O7.1 Kersti: Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Nahtodeserfahrungen (Quellen hierzu)

ausgegliedert aus O7.10: 2/2009
letzte Überarbeitung: 4/2009

O7.93

Das Jenseits als kollektives Superbewußtsein der Menschheit

Das Kollektive Unbewußte nach Jung erklärt Nahtodeserfahrungen nicht

Jungs Definition des Archetypenbegriffs ist gleichzeitig eine Definition für den Schlüsselreiz

Nach Jung sind Archetypen vererbte psychische Strukturen, die selbst keinen Inhalt aufweisen. Sie sind also keine konkreten Bilder, sondern so etwas wie Rahmen, in die nur Bilder der richtigen Form hineinpassen. In sie werden dann konkrete Bilder aus dem Alltagleben eingefügt. 3.1 S.192-193, 3.3 S.228-229

Jung definiert: "Der Archetypus ist ein an sich leeres formales Element, das nichts anderes ist als eine facultas praeformandi, eine apriori gegebene Möglichkeit der Vorstellungsform. Vererbt werden nicht die Vorstellungen, sondern die Formen welche in dieser Hinsicht genau den ebenfalls formal bestimmten Instinkten entsprechen." 3.3 S.228-229

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz entdeckte das Kindchenschema. Seine Untersuchungen haben gezeigt, daß bestimmte charakteristische Merkmale von Kleinkindern Verhaltensweisen der Brutpflege auslösen, die beim Menschen Säuglingsfürsorge heißt. Zum Kindchenschema gehören rundliche Pausbacken, rundliche Körperformen, großer Kopf, stark vorgewölbte Stirn, tiefliegende große Augen, weiche Haut oder weiches flauschiges Fell und kurze, dicke Gliedmaßen. Der Brutpflegeinstinkt wird nicht nur durch menschliche Kinder angesprochen sondern durch alle Objekte, die diese Merkmale aufweisen. So neigen wir dazu Säugetier- und Vogelkinder zu hätscheln und aufzuziehen. Auch wenn wir sie nur auf Bildern sehen, finden wir sie süß. 4.15 S.14-16

Das Kindchenschema weist alle Eigenarten eines Archetypus auf: Es ist ererbt wie ein Instinkt und kein konkretes Bild sondern definiert nur ein leeres formales Element, ein Schema, das in verschiedensten konkreten Bildern erkannt werden kann.

Als typisches Beispiel für einen Archetyp gilt "Mutter" angegeben. Wie dieser Mutter-Archetyp bei Graugänsen funktioniert, wurde von Konrad Lorenz und E. Hess untersucht: Das Graugansküken erkennt in der sensiblen Phase in den 20 Stunden nach dem Schlüpfen das erste, was sich in seiner Nähe bewegt und Geräusche von sich gibt als seine Mutter, lernt ihr aussehen kennen und folgt ihm von da ab. So wurden in Versuchen Graugansküken auf Menschen aber auch auf verschiedene Gegenstände wie Fußbälle, die künstlich bewegt wurden, mit einem Lautsprecher versehen waren, aber keinerlei Ähnlichkeit mit einer Graugans hatten, geprägt. 3.1 S.192-193, 3.3 S.228-229, 4.15 S.137-141
V239.3.2 Kersti: Prägung bei den Nestflüchtern unter den Vögeln als Beispiel für eine sensible Phase

In der Verhaltensforschung wird das, was Jung als Archetyp definierte, also als Schlüsselreiz bezeichnet.

