F2410.

Mit der Zeit stellte ich bei unseren heimlichen Treffen hinter den Büschen fest, daß der Prinz ausgesprochen rebellische Gedanken hatte

Vorgeschichte: F2462. Hans Hermann von Katte: Was daran, daß ich die Kinder zu Streichen anstachelte, machte mich zu einem guten Leibwächter für Kinder?

Autor: Hans Hermann von Katte erzählt:
Mit der Zeit stellte ich bei unseren heimlichen Treffen hinter den Büschen fest, daß der Prinz ausgesprochen rebellische Gedanken hatte. Am liebsten hätte er seinen Vater einen Kopf kürzer gemacht, wie er immer wieder wütend behauptete. Und um ehrlich zu sein, war ich da durchaus in der passenden Stimmung zu. Allerdings gab es Gründe, warum ich keine der Gelegenheiten, die sich dazu so ergeben hatten zu eben diesem Zweck genutzt habe. Schließlich hätte die Zeit, die ich gebraucht hatte, um dem König diese erste Ohrfeige zu geben, durchaus auch gereicht, um ihm mit der Waffe, die ich mit der Uniform trug, auch den Kopf abzuschlagen und es hatte danach diverse ähnliche Situationen gegeben, wo er mich genug gereizt hatte, daß ich aufpassen mußte, daß meine Reaktion im Rahmen blieb. Der Gedanke, ihm einfach den Kopf abzuschlagen, war jedenfalls allgegenwärtig!

Und damit sind wir dann bei dem ersten Punkt, warum ich Politik hasse. Sie ist einfach zu wichtig. Viel zu wichtig. Das beginnt natürlich damit, daß ich, wenn ein gewisser König eben nicht König gewesen wäre, einfach vor Gericht gegangen wäre und dann hätte er so viel Ärger bekommen, daß ich mir keine Sorgen mehr über ihn machen muß. Es geht damit weiter, daß ich ihn, wenn er dazu zu einflußreich gewesen wäre, einfach bei geeigneter Gelegenheit in einem Duell einen Kopf kürzer gemacht hätte, um diesen Verbrecher aus der Welt zu schaffen und daß nichts weiter passiert wäre, als daß die Politik dann etwas weniger schmierig gewesen und es weniger Morde gegeben hätte. Da er aber an der Stelle sitzt, wo so jemand nun wirklich nicht hingehört, funktioniert der Trick selbst dann nicht, wenn ich wie durch ein Wunder bei der Tat nicht erwischt würde, weil es dann einen ausgewachsenen Krieg gegeben hätte!

Natürlich wirkt sein Lieblingsleibwächter immer höchst erfreut, wenn ich Ohrfeigen verteile, aber das ändert nun einmal nichts daran, daß er schnell ist und ihn durchaus gegen ernste Gefahren verteidigen würde. Ich trainiere regelmäßig mit ihm als Gegner und weiß daher, daß er mir mehr als gewachsen ist. Die Witze, die wir dabei machen, sind auch nicht ganz stubenrein, denn er meint, er müsse mich ja gut genug kennen, um im Zweifelsfall meine Tricks vorhersehen zu können, wenn ich ernsthaft auf Mordgedanken kommen würde und ich antworte darauf, daß ich halt auch für den Ernstfall üben müsse. Welchen Ernstfall ich meinen könnte, brauchte ich im Grunde nicht zu erwähnen.

Wir haben dann danach oft auch noch gemeinsam zu abend gegessen. Der Vorschlag war von ihm ausgegangen und ich bin überzeugt, daß er mich für den König aushorchen sollte, schließlich war er als des Königs Spion verschrien. Ich habe dazu einige Fragen gestellt, die er natürlich nicht direkt beantworten konnte, aber ich habe doch einen Eindruck von seiner Stimmung dem König gegenüber bekommen. Die scheint ambivalent zu sein, also so, daß er nicht mit allem einverstanden ist, was der König tut, ihm gegenüber grundsätzlich aber schon loyal ist. Wenn ich also etwas sage, was der König als problematisch sehen würde, sein Leibwächter aber für harmlos hält, so würde er es vermutlich verschweigen. Geht er davon aus, daß der König es für harmlos hält würde er guter Spion spielen und es sagen. Ich sollte mich allerdings davor hüten, daß er zu dem Verdacht kommen könnte, ich könnte dem König ernsthaft gefährlich werden wollen, dann hätte ich nämlich ein Problem. Außerdem würde er auch alles melden, für das er ein Problem bekommen könnte, würde er es nicht melden.

Ich hatte natürlich noch einen zweiten Grund, mich mit dem Leibwächter des Königs zu unterhalten. Ich brauchte eine Vorstellung vom Charakter des Königs, die differenziert genug ist, damit ich weiß, wie ich mich vor noch ernsteren Problemen schützen kann, als ich sie jetzt schon mit dem König habe.

Und jetzt hatte ich es mit einem Prinz zu tun, der seinen eigenen Vater am liebsten einen Kopf kürzer gemacht hätte. Ich wunderte mich wieder einmal über die ausgemachte Dummheit des Königs, der mich zu dessen Fechtlehrer bestimmt hatte. Wenn ich vorher noch auf keinen dummen Gedanken gekommen wäre, hätte ich ihn jetzt!

Andererseits wollte ich durchaus auch am Leben bleiben, also erzählte ich ihm zuerst einmal von jedem mißlungenen Putsch, von dem ich je gehört oder gelesen hatte. Außerdem kramte ich alles heraus, was ich je darüber gelesen hatte was mit minderjährigen Kronprinzen so an häßlichen Dingen passiert, wenn ihr Vater stirbt, bevor sie erwachsen sind. Das führte leider nur dazu, daß der Satz "Dann muß man es eben klüger anstellen!" zu seinem Lieblingssatz avanzierte und ehrlich gesagt gefiel mir der Gedanke, es dann eben klüger anzustellen, mit jedem Tag besser.

Ich fühlte mich, als würde ich auf einem durchgehenden Pferd sitzen, das auf einen Abgrund zurast und war mir nicht so ganz im Klaren, ob ich den Prinz oder mein eigenes Temperament für dieses durchgehende Pferd hielt.

Ich wandte mich also an den Offizier, der ein alter Freund meines Vaters und mein Vorgesetzter war und fragte ihn um Rat.

Kersti

Fortsetzung:
F2411. Der Offizier: Hans Herrmann von Katte ist immer für eine Überraschung gut
F2410. Hans Hermann von Katte: Mit der Zeit stellte ich bei unseren heimlichen Treffen hinter den Büschen fest, daß der Prinz ausgesprochen rebellische Gedanken hatte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben