Als wir etwa ein halbes Jahr bei ihm waren, begann der Arragon zu
überlegen, warum es mit der Heilung seiner Tochter nicht
weiterging. Schließlich fragte er den Heiler, woran es läge.
Einen Augenblick schwieg der Mann. Dann antwortete er leise und in
einem sehr ruhigen Tonfall:
"Bevor ein Heiler in seine Arbeit eingewiesen wird, werden mittels
Akupunktur die Energiekanäle geweitet, so daß mehr Energie(VA180. Definition Eso)
hindurchfließen kann als bei normalen Menschen. Von Zeit zu Zeit
ist es notwendig die Kanäle erneut zu reinigen und weitzustellen,
damit man weiterhin richtig arbeiten kann."
"Wer macht so etwas?" erkundigte der Herr sich.
"Jeder ausgebildete Heiler in der Klinik ist dazu fähig."
antwortete der Heiler.
"Dann werde ich mich darum kümmern."
Der Heiler nickte ruhig mit ausdruckslosem Gesicht.
Die folgenden Tage vor und nach der Arbeit war Arragon sehr beschäftigt, alles zu regeln. Die Klinikleitung war sofort bereit, gegen eine angemessene Gebühr einen erfahrenen Heiler zu schicken, der diese Arbeit tun sollte.
An dem Tag, als die Reinigung der Kanäle stattfinden sollte, kam
der Herr erst sehr spät nach Hause. Er war überrascht, keine
der Katzen zu sehen. Dann ging er zum Zimmer des Heilers und wurde an
der Tür vom Heiler der Klinik abgefangen.
"Bitte, sie dürfen jetzt nicht dort hinein."
"Warum nicht?"
"Lassen sie ihn in Ruhe, bis er von alleine herauskommt. Wenn nicht,
könnten sie ihn damit umbringen." der flehende Tonfall des
Heilers ließ es ihm geraten erscheinen, zu tun was er sagte.
"Ist das so gefährlich?" dem Herrn blieb bei dieser
Vorstellung fast das Herz stehen.
"Ja."
"Aber er hat doch kein Wort gesagt!"
"Dann hat ihm wohl die Angst den Verstand vernebelt." antwortete
der fremde Heiler.
Wie sein eigener Heiler hatte der Mann eine Katze auf der Schulter, die
ihn mit aufmerksamen grünen Augen musterte.
"Die Angst?"
"Natürlich. Er hatte panische Angst - wie jeder von uns es vor
jeder Reinigung der Kanäle hat. Noch vor zehn Jahren sind selbst
an der ersten dieser Reinigungen mehr Menschen gestorben, als sie
überlebt haben. Inzwischen ist es besser. Mit jeder Reinigung der
Kanäle, die ein Heiler über sich ergehen lassen muß,
wird es gefährlicher. In seinem Alter ist die Wahrscheinlichkeit
zu sterben jedesmal um ein Vielfaches größer als die zu
überleben. Und es ist immer eine schreckliche Quälerei."
der Heiler redete sehr ruhig.
"Du meinst ich habe ihn fast umgebracht?" fragte der Herr dumpf
vor Verzweiflung.
Wenn er es doch nur geahnt hätte!
"Nein. Ich glaube nicht. Er hatte Angst. Aber ich habe noch nie so
ruhige Katzen gesehen vor so einer Arbeit."
"Was hat das jetzt mit den Katzen zu tun?" fragte der Herr
verwirrt.
"Katzen wissen mehr über das Heilen als wir. Sie haben die
besseren Sinne dafür. Sie wären nicht so ruhig, wenn Gerit in
Gefahr geschwebt hätte. Bitte Herr - Hier ist meine E-Mailadresse.
Ich kann mir kein besseres Argument gegenüber der Klinikleitung
vorstellen, mehr Katzen einzusetzen, als wenn Gerit innerhalb von nur
ein paar Tagen wieder einsatzfähig wäre. Das könnte
vielen meiner Freunde das Leben retten. Bitte informieren sie mich in
den folgenden Tagen, wie es ihm geht."
"Das werde ich tun. Aber was meintest du damit, daß die Angst
Gerit den Verstand vernebelt haben könnte?"
"Gerit hat seit Jahren jede Diskussion, wie wir mit der Klinikleitung
verhandeln wollen, mitbekommen. Ihm mußte klar sein, daß
sie nicht wissen, wie gefährlich so eine Reinigung der Kanäle
ist. Und daß sie vielleicht bereit gewesen wären, darauf zu
verzichten, um ihm diese Qual zu ersparen. Er muß vor Angst
wirklich wie gelähmt gewesen sein."
"Aber warum? Er hätte doch nur was sagen müssen..."
