erste Version: 9/2020
letzte Bearbeitung: 10/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Kriminelle Adelige und tödliche Sklaven

F1744.

"Hat Tharr da denn gar nichts mitzureden?" fragte ich

Vorgeschichte: F1743. Tharr vom Licht: Also sitze ich hier, fühle mich wie ein Monster und weiß nicht, wie ich das ändern soll

Theorn Tiger erzählt:
Tharr vom Licht ist in jeder Hinsicht ein guter Diplomat. Er achtet darauf uns rechtzeitig über alles zu informieren, über das wir informiert sein wollen, ist jederzeit höflich und in der Lage, das auch nach den Regeln unserer Kultur zu sein. Außerdem schafft er es immer, als vertrauenswürdiger Mensch rüberzukommen.

Trotzdem ist man natürlich manchmal beunruhigt und sieht nach dem Rechten. Der Anlaß dafür war diesmal, ein Schreiben, in dem sich der König begeistert über die Qualität unseres Offizierscorps geäußert hatte und Dira samt ihren Leuten in ein Schiff mit gemischten Mannschaften versetzen wollte.

Wie Tharr auf das von mir gewünschte Gespräch reagierte, zeigte aber wieder einmal, wie gut er als Diplomat war. Ihm war nämlich bewußt, daß wir eher mit den Sklaven des Lichtreiches sympathisierten als mit den Adeligen, also betonte er seine Herkunft auf weiblicher Seite, denn seine Mutter war im Palast nur eine Sklavin gewesen. Außerden betonte er seine guten Beziehungen zu den Zuchtsklaven. Trotzden zeigte sein normales Auftreten, daß er ein Kind seiner Kultur war. Wenn er sich mit Hochgestellten unterhielt, behandelte er die Sklaven wie Luft, da das bei ihnen so üblich war. Das war einigen von unser Delegation übel aufgestoßen, aber er konnte sich normalerweise kaum anders verhalten, da das sonst seine Autorität untergraben hätte. Daß die Beziehung zu den Sklaven viel besser war als die arrogante Fassade vermuten ließ, zeigte sich dann an Kleinigkeiten.

Die wichtigste Kleinigkeit war, daß die Sklaven Tharr immer auf dem aktuellsten Stand hielten, ihn über all ihre Pläne informierten, so gut das möglich war und ihn vor jeder möglichen Gefahr beschützten. Ich weiß nicht, wie sie herausbekommen hatten, daß ich ihn hatte kritisieren wollen, aber der Zuchtsklave, der mich durch die Station führte war ein XZB12 und obgleich er ein noch sehr kleines Kind war, horchte er mich unauffällig aus, was ich vorhatte und erklärte mir, daß ich mir um Dira keine Sorgen machem müßte, sie würden alle aufpassen, daß ihr nichts passiert.

Ich hatte ihn gefragt, ob bei ihnen denn schon Kinder arbeiten müssen. Er schien die Frage irgendwie nicht einordnen zu können und erklärte mir, als ich ihn fragte, warum er mich denn führt, daß er doch auch mal mit einem von uns hatte reden wollen und daß sie anderen ihn beneiden würden, weil er ihnen diese Aufgabe vor der Nase weg geschnappt hat.

Ich fragte ihn, wer denn sagt, wer was macht.
"Die Aufgaben werden möglichst von dem erledigt, der sie machen will und das am besten kann. Aber das ist gar nicht so einfach, weil wir uns so ähnlich sind und immer jemand traurig ist, wenn ein anderer sich eine besonders schöne Aufgabe geschnappt hat." erklärte er.
"Hat Tharr da denn gar nichts mitzureden?" fragte ich.
"Doch schon, aber wenn wir alles gut planen, können wir machen, was wir wollen, weil er das auch gut findet." erklärte er.
"Hat Tharr denn schon Planungsfehler entdeckt?" fragte ich.
"Doch schon. Er sagt immer daß wir alles zu kompliziert machen und daß die nicht gezüchteten Leute dann nicht begreifen, was wir von ihnen wollen. Und er hat damit auch recht, das merkt man wenn er nicht guckt." antwortete der Junge.
Ich fragte ihn, ob er denn Tharr persönlich kennt.
"Doch ja. Wir spielen alle gerne mit ihm. Aber er findet daß ich dazu langsam zu alt werde."
"Wenn Tharr nicht zu alt ist, warum bist du dann zu alt?" fragte ich, weil mir unverständlich war, wo Tharr noch Zeit zum spielen finden könnte, schließlich hatte er eine Aufgabe, die ihn mit mehr als genug Arbeit versorgen sollte.
"Weil ich immer gewinne, wenn wir Raumschlacht spielen, selbst wenn er eine ganze Brückenmannschaft mitspielen läßt." antwortete er.
"Wie alt bist du denn?" fragte ich.
"Drei!"
Ich schüttelte innerlich den Kopf und dachte an damals, als wir mit einer ganzen etwas zusammengeschusterten Brückenmannschaft gegen einen der gerade erwachsen gewordenen XZB12s angetreten waren und gegen ihn nicht die Spur einer Chance gehabt hatten. Was dieses Kind "spielen" nannte, war Tharrs reguläres Strategietraining als Offizier. Tharr hatte wohl entschieden, daß er auch mit Gegnern üben müsse, denen er noch gewachsen war, auch wenn das hieß, daß er gegen Kindergartenkinder antrat. Offensichtlich hatte er ein sehr gesundes Selbstbewußtsein.

Ich machte mir natürlich immer noch Sorgen, daß er unsere Leute in ein Schiff mit gemischten Mannschaften versetzen wollte. Ehrlich gesagt hielt ich unsere Leute für zu vertrauensseelig, daß das gut gehen konnte, denn so viel Kriminalität, wie es bei ihnen zu geben schien - genau dazu hatte ich die Techniker befragt, die bei uns als Entwicklungshelfer eingesetzt waren - kann man sich bei uns nicht einmal vorstellen. Ich flog also mit dem nächsten Kurierschiff mit, und sprach es natürlich schon in der Zuchtstation an. Ich brauchte das Problem gegenüber Tharr nur anzudeuten, dann erklärte er mir, wie er es gelöst hatte. Jeder einzelne unserer jungen Leute hatte einen XZB12-Stellvertreter zugeteilt bekommen, der auf ihn aufpassen sollte.

Kersti

Fortsetzung:
F1742. Tharr vom Licht: Mir war eingefallen, wie ich bewirken konnte, daß pflichtvergessene Kapitäne sich nicht über XZB12-Kindermädchen beschweren können und die Offiziere des Löwenreiches mit Leibwächtern versehen sind, ohne ihnen das zu verraten

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben