erste Version: 6/2009
letzte Bearbeitung: 3/2012
Alice Miller schreibt in ihren Artikeln, daß Vergebung für Kinder gefährlich sei und schädlich und ich schreibe, Vergebung wäre gut und wichtig. Da kann man sich fragen, warum ich sie als Autorin so gut finde und ihre Bücher so lesenswert, wenn es doch so scheint als würde wir beiden das genaue Gegenteil voneinander schreiben? Nun, es scheint nur so. Sie nennt es nämlich Vergebung, wenn ein junger Mann sich zwar über den Pädophilen aufregt, der es über Jahre weg vergewaltigt hat aber meint, es hätte den Eltern vergeben, die ihn dahin geschickt haben. Daß er sich aufregt, zeigt daß er das Problem noch nicht aufgearbeitet hat, also kann er auch noch nicht in der Lage gewesen sein, seinen Eltern zu vergeben. Vergebung ist immer der letzte Schritt des Aufarbeitens psychischer Probleme, nicht irgendetwas mittendrin. Erst wenn man die in der eigenen Psyche noch vorhandenen Gründe für den Zorn aufgelöst hat, kann man den Zorn aufgeben. Das was dort zu beobachten war ist nicht Vergebung, sondern Verdrängung, da die Eltern als Bezugspersonen wichtig so sind, daß er meint, auf diese Beziehung nicht verzichten zu können und deshalb lieber seinen Zorn vor sich selbst versteckt als sich dieses Zorns bewußt zu bleiben. Echte Vergebung für die Eltern ist nicht möglich, bevor das Problem mit dem Pädophilen für den jungen Mann befreit ist, der unter der Erfahrung gelitten hat. Niemand kann vergeben, bevor er irgendwann erwacht ist und lachend feststellt, daß er sich nur vor Gespenstern gefürchtet hat und daß er den Erfahrungen von damals nicht länger Macht über sich selbst verleihen muß. Ich weiß nicht, ob Miller schon einmal echte Vergebung erlebt hat - es hört sich eher nicht danach an. Für das aber, was sie fälschlicherweise Vergebung nennt, gibt Miller genau die richtigen Ratschläge: Nehmt Abstand, das ist gefährlich. Es bindet euch für ewig an die Fehler eurer Eltern. Nehmt eure ohnmächtige Wut und euren Schmerz von damals ernst, nur dann könnt ihr Rücksicht auf eure Kinder nehmen, wenn sie Schmerz fühlen oder sich von euch übergangen fühlen. Nehmt soviel Abstand von euren Eltern, wie ihr braucht, um euch nicht durch sie irritiert und gestört zu fühlen - dann ist es leichter eure eigene innere Wahrheit zu finden und frei zu werden.
Wirkliche Vergebung ist nichts, das man für seine Eltern tut. Sie ist eher so etwas wie Selbstvertrauen. Wirkliche Vergebung ist, wenn man weiß, daß man seine eigenen Interessen vertreten und durchsetzen kann, ohne sich dafür schlechte Laune antun zu müssen. Es ist, wenn man bedenkenlos nein sagen und bei diesem nein bleiben kann, wo es angebracht ist aber auch ja sagen kann, wenn man das will. Vergebung ist, wenn man sich befreit hat. Vergebung ist etwas, das man irgendwann staunend und mit sprudelnder Freude entdeckt.
Wenn man vergeben hat, dann merkt man, daß man immer noch liebt - auch wenn man lange geglaubt hat, man würde nicht mehr lieben, weil all die zornigen Gefühle hochgekommen sind und der ganze Schmerz. Auch wenn man lange - und zu recht - so viel Abstand zu den Tätern genommen hatte wie man konnte - in dem ehrlichen Glauben, sie nie wieder sehen zu wollen. Plötzlich kann man an sie denken und sich dabei richtig gut fühlen. So gut, wie man sich das nie vorstellen konnte. Und Vergebung ist, wenn man merkt, daß Liebe etwas völlig anderes ist, als man in seiner angsterfüllten Kinderzeit immer geglaubt hat. Liebe ist nicht, wenn man jemanden braucht. Wenn man auf jemanden angewiesen ist, der unzuverlässig und gemein ist, dann hat man so viel Angst, daß man keine Liebe fühlen kann. Wer Liebe für ein aufregendes Kribbeln im Bauch hält, verwechselt Liebe mit dieser maßlosen Angst verlassen zu werden und dann - wie das einem kleinen Kind ginge - zu verhungern.
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im Voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
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