"Er hat Ihnen nie gesagt, was sie vor Beginn der Arbeit in der Klinik
mit uns machen, nicht wahr?"
Der Herr sah den Heiler fragend an.
"Spätestens am zweiten Tag in der Klinik ist weiß jeder
Heiler, daß er vielleicht noch ein Jahr zu leben hat und die
meiste Zeit schreckliche Schmerzen haben wird. Als die Klinik noch im
Aufbau war, haben immer wieder Heiler verzweifelt dagegen aufbegehrt.
Daraufhin wurde ein halbes Jahr Folter eingeführt, um unsere
Willen zu brechen, ehe wir mit der grausamen Realität
konfrontiert werden. Deshalb protestiert keiner von uns gegen einen
solch unzumutbaren Befehl, wie den, eine Reinigung der Kanäle
hinzunehmen, wenn er absolut davon überzeugt ist, sie nicht
zu überleben. Bitte sag nicht, daß ich das erzählt
habe. Wir dürfen nicht darüber reden. Es würde einen
schlechten Eindruck machen. Ich lebe noch in der Klinik, Gerit aber bei
ihnen. Und bitte informieren sie mich, wenn es Gerit gut geht."
erklärte der Heiler.
Die nächsten beiden Tage war Arragon mit
seinen Gedanken kaum bei der Arbeit. Er
fragte sich, wie es seinem Heiler ging. Aber
er hielt sich zurück und wartete, daß er
von selbst aus dem Zimmer kam. Die Katzen, das war beruhigend, waren gut
gelaunt. Am Abend des zweiten Tages saß der Heiler
beim Abendessen, als sei nichts geschehen.
Überrascht blieb der Herr in der Tür stehen. Der Heiler sah zu
ihm auf und lächelte. Der Herr wußte zuerst nicht, was er
sagen sollte. Schließlich sprach er den Gedanken aus, der ihm die
ganze Zeit im Kopf herumgegangen war.
"Der Heiler aus der Klinik hat gesagt, daß man an so einer
Behandlung sterben kann."
"Das stimmt." antwortete der Heiler.
"Das habe ich nicht gewußt!"
"Das ist mir nachher auch klar geworden. Es ist gut, daß es so
gekommen ist."
"Aber warum?" fragte der Herr überrascht.
"Weil es nicht einmal wehgetan hat. Es war sogar angenehm. Ich
hätte nicht gedacht, daß so etwas möglich ist."
antwortete der Heiler.
"Tut das sonst schlimm weh?"
"Es ist Folter. Das ist der Beweis, daß es um so besser ist, je
mehr Katzen dabei sind. Diesmal waren drei junge und drei erwachsene
Katzen dabei und ich fühle mich besser als vorher. Das ist das
beste Argument, was ich meinen Freunden in der Klinik in die Hand geben
kann."
"Das hatte der andere Heiler auch gesagt. Ich soll ihm unbedingt
berichten, wie es ausgegangen ist."
"Dann laß uns an den Computer gehen und damit
anfangen."
"Na, na zum Essen wird ja wohl noch Zeit sein." bremste der
Wissenschaftler den Eifer.
Der Heiler lachte leise.
"Selbstverständlich. Ich bin lediglich ungeduldig, meinen
Freunden mitteilen zu können, daß es mir gut geht. Sie haben
sich bestimmt Sorgen gemacht."
Der Heiler blieb bei Arragons Abendessen da. Der Wissenschaftler hatte
den jungen Mann, noch nie so heiter und gut gelaunt erlebt. Nachher
schickten sie gemeinsam eine kurze Mail an die Klinik.
Die Katze:
Heilen ist Kanäle reinigen. Gefährlich wird es nur, wenn sie
nachher mit Nadeln zu weit gestellt werden. Ich hatte vor dem
Kanäle renigen seine durch Schmutz und Überdehnung
spröden Energiekanäle wieder elastisch gemacht, so daß
sie sich zusammenzogen und die schmutzigen Energien, die darin beim
Heilen der Patienten hängengeblieben waren, so eng umschlossen,
daß nichts mehr durchging. Die neuen Akupunkturnadeln hatten die
Kanäle wieder weiter gestellt, aber nicht so weit, daß es
gefährlich war oder die Kanäle verletzt hätte.
Außerdem waren wir genug Katzen, daß wir direkt nach der
Reinigung, wo Menschen so verletzlich für jedes fremde Gefühl
sind, immer aufpassen konnten, daß er sich keine disharmonischen
Energien einfing. Dadurch wurde er zwar durch die reinigung der
Kanäle wieder viel empfindsamer für telepathische
Wahrnehmungen aber er blieb heil und gesund.
Leider konnte ich meinem Menschen das vorher nicht erklären, weil er vor lauter Angst, das, was ich ihm zudachte, nicht bemerkt hat.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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