3/2010
Als er dort mit einem seiner früheren Freunde wiederbegegnete, hörte ich folgendes Gespräch mit:
"Sie haben dich nicht eingesperrt? Sag mal hast du denn nich versucht wegzulaufen?"
"Doch. Aber dann kamen diese Scheiß-Dämonen noch näher und haben mich ständig gepiekst und versucht mir ein Bein zu stellen. Und plötzlich schienen die Bäume noch viel dunkler und größer als vorher. Ich weiß nicht wie das kam. Aber jedesmal, wenn ich versucht habe wegzulaufen war ich spätestens nach einer halben Stunde wieder an dem Platz, an dem ich losgelaufen war."
Ich schmunzelte. Leute dahin führen, wo sie sie haben wollen, das können sowohl die Naturgeister als auch die Dämonen. Und beide hatten sie von mir den Auftrag, Evril nicht weglaufen zu lassen. Er fand das sicherlich sehr gemein.
In den vier Wochen im hellen Tempel war Evril glücklich. Jetzt erst merkte er, wieviel er dazugelernt hatte. Innerhalb von kürzester Zeit, war seine Aura, die während der Meditationen im Wald immer wieder Schmutzteilchen eingefangen hatte und deshalb dort nie wirklich sauber wurde, so rein, wie sie noch nie gewesen war. Eine solche reine Aura fühlt sich wunderbar an: Man empfindet ein tiefes dauerhaftes Glückgefühl. Ich war sehr froh darüber, denn seine reine Energie wurde für die Einweihung gebraucht.
In derselben Zeit bereitete ich den einzuweihenden Schüler vor. Er war ein Krieger von Erzengel Michael, der im Kampf verletzt worden war und die Einweihung wie ich als Heilmethode verwendete. Entsprechend übte ich mit ihm die Meditationen ein, die er später brauchen würde, um mit den Halluzinationen nach der Einweihung fertig zu werden.
Als wir zur Einweihung zusammenkamen, meinte Hannar, selbst Anatahs Aura sei nie so rein gewesen, wie Evrils Aura jetzt sei. Er fragte, ob er das denn auch bei mir lernen dürfe. Selbstverständlich war ich einverstanden.
Von da ab hatte ich neben meinen Dunklen immer auch einige sehr fortgeschrittene helle Schüler, die für ein paar Wochen in den dunkelsten Teilen des Waldes meditierten, um unter diesen erschwerten Bedingungen wirkungsvolleres Meditieren zu lernen. Sie wurden natürlich nicht magisch im Wald festgehalten.
Wenn die fortgeschrittensten Priester des hellen Tempels mit meinen anderen Schülern zusammensaßen und wir uns über Probleme während den Meditationen unterhielten, ließ ich es zu, daß die älteren Schüler die Fragen der jüngeren beantworteten. Evril, der vor Anatahs Tod der zweithöchste Priester im hellen Tempel gewesen war, dachte, er wüßte eine ganze Menge über Meditationstechniken. Doch wenn er die Fragen der jüngeren dunklen Schüler beantwortete, führte das oft dazu, daß ihm heftig widersprachen wurde. Und meine jüngeren Schüler konnten ihren Widerspruch so gut begründen, daß er sehr oft derjenige war, der seine Sicht der Dinge korrigieren mußte. Ich merkte, wie er oft erstaunt darüber war, wieviel geistiges Wissen sie besaßen und wieviel sie selbst wahrgenommen hatten. Doch zuerst wollte er sie jedes mal herunterputzen, wenn sie ihm widersprachen. Ich verbot Evril das streng und machte ihn darauf aufmerksam, daß ein Lehrer sich dem Widerspruch seiner Schüler stellen muß, damit er nicht auf einen Stand zurückfällt, der geringer ist als der, den er hatte, bevor er Lehrer wurde.
"Ein guter Lehrer lernt von jedem seiner Schüler etwas dazu." erklärte ich.
Irgendwann fragte er mich, warum meine Schüler, die sich irdisch so viel kürzer mit Meditieren und Geistigen Dingen beschäftigt hatten, oft mehr darüber wußten als er. Ich erklärte ihm, daß wir Dunklen die älteren Seelen sind und deshalb insgesamt mehr Verletzungen angesammelt haben - aber auch in der geistigen Welt mehr Wissen und Erfahrung haben als die Hellen. Jeder von ihnen hatte, allein um mit all seinen Wunden klarkommen zu können, vieles lernen müssen, das man auch für eine wirkungsvolle Meditation braucht.
Danach hatte Evril einige Zeit mit seinen Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen, die ihn ja schon zu dem Mord an Anatah getrieben hatten. Ich konfrontierte ihn in der Zeit mit Aufgaben, die ihn immer ein klein wenig überforderten, so daß sie ihm das Gefühl vermittelten, er wäre unfähig.
Evril brauchte etwas, bis er anfing, über seine Minderwertigkeitskomplexe zu reden. Als er jedoch merkte, daß ich ihn weder verurteilte noch auslachte, redete er ziemlich lange immer wieder mit mir über das Thema. Irgendwann verlor er das Interesse daran und seinem Verhalten war anzumerken, daß es nun nicht mehr an seinem Selbstwertgefühl kratzte, wenn andere in etwas besser konnten als er selbst oder der jüngste Schüler ihm widersprach und mit seinem Widerspruch auch noch recht behielt.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich wußte, daß seine Persönlichkeit die Schwäche überwunden hatte, die ihn zu dem Mord an Anatah getrieben hatte. Ich teilte den Dämonen und Naturgeistern mit, daß Evril jetzt den Wald verlassen darf, wenn er will. Evril teilte ich das nicht mit, sondern fragte ihn nur häufiger nach seien Wünschen oder befahl ihm, alleine zum Tempel zu gehen, bis er irgendwann von alleine darauf kam, daß ihn keiner mehr aufhielt.
Quelle: Erinnerung an eigene frühere Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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