Jungianer führen Todesnähe-Erlebnissen auf ein kollektives Unbewußtes und Archetypen zurück

Der Tiefenpsychologe C. G. Jung beobachtete, daß es in vielen Kulturen die gleichen Mythen und Märchen gibt, obwohl die verschiedenen Kulturen keine Verbindung zueinander haben. So ähnelt zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte der Papago-Indianer der der alten Griechen. Diese Ähnlichkeiten führte Jung auf ein kollektives Unbewußtes und Archetypen zurück. 3.1 S.192-193, 3.3 S.228-229, 3.5.1

Auch in Träumen, Mystischen Erfahrungen, Erfahrungen, die durch Psychodelische Drogen wie LSD ausgelöst werden können oder Psychosen und neurosen, tauchen die in den Religionen verbreiteten Motive auf. 11.1, 3.5.1

Jungianer führen Todesnähe-Erlebnissen auf Archetypen zurück, weil das Sterbeerlebnis kulturübergreifend (unabhängig von der Abstammung der Betroffenen) ist und bei Männern und Frauen aller Altersklassen im wesentlichen dieselben Komponenten umfaßt. Diese Bilderwelt sei praktisch bei allen Menschen gleich, und so kämen Tunnelerlebnisse, Lichtwesen, Lebensrückblicke und ähnliches zustande. Jung hatte selbst ein Todesnähe-Erlebnis, brachte es aber nicht in Zusammenhang mit dem kollektiven Unbewußten. 3.1 S.192-193, 3.3 S.228, 3.5.1

In Todesnäheerfahrungen tauchen kulturübergreifend ähnliche Elemente auf, die jedoch je nach Kultur unterschiedlich ausgeformt sein können. So werden die Sterbenden in unserem Kulturraum oft von ihren Angehörigen abgeholt, manchmal auch von heiligen oder Jesus, in der DDR in einigen Fällen aber auch vom Sensenmann und in Indien erscheinen oft Yamduts, die Boten des indischen Totengottes. Diese Boten kommen zum Sterbenden und und es kommt oft vor, daß kurz darauf der Kranke stirbt. 10.1, 3.5.7

Argumente gegen die Identität der Jenseitsbilder mit den Jungschen Archetypen

Vergleicht man die Nahtodeserfahrungen mit dem Kindchenschema, wird ziemlich schnell klar, daß hier zwei verschiedene Welten aufeinandertreffen. Während sich das Kindchenschema ganz klar aus seiner Funktion im Rahmen des Brutpflegeverhaltens erklärt, ist völlig unklar, welche biologische Funktion ein Yamdut oder seine Gegenstücke aus anderen Kulturen haben haben könnten. Ganz bestimmt dient er nicht dem Überleben und sollte deshalb - falls er körperlich vererbt wird - durch die natürliche Auslese aus dem Erbgut verschwinden.

Auch die Nahtodeserfahrungen als Ganzes geben im Rahmen der Evolutionstheorie keinen Sinn und sollten deshalb aufgrund der natürlichen Auslese verschwinden, wenn sie wie Instinkte über den Körper vererbt würden.
O7.78 Kersti: Hat die Nahtodeserfahrung einen evolutionären Sinn?

C. G. Jung drückt schreibt einem Brief von 1944 über das Leben nach dem Leben: "Das, was jenseits des Todes sich ereignet, ist so unaussprechlich großartig, daß unsere Imagination und unser Gefühl nicht ausreichen, um auch nur einigermaßen richtig aufzufassen. ... Früher oder später werden alle Toten zu dem, was wir auch sind. Um dieses Wesen wissen wir aber in dieser Wirklichkeit wenig oder nichts, und was werden wir jenseits des Todes noch von der Erde wissen? Die Auflösung unserer zeitbedingten Form in der Ewigkeit ist kein Verlust an Sinn. Vielmehr lernt der kleine Finger seine Zugehörigkeit zur Hand erkennen." Jung hatte ein paar Monate zuvor während eines Herzanfalls selbst ein Todesnähe-Erlebnis gehabt. 3.1 S.19

Religiöse Träume schöpfen nicht aus den Archetypen sondern aus dem jenseitigen Wissen

In diesem Zusammenhang wundert folgende Behauptung, die religiöse Träume mit Archetypen verbindet: "In Träumen können Archetypen als Bilder auftauchen, die nicht aus seinem oder ihrem bewußten Erleben stammen, sondern Motiven aus mythologischen Erzählungen oder alten Riten ähneln."3.1 S.192-193 Während das Kindchenschema genau Jungs Definition für die Archetypen entspricht, ist mir unklar, was die Träume mit der körperlichen Vererbung zu tun haben sollen, die integraler Bestandteil der Jungschen Archetypdefinition ist.

