Mit einem Schrei erwachte ich aus dem Traum. Ich sah in die Augen der
Psychologin vor mir, die mich immer noch schüttelte.
"Komm. Es ist doch nur ein Traum."
Ich schüttelte mich und versuchte die Erinnerungen an fremde Angst
und fremden Schmerz abzuschütteln. Dann sah ich sie fragend an.
"Was hast du bloß geträumt?" fragte sie mich.
"Ich habe geträumt, daß mir bei lebendigem Leibe die Haut
abgezogen wird." antwortete ich.
"So etwas tut doch niemand. Wie kommst du zu so häßlichen
Träumen?"
"Das erste mal war kein Traum - ich habe auch geschlafen, aber stand
in telepathischem Kontakt mit meinem Drachen - und der stand in Kontakt
zu seinen Eltern, die zu der Zeit gefangengenommen und gehäutet
wurden. Er hat danach nur noch zitternd am Boden gelegen und das Schiff,
das kam und ihn tötete, nicht einmal bemerkt, bevor es zu spät
war. Und dann habe ich noch ein zweites mal miterlebt, wie es ist, wenn
man bei lebendigem Leibe gehäutet wird. Das dürfte jeder
Drachenreiter hier im Hause erlebt haben." erklärte ich.
"Deshalb schreien sie manchmal so..." meinte die Psychologin.
"Ja deshalb. Aber selbst mit solchen Erinnerungen kann man
fertigwerden, wenn man irgendeine Perspektive für die Zukunft sieht -
etwas, das das Leben lebenswert erscheinen läßt. Aber eine
Perspektive für die Zukunft hat hier niemand." erklärte
ich.
"Und du - hast du eine Perspektive?"
"Für mich persönlich nicht. Aber - wenn noch einmal ein
Drachenplanet durch Menschen erobert wird, dann will ich erreichen,
daß es anders läuft als diesmal. Daß alle Drachen
getötet wurden, ist darauf zurückzuführen, daß die
Menschen, die das Land erobert haben, schlicht Angst haben. Und diese
Angst ist im Grunde nur darauf zurückzuführen, daß
Drachen als gefährlicher eingeschätzt werden, als sie sind.
Wenn also diesmal ein Drache am Leben bleibt, erwachsen wird und
möglichst viel freundschaftlichen Kontakt zu Menschen hat, besteht
die Möglichkeit, daß das nächste mal mehr Drachen am
Leben gelassen werden." erklärte ich.
"Du nimmst also die Drachen wichtiger als die Menschen?" fragte sie
herablassend.
"Nein. Wie kommst du denn auf den Gedanken? Du glaubst doch nicht im
Ernst, daß es eine Möglichkeit gibt, den Drachen im
Menschenreich zu helfen, von der die Menschen keinen Nutzen haben?
Drachen haben ihre Gefangenen aus dem Krieg gegen das Menschenreich am
Leben gelassen, weil sie es nicht über das Herz gebracht haben,
sie zu töten. Im Menschenreich aber werden nur die Angehörigen
fremder Rassen am Leben gelassen, die den Menschen nützlich
sind." widersprach ich.
"So negativ siehst du die Menschen?"
"Nein. Nicht die Menschen an sich. Der Leiter dieses Gefängnisses
hier hat getan, was in seiner Macht steht, um uns Drachenreitern zu
helfen, als er dieses Elend hier sah. Und auch du hast trotz allem
Mißtrauen, was du mir am Anfang und zum Teil auch jetzt noch
entgegengebracht hast, immer menschlich und freundlich gehandelt. Aber
die Politik des menschlichen Reiches ist so zynisch, wie ich es
beschrieben habe."
Die Psychologin sah mich nur an und widersprach mir nicht.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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