Er klopfte wenige Minuten später an die Tür. Der Drachenreiter war ein kleiner, müder Mann, der aufgrund des psychologischen Profils für entbehrlich erklärt worden war. Vor kurzem war ihm ein Auge entfernt worden, um einem wichtigeren Menschen zugute zu kommen. Der Blick, mit dem er den Professor musterte war ruhig und nachdenklich. Nicht die Angst, die der Professor sonst von derart bedeutungslosen Kreaturen gewohnt war. Der Professor musterte den Mann minutenlang schweigend. Der Drachenreiter erwidertete den Blick ruhig und ebenfalls schweigend bis der Professor den Blick abwandte, um seine Notitzen zu ergänzen.
"Darf ich mich setzen?" fragte der Drachenreiter als der Professor
mit dem Schreiben fertig war.
"Nein" antwortete der Professor und beobachtete ihn aufmerksam.
Der Drachenreiter ließ außer einem kurzen bestätigenden
Nicken keine Reaktion erkennen, blieb nur einfach ruhig stehen und
wartete. Der Professor ließ ihn in der Ecke stehen, während er
verschiedene Arbeiten erledigte. Nach etwa einer halben Stunde schaute er
ihn wieder an. Der Drachenreiter stand immer noch ruhig ohne das geringste
Zeichen des Unbehagens da und betrachtete den Professor aufmerksam.
"Knie nieder!" befahl der Professor scharf.
Der Drachenreiter gehorchte sofort und ohne ein Zeichen, daß es
irgendeine Bedeutung für ihn hätte.
"Küß mir die Füße."
Er gehorchte, doch jetzt erschien ein halbes Lächeln auf seinem
Gesicht, so als fände er den ganzen Zirkus lediglich lustig.
"Du bist ein absolut wertloses Wesen."
Der Gesichtsausdruck des Drachenreiters blieb ruhig und dieses kaum
angedeutete Lächeln war immer noch da. In einer plötzlichen
Aufwallung von Ärger gab der Professor dem Drachenreiter eine
Ohrfeige.
"Kann es sein, daß ihr gerade dabei seid, die Beherrschung zu
verlieren?" fragte der Drachenreiter mit einem sanften
Lächeln.
"In der Tat. Und wenn ich sie erst einmal verloren habe, kann ich dich
ungestraft in Hackfleisch verwandeln." gab der Professor
zurück.
"Ich bin mir durchaus im Klaren, daß ich von der Regierung als
entbehrlich klassifiziert bin." antwortete der Drachenreiter
kühl.
"Und das ist dir vollkommen egal, wie?"
"Nein. Aber ich kann nichts dagegen tun."
Jetzt erschien zum ersten mal eine Andeutung von Härte in der Stimme
des Drachenreiters.
Wieder musterte der Professor den Drachenreiter schweigend und der
erwiderte den Blick ruhig.
"Setz dich."
Der Drachenreiter gehorchte und sah den Professor aufmerksam an.
"Du hast überhaupt gar keine Reaktionen gezeigt."
"Ich wollte keine zeigen."
"Warum?"
"Weil ich noch zu keinem Ergebnis gekommen war, was von euch zu halten
sei."
"Vielleicht bin ich ja gekommen, um dich zu Tode zu foltern."
"Das kann ich nicht ganz ausschließen."
Die Antworten des Drachenreiters kamen ruhig und ohne Zögern.
"Bin ich gekommen, um dich zu Tode zu foltern?"
"Das halte ich für relativ unwahrscheinlich. Dergleichen ist zu
oft gemacht worden, um eine gute Forschungsarbeit abzugeben."
antwortete er.
"Vielleicht hege ich ja auch nur einen persönlichen Groll gegen
Drachenreiter."
"Wohl kaum. Ihr habt bisher höchstwahrscheinlich keine Gelegenheit
gehabt, einen solchen Groll zu entwickeln."
Das Lächeln war nun klar zu erkennen.
"Was ist daran lustig?"
"Ihr macht euch die Sache zu umständlich. Wenn ihr mich direkt
nach meinen Zielen und Plänen fragen würdet, würdet ihr
viel mehr erfahren." antwortete der Drachenreiter.
"Und dann würde ich auch eine ehrliche Antwort bekommen,
wie?"
"Ja. Es ist schließlich kein Geheimnis, was ich vorhabe. Ich
binde es jedem auf die Nase, der bereit ist, mir zuzuhören."
"Und was?"
"Ich versuche zu erreichen, daß in Zukunft die Drachen, die von
Menschen gefangengenommen werden, am Leben bleiben dürfen."
antwortete der Drachenreiter.
Der Professor lachte ihn aus. Der Drachenreiter betrachtete den Professor
nachdenklich schien etwas sagen zu wollen und überlegte es sich dann
anders.
"Geh auf dein Quartier." befahl ihm der Professor.
Der Drachenreiter verließ gehorsam den Raum.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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