti: Eine grundsätzliche Klassifikation von Weltbildern
VA231. Kersti: Wenn man zu anders ist, besteht das halbe Leben aus Mißverständnissen - und die andere Hälfte aus Einsamkeit
VA263. Kersti: Haben Kinder mit ADHS eine unrealistische Selbsteinschätzung?
VA276. Kersti: Doppelblindstudien: Warum viele Wünschelrutengänger unwirksame Entstrahlungsgeräte bauen am Beispiel Pohl
VA283. Kersti: Sehr hohe Soziale Kompetenz von Kindern als Hindernis für das Verständnis des Sozialverhaltens weniger kompetenter Menschen
VA306. Kersti: Was bringt einen halbwegs vernunftbegabten Menschen dazu einen solchen Mist zu glauben?
VA310. Kersti: Ein esoterisches Weltbild hat kaum Einfluß auf das Alltagsleben


Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.