Nachgewiesen ist jedoch daß Nahtodeserfahrungen eng mit der Gestalt der Religionen verbunden sind. Das legt nahe, daß auch die religiösen Träume aus derselben Quelle wie die Nahtodeserfahrungen schöpfen und nichts mit dem zu tun haben, was Jung als Archetypen definiert hat.

Das würde heißen, daß Jung seine Archetypen zwar theoretisch als vererbt wie die Instinkte definiert hat, sie aber nicht klar von Wissen aus dem Jenseits trennen konnte.

Schlüsselreize in Kunst und Fantasie

Wenn Menschen zeichnen, malen, modellieren oder sich etwas vorstellen, spielen Schlüsselreize oft bei der Gestaltung eine Rolle. Das kann bewußt oder unbewußt geschehen. Wenn in einem Buch über Verhaltensforschung das Thema Schlüsselreize diskutiert wird, werden die Schlüsselreize in den dazu passenden Illustrationen ohne Zweifel bewußt übertrieben dargestellt. In der Werbung kommen beide Fälle vor: Manchmal werden Schlüsselreize bewußt ausgenutzt, manchmal ist dem Gestalter nicht bewußt, daß er Schlüsselreize ausnutzt, wenn er ein besonders süßes Kind oder eine besonders attraktive Frau darstellt. In der Kunst dürfte die Ausnutzung von Schlüsselreizen häufiger unbewußt als bewußt auftreten.

Auch in Fantasievorstellungen und Träumen können übertriebene Schlüsselreize auftreten.

Und doch - ein kollektives Unbewußtes?

Einige Nahtodeserfahrungen beinhalten die Behauptung, daß das Jenseits im Grunde ein überpersönliches Superbewußtsein (unter anderem) der gesamten Menschheit ist, das sich die Erlebenden sozusagen verkleiden indem sie es entsprechend ihres menschlichen Fassungsvermögens mit Bildern versehen.

Das würde heißen, die Parallelen zu Schlüsselreizen kommen nicht dadurch zustande, daß die unverkleidete Wahrnehmung ein Schlüsselreiz wäre, sondern daß wir mit Schlüsselreizen genauso umgehen, wenn wir eine Fantasievorstellung oder ein Bild entwickeln, das Schlüsselreize betont, wie wir mit der Nahtodeserfahrung umgehen, wenn wir uns an diese Erfahrung erinnern. Beides ist also im Original sehr unterschiedlich, wird aber auf dieselbe Weise verkleidet und verfremdet.

Im Gegensatz zu dem Jungschen Modell, das von körperlicher Vererbung ähnlich den Instinkten ausgeht, ist dieses Modell mit den in der außerkörperlichen Erfahrung und im Jenseits auftauchenden Beobachtungen inklusive des durch sie vermittelten Wissens vereinbar und im Rahmen dieses Modells lassen sich alle zur Erfahrung gehörenden Beobachtungen erklären.

Sehr gut paßt das dazu, daß Licht im Jenseits mit der Liebe gleichgesetzt wird und Farben unterschiedliche Gefühle darstellen, daß also Licht und Farbwahrnehmung eine Art der Gefühlssynästhesie darstellt. Da unsere Gefühlslage sowohl Teil unseres Bewußtseins als auch Teil unseres Unterbewußtseins ist, ist klar, daß zumindest die Licht- und Farbwahrnehmung in Jenseitsvisionen Bewußtsein darstellt und nicht Materie.
O7.22 Kersti: Synästhesie: Zusammenhänge zwischen Licht und Liebe in Nahtodeserfahrungen

Kersti


O7.1 Kersti: Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu Nahtodeserfahrungen (Quellen hierzu)

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.
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